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Geschichte: Augsburgs Kaufleute und die global vernetzte Stadt

Geschichte

Augsburgs Kaufleute und die global vernetzte Stadt

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    Die Handelsunternehmungen schwäbischer Kaufleute reichten bis Übersee. Exponate aus dem Fugger und Welser Museum in Augsburg.
    Die Handelsunternehmungen schwäbischer Kaufleute reichten bis Übersee. Exponate aus dem Fugger und Welser Museum in Augsburg. Foto: Oefner

    Die Fugger und die Welser – waren sie nicht die ersten Global Player im Europa der Frühen Neuzeit? „Und uns Augspurgern ains groß lob ist, als für die ersten Teutschen, die India suchen“, sagte der Augsburger Stadtschreiber Konrad Peutinger. Die Bilanz, die der Wirtschaftshistoriker Mark Häberlein in der neuen Ausgabe der Zeitschrift des Historischen Vereins für Schwaben zieht, fällt weit nüchterner aus: Die „Welserflotte“, die zwischen Spanien und Amerika märchenhafte Gewinne erzielt habe, ist eine fantasievolle Einbildung. Und die Fugger hatten „zu keinem Zeitpunkt feste Niederlassungen außerhalb Europas“.

    Unbedeutend war Augsburg in der Globalgeschichte dennoch nicht. Im Gegenteil. Seine Kaufleute hatten hochprofitables Handelsgut für den transkontinentalen Warenverkehr zu bieten. Kupfer und Silber der Fugger waren begehrte Tauschware im portugiesischen Ostindienhandel, ihr Quecksilber aus den spanischen Minen von Almadén wurde in Amerika im Silberbergbau gebraucht, auch schwäbischer Barchent wurde dorthin verschifft. Und die Welser beschafften den Patriziern exotische Arzneimittel, Tiere und Pflanzen in Verbindung mit ihrem asiatischen Gewürzhandel. Andere Handelshäuser gingen indes spektakulär pleite, die Manlichs 1574 im Levantehandel und Konrad Rott 1580 beim Versuch, ein Monopol im Pfefferhandel aufzubauen. Im Dreißigjährigen Krieg büßten schließlich alle ihr Kapital ein.

    Missionare, befangen in kolonialer Perspektive

    Hernach ergaben sich völlig neue globale Netzwerke für Augsburg. Seine Kupferstecher und das leistungsstarke Verlagswesen befeuerten mit Druck-Serien die europäische China-Mode, was sich nicht zuletzt im Porzellanzimmer in Schloss Aystetten 1740 niederschlug. Von den Augsburger Bücherpressen ging ein breiter, beständiger Strom außereuropäischer Informationen aus, der den Diskurs prägte. Häberlein verweist insbesondere auf die Missionsliteratur katholischer wie protestantischer Herkunft, die mit dem religiösen Zweck zugleich geografisches und ethnologisches Wissen vermittelte – wenn auch oft befangen in kolonialer Perspektive.

    Nicht zuletzt eroberten sich wagemutige junge Schwaben selbst die große weite Welt. Der Memminger Bäckergeselle Martin Wintergerst (1670–1728) ging 22 Jahre auf Wanderschaft durch vier Kontinente. Die niederländische Ostindienkompanie warb in 200 Jahren eine Million Europäer für Verwaltung, Handel, Handwerk, Seefahrt und Militär an. Schwäbische Jesuiten machten sich in Südamerika einen Namen – und zu Hause in Schwaben schmückten Allegorien der vier Erdteile immer mehr barocke Kirchen, sodass Mark Häberlein gar von einer „Medienoffensive“ spricht.

    Auch in Augsburg war für die großen Kaufmannsfamilien der transkontinentale Warenverkehr ein einträgliches Geschäft.
    Auch in Augsburg war für die großen Kaufmannsfamilien der transkontinentale Warenverkehr ein einträgliches Geschäft. Foto: Silvio Wyszengrad

    So weit greift kein weiterer Beitrag der Zeitschrift aus. Lesenswert sind sie jedoch allemal. So zeichnet Thomas Freller die erstaunliche Karriere des adligen Diplomaten Joseph Ignaz von Leyden (1734–1807) aus Affing nach. Er gehörte der Reichsritterschaft an und wurde schon mit 26 Jahren Repräsentant des Fürstpropstes von Ellwangen, verwaltete dessen Güter, beaufsichtigte Justiz, Polizei und Stiftungen. Als sein geistlicher Herr Fürstbischof von Regensburg wurde, ging Leyden als Hofmarschall in die Domstadt mit und vertrat ihn in heiklen Rechtsfragen – jahrelang stritt man sich um die Herrschaft Donaustauf – zwischen Kirche und Kurfürst. Auch hier hinterließ er einen guten Eindruck und wurde 1775 kurbayerischer Gesandter am Regensburger Reichstag.

    "Patriotische" Umtriebe führten zur Entlassung

    Der Regierungswechsel zum Kurpfälzer Karl Theodor trieb Leyden 1778 freilich der „patriotischen Kamarilla“ zu, die gegen Karl Theodor eine drohende Teilung des alten Baiern zu verhindern suchte. Derlei Umtriebe mussten zur Entlassung führen, doch der Diplomat Leyden war weiterhin gefragt. Wenn auch auf anderer Seite, bei Zar Paul I., dem Großmeister des Malteserordens, der in Bayern unter Graf Montgelas enteignet werden sollte. Kurfürst Max IV. Joseph ruderte zurück. Joseph Ignaz von Leyden starb 1809. Er überlebte sogar seinen jüngsten Sohn Maximilian Joseph, der maßgeblich die Säkularisation der Klostergüter in Bayern vorbereitet hatte und 1805 zum Generalkommissar und Landesdirektionspräsident der Provinz Schwaben aufgestiegen war. Er nahm sich 1807 wegen „gesundheitlicher Zerrüttung“ das Leben.

    Zeitschrift des Historischen Vereins für SchwabenHerausgegeben von Christoph Paulus. Wißner Verlag, 406 S., 25 €.

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