i
Foto: Tetiana Vasylenko
Foto: Tetiana Vasylenko

Die Dakh Daughters aus Kiew laden dieses Jahr in einem Video zur Verabredung mit Brecht, Feminismus und politischen Songs ein.

Festival-Programm
12.02.2021

Das Brechtfestival will Spektakel im virtuellen Raum

Von Alois Knoller

Kurzfristig haben Tom Kühnel und Jürgen Kuttner auf ein digitales Format umgestellt. Dennoch wird es vom 26. Februar bis 7. März jeden Abend Premieren geben.

Was für ein Augsburger Brechtfestival! Gewissermaßen ofenfrisch präsentieren die Festivalmacher Jürgen Kuttner und Tom Kühnel in der digitalen Version dieses Jahr 23 Netzpremieren. Gerade erst werden die Videos, Clips, Hörstücke und Reportagen fertiggestellt, die vom 26. Februar bis 7. März jeden Abend online ausgestrahlt werden. „Ihr habt eine eigene, neue Form gefunden und ein Programm kreiert, das tolles Spektakel ist“, lobte am Freitag bei der Pressekonferenz der Augsburger Staatsintendant André Bücker die beiden Berliner Kollegen.

Von allem etwas versprechen die Festivalmacher dem Publikum, das schon gespannt wartet. Jedenfalls sind am ersten Tag des Vorverkaufs laut Kulturamtsleiterin Elke Seidel gleich zwölf Tickets weggegangen. Es wird Theater geben, Musik, Comedy, Krimi, Kino, Wortkunst und Kreatives irgendwo dazwischen. So ist Bernd Zander in Augsburg losgezogen, hat seine Aufnahmen der Bolschewistischen Kurkapelle auf 70 Fassaden projiziert und daraus einen Film gedreht. Die Puppenspielerinnen Irina Rastorgueva („Haben Sie von Carola gehört?“) und Suse Wächter („Helden des 20. Jahrhunderts singen Brecht“) vermitteln B.B. und die Frauen um ihn mit ihrem Figurentheater.

Der Scheinwerfer richtet sich auf Mitarbeiterinnen von Bertolt Brecht

Inhaltlich richtet das Festival dieses Jahr den Scheinwerfer auf die Künstlerinnen und Mitarbeiterinnen Bertolt Brechts. Dabei wollen Kuttner und Kühnel den Eindruck zerstreuen, es seien dem Dichter hörige Frauen gewesen. Jürgen Kuttner entdeckt stattdessen eigenständige Künstlerpersönlichkeiten im Frauenkreis um Brecht. Also Helene Weigel, Elisabeth Hauptmann, Margarethe Steffin und Ruth Berlau sowie weitere Frauen, die in Beziehung zu Brecht stehen, etwa Carola Neher, Marieluise Fleißer, Simone Weil und Inge Müller.

i
Foto: Stansilav Funk
Foto: Stansilav Funk

Bernadette La Hengst gibt sich "wild auf Brecht".

Schauspielerin Stefanie Reinsperger bündelt ihre Texte im Film „Ich bin ein Dreck“. Als kompakte Show für Eilige performen Winnie Böwe und Felix Kroll das Songspiel „Happy End“ über das Heilsarmee-Mädchen im Gangstermilieu Chicagos. Corinna Harfouch erweckt mit Brechts „Die Mutter“ und Simone Weils „Tagebuch einer Fabrikarbeiterin“ Revolutionärinnen zum Leben. In „Heldin Nr. 0“ taucht die Augsburger bluespots productions mit Gedichten Brechts in die Welt der scheinbar stummen Antiheldinnen ab. Das Theter Ensemble porträtiert in einer Szenencollage Ruth Berlau als Revolutionärin an der Theaterfront. Intime Einblicke in eine besondere Paardynamik geben Charly Hübner und Lina Beckmann aus dem Briefwechsel zwischen Helene Weigel und Bert Brecht.

Der Festivalpass kostet zwölf Euro, als Solidaritätsticket darf es auch gern mehr sein

Livemusik zu Brecht aus dem Textilmuseum streamen Charlotte Brandi, Balbina und Banda Internationale mit Bernadette La Hengst, die 2020 erstmals B.B. entdeckt hatten. Ebenfalls gut bekannt sind die Dakh Daughters aus Kiew, die mit ihrem Konzertvideo das Publikum zu einer Verabredung mit Brecht, Feminismus und politischen Songs mitnehmen. Unter dem Namen „Snapped“ haben sich junge Musikerinnen aus Augsburg und München für das Brechtfestival zusammengetan. Girisha Fernando, der Kurator des Musikprogramms, wird in der Slamperformance „Du sollst kein Brot essen“ selbst mitwirken. Sogar der Cellist Frank Wolff hat seinen Part mit „Tanz den Brecht“. Indes landen Ben Hartmann und Johannes Aue mit ihrem Festivalbeitrag bei Brechts pornografischen Sonetten. Aus dem Gymnasium bei St. Stephan kommen laut Michael Friedrichs, Chef des Bert-Brecht-Kreises, „ausgezeichnete Beiträge“ zum Kreativwettbewerb.

i
Foto: Fabian Schreyer
Foto: Fabian Schreyer

Das Brechtfestival 2021 wird komplett in digitaler Form über die Bühne gehen. Das haben die Festivalmacher Tom Kühnel (links) und Jürgen Kuttner schon im Oktober festgelegt.

Die Festivalmacher Kühnel und Kuttner selbst haben blitzschnell die Premiere von Heiner Müllers „Medea Material“ mit drei Schauspielerinnen des Staatstheaters Augsburg von der Bühne ins Videoformat umgesetzt. Die Kolleginnen seien sehr begeistert bei den Proben, berichtete Intendant Bücker. Auch im digitalen Format soll so viel Theateratmosphäre wie möglich sein. Deshalb endet das Festival jeden Tag mit einem „Airmeet Talk“, der direkte Begegnungen mit Mitwirkenden eröffnet. Erstmals wird das Brechtfestival auf der ganzen Welt zu sehen sein. Für die Brechtstadt Augsburg könnte dies ein Prestigegewinn sein.

Freilich: Umsonst gibt’s die erstklassige Kultur nicht. Für alle Tage kostet der Festivalpass zwölf Euro, als Solidaritätsticket darf auch gern mehr gegeben werden, sagte Kulturreferent Jürgen Enninger. Alle Infos auf: www.brechtfestival.de

Lesen Sie auch:

Wir möchten wissen, was Sie denken: Die Augsburger Allgemeine arbeitet daher mit dem Meinungsforschungsinstitut Civey zusammen. Was es mit den repräsentativen Umfragen auf sich hat und warum Sie sich registrieren sollten, lesen Sie hier.

Facebook Whatsapp Twitter Mail