Sie ist ganz in Schwarz gekleidet, mit Sakko und Stiefeln. Schick sieht Heather Sheehan aus. Ihre grauen, gestylten Haare streicheln ihre Schläfen. Sie lacht viel an diesem Abend. Bis ihre Performance beginnt. Dann ist sie nicht mehr ganz sie selbst. Dann ist sie eine Kunstfigur. Bei der Vernissage in der Claudia Weil Galerie II in Göggingen schlüpft die mondäne New Yorker Künstlerin in einer Performance in die Rolle einer Putzfrau – und begeistert das Publikum.
Rund 20 Menschen drücken sich an die Wände des 18 Quadratmeter großen Galerieraumes. In der Mitte steht Sheehan – jetzt ohne Sakko und Stiefel. Die hat sie eingetauscht gegen ein graues, zerknittertes Stoffkleid mit Längsstreifen. Ein weißes Kopftuch bedeckt ihr Haar. Für ihre Fotografien transformiert sich Sheehan in eine andere Person. Immer dieselbe, immer weiblich.
Performance zur Ausstellungseröffnung in der Galerie Weil
Ghostfrau oder -mensch nennt Sheehan den Menschen, der normalerweise an historischen Orten agiert und den die Künstlerin durch selbstauslösende Fotografien dokumentiert. Für die Performance und Ausstellungseröffnung „i shot myself“ in der Gögginger Galerie zeigt sie sich und die Figur live und schießt dabei Selbstporträts mit einer Analogkamera.
Als Sheehan 2015 für eine Einzelausstellung der Augsburger Künstlervereinigung „Die Ecke“ in einem Haus am Elias-Holl-Platz untergebracht ist, kommt ihr die Idee für eine Fotoserie. Das alte Treppenhaus, behangen mit Marionetten, sagt Sheehan, habe sie inspiriert. „Als ich das Treppengeländer angefasst habe, spürte ich: Das ist der Ort für mich.“ Deshalb schlüpfte sie in die Rolle der Ghostfrau und lichtete sich ab. „Ich leihe meinen Körper an die Geister des Hauses aus“, sagt die 56-Jährige. Das Ergebnis sind Selbstporträts auf einem Schwarz-Weiß-Film. Die Bilder fasst sie unter dem Titel „Marionette’s Landing“ zusammen. Zu sehen sind Fotografien ohne nachträgliche Bildbearbeitung, die viel Raum lassen für Deutungen. Auf zwei Bildern ist eine halb geöffnete Tür zu sehen. Mal greift eine Hand durch den Spalt, mal tritt ein nackter Fuß hervor. Andere Bilder zeigen Sheehan nackt auf dem Boden liegend oder halb unsichtbar vor tanzenden Marionetten. In der Galerie von Claudia Weil sind die Fotografien nun ausgestellt.
Heather Sheehan setzt sich mit einem Ort auseinander
Mit einem typischen Selfie haben Sheehans Arbeiten nichts zu tun. Die Künstlerin setzt sich für ihre Fotos mit dem Ort auseinander. In ihrer Kunst geht es um das Sein des Menschen. Sheehans Performances provozieren außerdem die Sinnsuche. Aber nicht aggressiv, wie es die berühmte Performance-Künstlerin Marina Abramovic macht, die sich in ihrer Kunst schmerzhaften Torturen aussetzt. „Heathers Provokationen sind leiser, seelenklärend und nicht auf Verstörung angelegt“, sagt Galeristin Claudia Weil.
In dem Raum an der Bergstraße in Göggingen hält Sheehan den mobilen Auslöser in den Händen. Ihr Körper lehnt am Bühnenbild. Es zeigt ein vergrößertes Foto des Treppenhauses im Ecke-Haus. In ihrer Rolle greift Sheehan nach dem abgebildeten Geländer, sie schnauft und fällt zu Boden. Erneut versucht sie, sich hochzuziehen, die Treppen zu erklimmen. Erneuter Fall. Dazwischen ein kurzes Verharren. Das Klicken des Auslösers durchbricht die Stille. Normalerweise ist Sheehan für sich, wenn sie sich fotografiert. Ihre Arbeiten sind intime Selbstinszenierungen ohne Publikum. Heute nicht.
Von der Performance Heather Sheehans bleibt in der Galerie eine gerahmte Fotografie sowie eine installative Arbeit, bestehend aus Bildern der Serie „Marionette’s Landing“. Wie ein Filmstreifen erzählen sie eine Geschichte, aber keine vorgegebene. Es ist eine reduzierte Ausstellung, die Raum für Assoziationen schafft, offen ist für Interpretationen.
Laufzeit bis 13. Januar; geöffnet donnerstags und freitags von 15 bis 17 Uhr, bis 9. Dezember außerdem samstags und sonntags von 17 bis 19 Uhr.