Für das Grandhotel Cosmopolis ist Hans Söllner extra aus seiner Winterpause aufgewacht. Der rebellische Liedermacher hat dem finanziell in Not geratenen Integrationsprojekt mit einem Benefizkonzert ein vorweihnachtliches Geschenk bereitet. Söllner meint, dass für jeden „Scheißdreck“ Geld da ist, aber nicht dann, wenn jemand Hilfe braucht. Darum ist er spontan eingesprungen. Auch mit Unterstützung des Spectrum Clubs geht der gesamte Erlös des seit langem ausverkauften Abends an das Grandhotel. Damit mehr Leute hineinpassen, sind nur die ersten vier Reihen bestuhlt. Söllner – als Opa Jahrgang 1955 selbst nicht mehr der Jüngste – zweifelt am Anfang etwas an der Standfestigkeit des bunt gemischten Publikums. Doch auch die älteren Fans stehen den fast zweieinhalbstündigen Auftritt locker durch dank des Aufputschmittels Söllner.
Hans Söllner ist nicht gnädiger geworden
Der legendär rebellische Bayer attestiert den Politikern verschiedenste Schwächen. Und Söllners Diagnosen fallen im Laufe der Jahrzehnte nicht gnädiger aus. Mit dem früheren Ministerpräsidenten Beckstein hatte er sich unter anderem mit einem Beckenboden-Vergleich angelegt. Dem heutigen Landesvater Söder sagt er sogar vier Schließmuskeln nach. Nein, der „wilde Hund aus Bad Reichenhall“ ist alles andere als zahm geworden. Mit seinen Liedern und Texten verteilt er nach wie vor derbe Watschn. Auch Bayerntümelei bekommt ihr Fett weg. Bei „Mia san no so richtige Bayern“ passt laut Söllner die Zeile „Heid fahr ma a paar Asylanten zam“ eh gut zum Abend.
Hingegen will der Sänger integrieren – beispielsweise auch die Kulturpflanze Hanf. Söllner kündigt ein entsprechendes Wahlplakat an, wenn er als Bürgermeister von Bad Reichenhall kandidiert. Er glaubt, dafür die besten Voraussetzungen mitzubringen – unter anderem ein Jurastudium. Allerdings aus einem anderen Blickwinkel, nämlich von der Anklagebank aus. Der bekennende Kiffer hat jede Menge Anekdoten zu bieten, wie er sich mit Richtern, Polizisten, Psychologen und Suchtmittelspürhunden angelegt hat. Im Song „Ganja“ überlistet er sogar den Tod, indem er ihn einen Joint rauchen lässt.
Doch Söllner kann auch todernst werden. Beispielsweise wenn er gegen Genitalverstümmelung von Mädchen in Afrika ansingt. Und die Wut packt ihn, wenn Deutschland Kriege auf der Welt durch Waffenverkäufe mit anzettelt. Das und die Gier nach Bodenschätzen sind für ihn der Grund dafür, dass so viele Menschen auf der Flucht sind. „Ein bisschen zornigere Leit“ wünscht sich der Rebell, als das Publikum bei „Hey Staat“ mitsingt.
Seit fast 40 Jahren singt Söllner gegen vieles an, was ihm schon damals gestunken hat und ihm heute immer noch stinkt. Doch resignieren will er nicht. Den Glauben an das Gute im Menschen hat er nicht verloren. Söllner predigt fast vorweihnachtlich darüber, dass der Mensch die einzige Spezies ist, die sich bewusst ändern kann. Von seinen Konzertbesuchern wünscht er sich, dass sie ohne Grant heimkehren: „Geht dorthin, wo sich jemand auf euch freut.“ Noch einen persönlichen Weihnachtswunsch hat der Liedermacher an seine Zuhörer: „Ein Jahr kein Hendl essen.“ Einigen Kundinnen einer Hendlbraterei hat er schon den Appetit verdorben, indem er dort mit seinem lebendigen Hahn aufgetaucht ist mit der Bemerkung: „So schaut er angezogen aus.“
Am Schluss kommen Bewohner des Grandhotels auf die Bühne
Dem Liedermacher ist bewusst, dass er nicht die Menschheit retten kann. Doch er sorgt sich um seine Mitmenschen und auch um das Grandhotel Cosmopolis, das Begegnungen mit Geflüchteten ermöglicht. Den ganzen Abend bestreitet Söllner solo mit seiner Gitarre – ohne dass es auch nur einen Moment langweilig wäre. Zum Schluss bekommt er Gesangs- und Trommelverstärkung durch zwei afrikanische Bewohner des Grandhotels. „Freiheit“ heißt der Song und der bayerisch und erstmals afrikanisch gesungene Refrain lautet: „Aba i, i moch ma Sorgen um di.“