Startseite
Icon Pfeil nach unten
Augsburg
Icon Pfeil nach unten
Feuilleton regional
Icon Pfeil nach unten

Club- und Kulturstream: Was alles trotz Corona in Augsburg kulturell ging

Club- und Kulturstream

Was alles trotz Corona in Augsburg kulturell ging

    • |
    Kultur in Corona-Zeiten: 16.000 Zuschauer, 100 Online-Veranstaltungen in elf Wochen - die Bilanz der Club und Kulturkommission spricht für kreativen Trotz.
    Kultur in Corona-Zeiten: 16.000 Zuschauer, 100 Online-Veranstaltungen in elf Wochen - die Bilanz der Club und Kulturkommission spricht für kreativen Trotz. Foto: Richard Mayr

    Es war ein Paukenschlag: Equipment auf Konzertniveau, die Moderatorin guter Dinge und die Musik eine dichte, überraschende Reise durch die Augsburger Bandszene. Beim Stay-together-Festival am Freitag spielten acht Bands und Solomusikerinnen auf zwei Bühnen Neues und Bekanntes aus ihrem Repertoire in die Fernseher, PCs, Laptops und Handys der Augsburger Fans. Im Durchschnitt, so die Club und Kulturkommission, nahmen 600 Zuschauer live am Geschehen auf dem Gaswerkgelände teil. Es ist das zweite Mal in den vergangenen elf Corona-Wochen, dass die Kulturkommission neben kürzeren Streams die Augsburger Künstler, Eventorganisatoren, Veranstaltungstechniker, Sponsoren und die Stadt für ein großes Event zusammentrommelte, um ein beinah trotziges Zeichen gegen das Virus zu setzten.

    Denn dass die Pandemie größere Live-Kulturevents bis auf weiteres sabotieren wird, befürchten viele hier. Die unabhängige Kulturbranche ebenso wie das Staatstheater bis hin zu Konzertveranstaltern. Zum Beispiel Klaus Mayer. Ihm gehört die Gruppe 20 Veranstaltungstechnik, eine Spezialfirma aus Lechhausen, die in Augsburg für ihre Licht- und Sound-Ausstattung beim Jazzsommer im Botanischen Garten, bei Modular-Festival und Presseball bekannt ist. Das Unternehmen ist eines von insgesamt vier Firmen, die die Projekte der Kulturkommission wie das Stay-together- und schon im April das Stay-at-home-Festival nicht mit Geld, sondern mit Technik, Know-how und Manpower unterstützten.

    Einen 18-Tonner mit Material für das Abschlussfestival

    San Antonio Kid im Kühlergebäude beim Stream-Auftritt im Rahmen des Stay-together-Festivals.
    San Antonio Kid im Kühlergebäude beim Stream-Auftritt im Rahmen des Stay-together-Festivals. Foto: Max Tank

    Während die Agentur Yeah für die insgesamt 100 Streams Grafik und Design lieferte, und Urban&Uncut Studios sowie Greger Eventservice die Kamera- und Filmproduktionstechnik, stieg Mayer in die beiden Musikfestivals auf dem Gaswerksgelände ein. Je einen 18-Tonner- LKW mit Material ließ er dort auffahren. Acht Mitarbeiter bauten insgesamt vier Tage professionelles Hightech-Equipment auf und wieder ab. Sie verwandelten das kahle Kühlerhaus mit drei Bühnen samt Boxen, Monitoren und Mischpulten in einen musiktauglichen Konzertraum. Scheinwerfer und Schallschlucker an Decken und Wänden holten aus der zwölf Meter hohen Industriehalle klangtechnisch raus, was ging. „Wir haben gerne mitgemacht. Sonst betreuen wir europaweit große Tourneen – aber Augsburg und die Szene sind uns natürlich besonders nah“, sagt Mayer.

    Andere Aufträge hätte er ohnehin nicht gehabt, seine 27 Mitarbeiter sind auf Kurzarbeit. Eine Arenatour mit „Disney in Concert“, eine Tournee mit Roland Kaiser und ein Festival auf dem Kaltenberger Schloss – alles abgesagt. „Die fünf Sattelzüge für die Tourneen standen schon fertig gepackt da. Dann kam Corona“, so Mayer. Mehrere hunderttausend Euro Umsatz hat er abgeschrieben. Dass die Kulturbranche, die von Livepublikum und Eintrittsgeldern lebt, so schnell wieder zur Normalität zurückkehrt, glaubt er nicht. Aber er bleibt optimistisch. „Wenn für Mittelständler wie mich noch etwas mehr Kredite aufgelegt würden, glaube ich, dass wir noch da sind, wenn Corona weg ist.“

    Acht Bands sind im Kühlerhaus-Festival aufgetreten

    Auch beim Kühlerhaus-Festival, das wie alle Stream-Veranstaltungen noch in der Mediathek der Kulturkommission zu sehen ist, ist die Stimmung nicht nur rosig. Bei allem Spaß, den die Hip-Hop-DJane Kaywoy und die acht Bands – die hintergründige Italo-Schlagerband Abbrunzati Boys, die Aichacher Rockmusiker und Videoclip-Ästheten von Kalaska, die Psychedeliker von San Antonio Kid, Benni Benson, die Folk-Pop-Frauenband Mississippi Isabell, Pianistin, Gitarristen und Singersongwriterin Ala Cya und das Brass Quintet der Philharmoniker - allen ist ein wenig Wehmut und ja, auch Angst anzumerken.

    Im Lauf der Lockdown-Wochen erreichten die 100 Streams der Augsburger Kulturbranche insgesamt 16.000 Zuschauer. Nicht nur das Staatstheater, das Sensemble-Theater oder die Band Troy of Persia, auch so Abseitiges wie die KaraUke-Gruppe lassen sich noch beim Streifen durch die Streams in der Mediathek entdecken. KaraUke veranstaltet in wechselnden Clubs offene Ukulele-Karaoke. Jetzt haben auch sie ihre Sessions teilweise ins Internet verlegt, zum Beispiel auf den Kanal der Kulturkommission. Eines ihrer Corona-Projekte: Die Ukulele-Karaoke-Freunde sollten zum Corona-sinnigen Beatles-Evergreen „With a little help from my friends“ mit Video und Ton aufnehmen. Die 30 Einsendungen als vielstimmige Performance und wimmelndes Kachelbild auf clubundkultur.tv zu sehen.

    Die Stimme des Streams wurde Eva Gold

    Die Kulturkommission bescherte in den elf Wochen ein Wiedersehen in den einschlägigen Locations der Stadt: Hallo Werner, Brechtbühne, Sensemble, Ballonfabrik, Weißes Lamm, Soho Stage und viele weitere. Zur Stimme des Streams wurde dabei die bekannte Augsburger Sängerin und Moderatorin Eva Gold. Mit ihrem Gänsehaut-Timbre bringt sie auch die Message des Großprojekts unters Volk: Streamen, Feiern und Spenden für die Rettung der Augsburger Club- und Kulturszene.

    100.000 Euro – so viel hätten es sein sollen. Diese Summe wurde mit bisher 27.000 Euro zu einem Viertel erreicht. „Ab jetzt ist Sommerpause, Spenden kann man aber weiter“, erklärt Bernhard Klassen. Der 41-Jährige ist Vorsitzender der Kulturkommission und im echten Leben Leiter des EU-Infrastrukturprojekts „Smart City“ der Landeshauptstadt München. Komplexe Projekte sind also sein Ding. Für die nahe Zukunft verspricht er: „Wenn im Herbst die Veranstaltungssituation wegen Corona prekär bleibt und eine Finanzierung unserer und der Arbeit der technischen Zulieferer garantiert wäre, würden wir weiter machen.“

    Das könnte Sie auch interessieren:

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden