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Friedensfest: Sommerbühne: Wo sich die Götter versöhnen

Friedensfest

Sommerbühne: Wo sich die Götter versöhnen

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    Halb Mensch, halb Gott sind die Orixás in der afro-brasilianischen Religion des Camdomblé. Im rituellen Tanz personifizieren sich hier die Gerechtigkeit und die Königin der Liebe und des Reichtums.
    Halb Mensch, halb Gott sind die Orixás in der afro-brasilianischen Religion des Camdomblé. Im rituellen Tanz personifizieren sich hier die Gerechtigkeit und die Königin der Liebe und des Reichtums. Foto: Christian Menkel

    Wie schön wäre es, wenn ein religiöses Ritual die Menschheit von der Geißel des Covid-19-Virus befreien könnte! Doch das Wunder ist nicht eingetreten, als Baba Murah und das Ensemble des Berliner Candomblé-Tempels ihr getanztes rituelles Bankett der Heilung, genannt „Olubajé“, auf der Sommerbühne im Annahof vollendet hatten. Brav setzten alle Zuschauer nach der Eröffnungsvorstellung des Programms zum Friedensfest wieder ihre Corona-Masken auf. Und rätselten darüber, was sie gerade gesehen hatten.

    Die afro-brasilianische Religion Candomblé, entstanden unter den schwarzen Sklaven, erzählt ihre eigene Mythologie. Eine wesentliche Rolle spielen darin die Orixás. Sie sind halb Mensch, halb Gott und symbolisieren die Qualitäten des Lebens und die Kräfte der Natur. Da ist die Frau in Rot, ein quirliges Wesen, das in großen Sprüngen die Bühne durchmisst: Sie personifiziert die Luft, den guten Atem. Und da ist die Frau im üppig fallenden, goldenen Kleid, die in eleganten Schrittfolgen sich ihren Raum mit Grazie erobert: Sie ist die Königin der Liebe und des Reichtums, aber auch die Hexe. Schließlich tanzt ein Wesen mit, das die Gerechtigkeit verkörpert, gekleidet in Rot und Weiß.

    So erklärt der Baba Murah dem Publikum die Konstellation. Er selber ist Tempelpriester und Tanzchoreograf in einem. Seit frühester Jugend sei er in die Riten und Tänze des Candomblé eingeweiht. Die Religion, so sagt er, will Körper und Geist ins Gleichgewicht bringen. Zu Ehren des Orixá der Krankheit und Heilung findet jährlich die Olubajé-Feier statt. Weil er von den Göttern gemieden wird, wirft er eine Seuche auf sie, alle werden krank, die Natur verdörrt, der Himmel verdunkelt und das Land wird unfruchtbar.

    Ein fremder Ritus zum Auftakt des Friedensfests-Programm

    Von der Plage erlöst die Darbringung von Früchten, die zeremoniell vollzogen wird. Die Tänzerinnen wiegen ihre Schalen auf den Köpfen, begleitet vom Rhythmus der Trommeln und Glocken des Orchesters. Eine Freude ist es, ihren ausdrucksstarken Bewegungen auf der Rampe der ehemaligen Stadtbücherei zu folgen und sich von den Rhythmen gefangen nehmen zu lassen. Schließlich tritt die große Versöhnung ein und der Baba verteilt göttliche Kraft und Segen, indem er Popcorns ins Volk wirft. Ohnehin haben sie den Annahof mit vier Altären in den vier Himmelsrichtungen eingenommen.

    Der fremde Ritus sei „auch eine Facette des multireligiösen Lebens in Deutschland“, unterstrich Christiane Lembert-Dobler, als Leiterin des Friedensbüros fürs Programm des Festivals verantwortlich, bei der Einführung. Ihr galt der besondere Dank von Oberbürgermeisterin Eva Weber, bei allen Schwierigkeiten im Zeichen der Corona-Beschränkungen ein erstaunlich umfangreiches und „erfrischend erfinderisches“ Programm gestaltet zu haben.

    Für das Motto „Rituale“ hätte es nach Webers Worten kein besseres Jahr geben können, „wo wir nach neuen Ritualen lechzen wie noch nie“, weil selbst der Handschlag aus Hygienegründen nicht möglich ist. Denn Rituale stiften Geborgenheit und Zugehörigkeit, erklärte die Oberbürgermeisterin. Sie seien förderlich für ein soziales Miteinander, das von Respekt und Toleranz geprägt ist. Sie bestimmen das Zusammenleben und unseren Alltag.

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