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Echo-Preis: Tim Allhoff gibt seinen Echo nie zurück

Echo-Preis

Tim Allhoff gibt seinen Echo nie zurück

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    Mit Auschwitz-Witzen und Holocaust-Ironie wird für Tim Allhoff eine Grenze überschritten.
    Mit Auschwitz-Witzen und Holocaust-Ironie wird für Tim Allhoff eine Grenze überschritten. Foto: Sebastian Stalzer

    Sie haben zwei Echos gewonnen. Einen Preis, den es jetzt nicht mehr gibt. Was sagen Sie dazu?

    Tim Allhoff: Ich selbst habe nur einen gewonnen, der zweite war zwar für ein Album meines Trios, hier wurde allerdings Bastian Jütte als „Drummer des Jahres“ ausgezeichnet. Zu Ihrer Frage: Ich finde es sehr schade und bin bestürzt, dass ein einst renommierter und angesehener Preis zu einem so traurigen Ende findet.

    Der Preis wurde kurzerhand wegen zwei sensationslustigen Musikern abgeschafft.

    Allhoff: Sensationsgeil halte ich für treffender. Jedoch waren Farid Bang und Kollegah nur die Spitze des Eisbergs. Letztes Jahr gab es ja einen ähnlichen Skandal um die Band Frei.Wild. Ich persönlich halte die Abschaffung des Preises nicht für einen passenden Lösungsansatz.

    Was hätte anders laufen müssen?

    Allhoff: Wenn die beiden Kollegen wirklich soviel Eier in der Hose hätten wie sie in ihren Texten vorgeben, dann hätten sie den Preis zurückgegeben und eingestanden, einen Fehler gemacht zu haben. Meiner Meinung nach darf so etwas von vornherein gar nicht nominiert werden. In meinen Augen haben Leute, die mit menschenverachtenden und ausländerfeindlichen Parolen Geld scheffeln und dazu beitragen unsere Jugend noch mehr kaputt zu machen, weder das Wort Künstler noch irgendwelche Preise verdient.

    Ein Armutszeugnis für den Musikmarkt

    Wie könnten Sie sich erklären, dass die Musik von Kollegah und Farid Bang überhaupt solche Verkaufszahlen generiert?

    Allhoff: Das ist genau das Problem – ich kann es mir nicht erklären. Für mich ist es nicht nachvollziehbar und ein Armutszeugnis unserer Kulturlandschaft beziehungsweise des Musikmarktes. Ich bin mit HipHop aufgewachsen und ja – das posen und dick auftragen gehört natürlich zu diesem Genre. Und ich habe auch nichts dagegen, wenn sich Rapper untereinander dissen und verbal attackieren. Allerdings ist beim Ironisieren von Holocaust und Auschwitz-Witzen für mich persönlich eine Grenze überschritten.

    Scheint sich aber gut zu verkaufen…

    Allhoff: Das Perverse ist ja, dass die die Herren Kollegah etc. das nicht aus Dummheit oder Ignoranz tun, sondern aus eiskaltem Kalkül, gerade weil solche Grenzüberschreitungen Geld bringen. Das ist das eigentlich Verwerfliche. In unserer immer schnelleren und verrückteren Welt und bei einer immer verstörteren Jugend generieren eben Produkte Verkaufszahlen, die Grenzen überschreiten und krasser sind als das Konkurrenz-Produkt. Ich meine, das Album heißt allen Ernstes „Jung, Brutal, Gutaussehend“ – noch Fragen?

    Hätte es Ihrer Meinung nach eine andere Lösung gegeben, als gleich den gesamten Preis abzuschaffen?

    Allhoff: Ja, eine Neustrukturierung für den Echo Pop, mit einem neuen Nominierungsverfahren und einer öffentlichen Entschuldigung und Rückgabe des Echos seitens der Herren Rapper. Bei der Vergabe des

    Haben Sie darüber nachgedacht, Ihren Preis zurückzugeben?

    Allhoff: Das stand für mich nie zur Debatte – definitiv werde ich meinen Preis nicht zurückgeben. Der Echo Jazz/Klassik hat insofern nichts mit dem Echo Pop zu tun, als bei uns die Preisträger von einer unabhängigen Jury nominiert und gewählt werden und nicht die Verkaufszahlen entscheiden. Insofern weiß ich nicht, warum ich meinen Preis zurückgeben sollte.

    Neues Album mit Crowdfunding

    Woran arbeiten Sie derzeit?

    Allhoff: Ich habe gerade mein neues Album „Lepus“ aufgenommen, dass im Herbst diesen Jahres erscheint. Aktuell schreibe ich an einem Klavier-Solo-Album, welches fast fertig ist und demnächst aufgenommen wird.

    Sie haben das Geld für Ihr neues Album durch eine Crowdfunding-Kampagne zusammenbekommen. Wie kam es dazu?

    Allhoff: „Lepus“ war eine große Produktion, die auch finanziell ziemlich aufwendig war. Neben meinem Trio und dem Leopold-Mozart-Streichquartett sind mit Lutz Häfner, Nils Wülker und Arne Jansen einige Stargäste mit an Bord, insgesamt übrigens somit fünf Echo-Preisträger, aber das ist ja jetzt nichts mehr wert (lacht.) Spaß beiseite, durch die aufwendige Produktion bedurfte es eines ziemlichen Budgets, und die Zeiten in denen Plattenfirmen den Künstlern Produktionskosten zahlen, sind leider längst vorbei. Ich mochte die Idee des Crowdfunding schon immer. In den USA ist das viel etablierter als bei uns, dort nutzen das auch sehr bekannte Künstler.

    Wie funktioniert das System?

    Allhoff: Das Konzept ist absolut sinnvoll: Die Fanbase, die das Produkt am Ende ohnehin kaufen würde, schießt das Geld vor und der Künstler kann entspannt arbeiten. Quasi ein Miteinander zwischen Künstler und Publikum. Ich habe meine Kampagne auf „Kickstarter“ präsentiert, einer internationalen Crowdfunding-Plattform. Meine Fans mochten die Idee anscheinend und das Geld kam zusammen, es waren sogar Leute aus Japan und den USA als Unterstützer dabei. Jeder Supporter bekommt natürlich am Ende auch etwas davon, je nach Höhe des Betrages. Das kann zum Beispiel eine signierte CD sein, eine Skype-Klavierstunde oder eine Erwähnung im Cover.

    In Augsburg waren Sie zuletzt durch Ihre Engagements als musikalischer Leiter bei „Blues Brothers“ oder der „Rocky Horror Show“ sehr präsent. Sind weitere Projekte in Ihrer Heimat geplant?

    Allhoff: In Augsburg ist aktuell nichts geplant, aber wenn wir mit der neuen Platte 2019 auf Tour sind, bin ich auf jeden Fall in der Stadt. Im Juli spiele ich ein Konzert im wunderschönen Zedernsaal im Fuggerschloss in Kirchheim mit meinem Trio und dem Leopold-Mozart-Streichquartett zusammen. Ich denke, da wird auch das ein oder andere Stück des neuen Albums zu hören sein. 

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