Auf abenteuerlichen Wegen hat die Autorin Kristiane Kondrat (80) die Manuskripte für ihr Buch „Abstufung dreier Nuancen von Grau“ aus dem damaligen Rumänien unter kommunistischer Diktatur außer Landes, nach Deutschland gebracht. In den sechziger Jahren hatte Kristiane Kondrat, die eigentlich Aloisia Bohn heißt, angefangen, ihre Texte für dieses Buch zu schreiben. „Ich hatte die wahnsinnige Hoffnung, sie einmal zu veröffentlichen“, so die Autorin, die in Augsburg lebt. Am 19. November wird sie ihr Buch, das jetzt als Neuauflage im Danubebooks Verlag erschienen ist, im S-Forum der Stadtbücherei vorstellen.
Das Buch ist ein Beispiel für die sogenannte „Schubladenliteratur“ im damaligen kommunistischen Rumänien – einer Literatur, die nicht veröffentlicht werden durfte. Wer hineinliest, spürt eine latente, ungreifbare Bedrohung, der Menschen in einer Diktatur ausgesetzt sind. Der Roman beginnt mit einer Krankenhausszene. Eine junge, namenlose Frau flieht aus einem Krankenhauszimmer, hinaus in die Stadt – an Orte zum Teil aus ihrer Kindheit, zu Menschen, mit denen sie irgendwie in Beziehung stand. Es ist eine Flucht in die Vergangenheit und in die Zukunft zugleich.
Blatt für Blatt musste auf Umwegen nach Deutschland gebracht werden
Die Szenen haben keine Konturen, Wirkliches und Unwirkliches, inneres und äußeres Erleben fließen ineinander. Ein einziger Albtraum. Dahinter steckt die eigene Erfahrung von Kristiane Kondrat, sich von denen, die sie nie beim Namen nennt, sondern die sie nur als „Sie“ bezeichnet, überwacht und verfolgt zu werden. „Sie haben sich mir nie vorgestellt“, sagt Kristiane Kondrat. Der Leser ahnt: Es waren die Männer der Securitate des Ceausescu-Regimes.
Im Banat geboren, hat die Autorin Germanistik und Rumänistik in Temeswar studiert und war als Deutschlehrerin und Kulturredakteurin in der Neuen Banater Zeitung tätig. 1973 konnte sie aus Rumänien ausreisen. Vor ihrer Ausreise hatte man sie genötigt, „eine Erklärung zu unterschreiben, „dass sie weder mündlich, noch schriftlich etwas sagen oder veröffentlichen würde, das dem Ruf der Sozialistischen Republik Rumänien Schaden zufügen könnte“. Deshalb ihr Pseudonym. Deshalb auch mussten ihre Aufzeichnungen für den Roman Blatt für Blatt auf Umwegen nach Deutschland gebracht werden. Sie waren zum Teile getarnt als Briefe der Mutter an ihre Tochter, überschrieben mit „Liebes Kind“. „Die Briefe einer alten Frau werden sie schon nicht öffnen“, hatte sich Kristiane Kondrat gedacht. Auch wenn sie „die Phantasie dieser Leute für unendlich“ hielt, wurden diese Briefe wohl tatsächlich nicht von fremden Händen geöffnet.
Sie sei keine Dissidentin gewesen, sagt Kristiane Kondrat. Sie war aber jemand, die schreiben konnte und es auch tat. „Man hat einen beobachtet, auf die Finger geschaut“, weiß sie. Die surrealen Szenen in ihrem Buch seien „der Alltag“ gewesen. Sie spiegelten wider, was eine Diktatur mit einem Menschen mache, was sie an Empfindungen auslöse. Das geschehe auch in den Diktaturen von heute, so Kondrat, „deshalb ist mein Roman zeitlos“.
Die Autorenlesung mit Kristiane Kondrat findet am 19. November um 18 Uhr im S-Forum der Stadtbücherei statt.