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Debatte: Friedensfest: Wie soll Augsburg eigentlich den Frieden feiern?

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Friedensfest: Wie soll Augsburg eigentlich den Frieden feiern?

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    Die Friedenstafel auf dem Rathausplatz wurde zu einem symbolträchtigen neuen Ausdruck des traditionsreichen Augsburger Hohen  Friedensfests, das alljährlich am 8. August gefeiert wird.
    Die Friedenstafel auf dem Rathausplatz wurde zu einem symbolträchtigen neuen Ausdruck des traditionsreichen Augsburger Hohen Friedensfests, das alljährlich am 8. August gefeiert wird. Foto: Silvio Wyszengrad

    Was für eine schöne Vision: Bürger und Bürgerinnen einer ganzen Stadt sitzen an einem Tisch, teilen ihr Essen und Trinken, kommen miteinander ins Gespräch. Diese „Friedenstafel“ kann coronabedingt heuer leider nur im kleinen oder privaten Umkreis stattfinden. Doch ihr Bild hat sich in den Köpfen von vielen Augsburgern und weit über die Stadtgrenzen hinaus als ein idealtypischer Ausdruck von Frieden eingeprägt. Die Friedenstafel, erstmals im Jahr 2003 eingeführt, wurde ein zeitgemäßes Kennzeichen des Augsburger Hohen Friedensfestes.

    Augsburg, Reformation und Hohes Friedensfest

    Immer am 8. August feiert Augsburg das Hohe Friedensfest - ein bundesweit einmaliger Feiertag, der die große Bedeutung der Stadt für Kirche und Reformation in Deutschland herausstellt.

    Beim hohen Friedensfest wird dem Westfälischen Frieden von 1648 und damit verbunden dem Augsburger Reichs- und Religionsfrieden von 1555 gedacht.

    Damals war auf dem Reichstag zu Augsburg das Gesetz des Heiligen Römischen Reichs Deutscher Nation beschlossen worden.

    Dieses Gesetz gestand den Anhängern der lutherischen Confessio Augustana nach vielen Jahren der Unterdrückung und Verfolgung dauerhaft ihre Besitzstände und freie Religionsausübung zu.

    Augsburg war damit eine Keimzelle der Reformation, die die Welt veränderte.

    1518 wohnte Martin Luther in Augsburg. Anlass war seine Begegnung mit Kardinal Cajetan im Augsburger Karmelitenkloster, als er seine kirchenkritischen Thesen erstmals verteidigte.

    Das Augsburger Hohe Friedensfest wurde erstmals im Jahr 1650 begangen.

    Ein Feiertag für alle, egal welcher Religion, Herkunft und Einstellung, sollte das einzigartige Friedensfest – inzwischen zum Immateriellen Kulturerbe erhoben – im vielkulturellen Augsburg werden. Zugleich jedoch sollten seine Wurzeln in der Überwindung der konfessionellen Kriege sichtbar bleiben. Am ersten Hohen Friedensfest waren die Protestanten am 8. August 1650 unter sich. Nur sie hatten einen Grund zum Feiern. Sie waren in ihrer konfessionellen Praxis wieder frei dank des Westfälischen Friedens vom Oktober 1648, bekamen ihre eingezogenen Kirchen und ihre vertriebenen Prediger zurück und regierten in paritätischer Gewaltenteilung die Reichsstadt mit. Ihr Fest war ihr Triumph.

    Augsburger Friedensfest: Ein "Ritual der Selbstbeweihräucherung"

    Jahrhunderte diente den evangelischen Augsburgern das Friedensfest in seiner prunkvollen Inszenierung zur entschiedenen Abgrenzung von den Katholiken. Der Historiker Etienne François nennt es ein „Ritual der Selbstbeweihräucherung“ und schreibt: „Immer feierte man direkt oder indirekt sich selbst in scheinbarer Unangefochtenheit und gelassener Überheblichkeit.“ Erst das aufgeklärte, moderne Bayern drang anno 1806 bei Einverleibung der Stadt darauf, den unverfänglicheren Namen „Toleranz- und Friedensfest“ zu verwenden.

    Daran knüpft die heutige Art, den Feiertag zu begehen, durchaus an. Natürlich dem hehren Prinzip nach, denn man kann beim besten Willen nicht sagen, dass sich alle, die Augsburg bewohnen, sich in den Armen liegen. Es gilt weniger, Feindseligkeit zu überwinden als Fremdheit, die teils über Generationen hinweg die Bürger trennt. Das Rahmenprogramm zum Friedensfest sollte dazu dienen, den verschiedenen Kulturen eine Möglichkeit zu geben, sich darzustellen. Am besten gelang dies mit der Musik aller möglicher Traditionen von der klassischen Uth bis zum Hip Hop aus den Jugendzentren. Ebenfalls gelungen sind die pfiffig inszenierten Stücke vom Theater Interkultur von Ferdi Degirmencioglu und Petr Kuschmitz.

    Die Weichenstellung weg von einer Honoratiorenveranstaltung erfolgte 1999 nach einem Debakel bei dem üblichen akademischen Vortrag am Vorabend des 8. August. Sofern die Rede des Bonner Historikers Konrad Repgen im Goldenen Saal akustisch überhaupt verstanden wurde, ließ sie jeden Gegenwartsbezug vermissen. Eine Neubesinnung musste sein mit „Rednern erster Ordnung“. Die zentrale Veranstaltung sollte die Jugend ansprechen und bundesweite Beachtung finden.

    Die Friedenspreisträger sind nicht immer jedem ein Begriff

    Bildungsbürgerliche Gediegenheit liegt noch immer über der Verleihung des Friedensfest-Preises, den die Stadt zur 2000-Jahr-Feier 1985 gestiftet hatte. Nicht alle Preisträger waren so bekannt wie Sowjetstaatschef Michail Gorbatschow, Altbundespräsident Richard von Weizsäcker oder der engagierte Augsburger Helmut Hartmann. Doch auch mit Persönlichkeiten wie der palästinensischen Friedensaktivistin Sumaya Farhat-Naser, Chiara Lubich, Gründerin der Fokolarbewegung, Schwester Lea Ackermann, der Anwältin sexuell ausgebeuteter Frauen, oder Generalsekretär Martin Junge vom Lutherischen Weltbund konnte man sich identifizieren.

    Der Dreißigjährige Krieg und das Augsburger Friedensfest

    Der unter dem Namen Dreißigjähriger Krieg bekannte Konflikt dauerte von 1618 bis 1648 und wurde größtenteils auf dem Gebiet des HeiligenRömischen Reichs deutscher Nation ausgetragen. Seine Brutalität, die lange Dauer, das unsägliche Leid der Zivilbevölkerung und die mit demK rieg einhergehenden Hungersnöte und Seuchen stellte alles bis zu diesem Zeitpunkt Dagewesene in den Schatten und entvölkerte manche Landstriche zu über 66 Prozent. (Quelle: www.dreissigjähriger-krieg.de)

    Das heute unter dem Namen Westfälischer Friede bekannte Ereignis bezeichnet alle zwischen dem 15. Mai und dem 24. Oktober abgeschlossenen Friedensverträge und somit das Ende des Dreißigjährigen Krieges.

    Neben Gebietsansprüchen wurden auch politische und religiöse Fragen abschließend gelöst. So wurde der katholische und der evangelische Glaube, wie bereits im vorangegangenen Augsburger Religionsfrieden, vollkommen gleichgestellt.

    Das Friedensfest wird in Augsburg seit dem Jahr 1650 immer am 8. August gefeiert. Das Friedensfest geht zurück auf die Zeit, in der die Anhänger des katholischen Glaubens und die Protestanten um ihre Ansprüche rangen. Augsburg hatte damals im Zuge der Reformation festgelegt, dass Katholiken und Anhänger der Confessio Augustana gleichberechtigt, und alle Ämter in der Stadt paritätisch zu besetzen seien. Dies wurde 1555 in einem als "Augsburger Religionsfriede" bekannt gewordenen Reichsgesetz noch einmal bekräftigt.

    Das änderte sich im Dreißigjährigen Krieg, als das katholische Stadtregiment am 8. August 1629 alle evangelischen Kirchen schließen und die Prediger ausweisen ließ. 14 Jahre lang war für die Protestanten ein Gottesdienst in Augsburg so nur unter freiem Himmel möglich. Die Wende brachte erst wieder der Westfälische Friede von 1648. Die Reichsstadt Augsburg erhielt wieder die konfessionelle Parität.

    Die evangelische Bevölkerung der Freien Reichsstadt Augsburg feierte dann am 8. August 1650 ihr erstes Hohes Friedensfest zum Dank dafür, dass ihr wieder volle Religionsfreiheit garantiert war.

    Traditionell wird beim Friedensfest am 8. August auf dem Augsburger Rathausplatz die Friedenstafel aufgebaut, an der sich Menschen aller Nationalitäten und Religionen zusammensetzen, miteinander reden und essen.

    2019 wird der ehemalige Bundespräsident Joachim Gauck die Feierlichkeiten zum hohen Friedensfest am 8. August in Augsburg eröffnen. Lesen Sie dazu auch: Programm zum Friedensfest 2019: So feiert Augsburg zwei Wochen lang (bo/AZ)

    An der breiten Bevölkerung gehen derlei Auszeichnungen vorbei. Sofern die Familie nicht das Kinderfriedensfest im Zoo und im Botanischen Garten ansteuert – das heuer auch ausfällt –, wird der zusätzliche Feiertag ganz säkular gern zum Shoppen außerhalb genutzt. Die christliche Wurzel des Friedensfests taucht allenfalls in den beiden Festgottesdiensten auf, die inzwischen selbstverständlich in ökumenischer Eintracht gefeiert werden.

    Zum Ritual wurden die interreligiösen Friedensgrüße, in die auch muslimische, jüdische und buddhistische Redner einstimmen. Häufiger wurden auch die Versuche, das Friedensfest im Rahmenprogramm als ethnologische Projektionsfläche zu nutzen, um Religiosität aus aller Welt zu präsentieren. Darauf reagieren Vertreter der etablierten Kirchen jedoch empfindlich. Dieses Jahr vielleicht am heftigsten mit dem Vorwurf, das Friedensfest zum Götzenkult zu missbrauchen.

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