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Friedensfest: Das steckt hinter dem Lyriker mit den vielen Namen und Kostümen

Friedensfest

Das steckt hinter dem Lyriker mit den vielen Namen und Kostümen

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    Florian Kreier alias Angela Aux alias Heiner Hendrix mit seiner Schreibmaschine auf dem Holbeinplatz.
    Florian Kreier alias Angela Aux alias Heiner Hendrix mit seiner Schreibmaschine auf dem Holbeinplatz. Foto: Jürgen Branz

    Klickdiklack-klickdiklack-klickdiklack. Im Taubenschlag des Friedensfests vor der City-Galerie sitzt ein Mann, schaut auf das Geschehen und tippt auf einer Schreibmaschine. Und was für eine Erscheinung: schwarze Hochstrümpfe, buntes Minikleid, blonde Perücke. Er fällt auf – und wie. Ein Mann in Frauenklamotte, der scheinbar in sich versunken in der Öffentlichkeit des Friedensfestes das Treiben beobachtet und auf einer

    Man begegnet diesem Schreibmaschinisten auf zahlreichen Veranstaltungen des Friedensfestes: politische Philosophie, Theaterstücke, Podiumsdiskussionen. Mindestens zwei habe er versucht, täglich mitzunehmen, sagt er. Die Besucher reagieren auf ihn unterschiedlich, das Spektrum reicht von Irritation über Berührungsangst bis zu Faszination. Unweigerlich drängen sich da Fragen auf: Wer ist das und was macht er da? Ist das Kunst oder kann das weg?

    Der lyrische Begleiter des Friedensfests

    Die Antworten könnten unterschiedlicher nicht sein: Die einen sagen Heiner Hendrix, die anderen Angela Aux, Bekannte sprechen ihn wiederum mit Flo an. Die Recherche geht weiter. Es stellt sich heraus, dass er das Friedensfest anscheinend lyrisch verarbeitet. Aber wirklich erklären will sich Heiner-Angela-Flo nicht. Er legt sich nicht fest, und man kann ihn nicht greifen hinter den Pseudonymen und dem Changieren zwischen den Geschlechtern und Kostümen.

    Ist er ein Künstler, ein Autor oder ein Musiker? Irgendwie alles gleichzeitig. „Angela Aux ist Singersongwriter/in, der/die auch Filmmusik und Konzeptkunst macht, und wenn es zu textlastig wird, auf Heiner Hendrix zurückgreift“, beschreibt der Künstler diese nicht immer einfach zu durchdringende Figurenkonstellation. Aber welche Figur da gerade vor einem sitzt, sei dem Tausendsassa nicht wichtig, dahinter stecke „kein ausgeklügeltes System“. Die Figuren sind nicht voneinander getrennt, sie sind nicht widersprüchlich, sie verschmelzen miteinander.

    Der Musiker und Autor kommt aus München

    Das Prinzip der Gleichzeitigkeit durchzieht nicht nur seine Verwandlung, sondern auch seinen Lebenslauf. Florian Kreier, wie er mit bürgerlichem Namen heißt, ist Musiker und Autor aus München und hat mit seinen 34 Jahren vielfältige Stationen im Musik-, Kunst- und Kulturbereich durchlebt. Außerdem ist er Veranstalter des jährlichen Münchner Kulturfestivals „Panama Plus“. Neben der Musik ist Sprache eine Leidenschaft: Kurzgeschichten, Songtexte, Poesie.

    Und jetzt als „lyrischer Fotograf“ auf dem Friedensfest. Der Grundstein für die Zusammenarbeit wurde letztes Jahr gelegt. Christiane Lembert-Dobler, Leiterin des Friedensbüros, sei über sein Kulturfestival und über das Projekt Angela Aux auf seine Arbeit gestoßen, berichtet der Sprachkünstler. Der Autor erzählte ihr von seinem Plan der poetischen Dokumentation und sie war sofort angetan. Sein Antrieb für den selbst gewählten Auftrag von genau 444 Texten ist scheinbar einfach: „Ich möchte den elitären Geist der Literatur zerstören, indem man sich auf die Straße setzt. Ich sitze in eurem Dreck, ich mache Literatur. Ich möchte literarischen Hochgeist zerstören“ – das sagt Heiner Hendrix.

    Mal humoristisch, mal politisch

    Er schreibt „Haiku-artige Quasigedichte ohne Versmaß und Reime“, die die „Gleichzeitigkeit von Vielem“ einfangen sollen. Dabei interessiert ihn nicht die Abbildung der Wirklichkeit: Ihm geht es um das Verschwommene, das er durch seine teils humoristischen Aphorismen wieder klarzeichnet. Das gerät mal ernst, mal humoristisch, mal politisch, mal philosophisch. Aber auch vermeintliche Banalitäten sind dabei wie „Freiwillige Arbeit verbindet meistens“ oder „Die Augsburger Polizei erschien und inspizierte fachmännisch ein paar verdächtige Kratzer im Autolack“.

    Wo bekommt man das Geschriebene zu lesen? An unterschiedlichen, oft versteckten Orten in der Stadt. Für stille Örtchen hat er ein besonderes Faible: Denn sie seien „ein Refugium ohne Werbung“. Etwa die Toilette des Café 13. Dort hat Heiner Hendrix über eine Veranstaltung geschrieben, in der ausufernd über Kryptowährung diskutiert wurde. Hendrix’ Zwischenresümee: „Krypto-Meditation Nr. 17. Krypto-Mining ist so eine Art Alchimisten-Syndikalismus für Informatiker.“

    Man muss dem Poeten nicht immer folgen können, seine Fähigkeit, gewohnte Denkmuster sprachlich versiert auf den Kopf zu stellen, fesseln. Vielleicht wird man ihn nächstes Jahr wieder dabei zusehen können, wie er öffentlich schreibt. Und Augen auf: Die Quasigedichte sind noch in der Stadt.

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