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Foto: Filmstill, Brechtfestival
Foto: Filmstill, Brechtfestival

In Konzert: Hanna Hilsdorf und Goshawk vertonen Brecht und das Scum-Manifest.

Brechtfestival
05.03.2021

Immer wieder gern - Songs von Brecht im Festivalprogramm

Von Richard Mayr

Man kennt diese Ohrwürmer von Brecht, hat sie oft im Brechtfestival gehört. Aber wenn Hanna Hilsdorf den "Surabaya-Johnny" als Punk-Hymne gibt, packt das.

Leichte Erschöpfungserscheinungen machen sich breit, auch wenn das Brechtfestival in diesem Jahr im digitalen Raum stattfindet und die meisten Beiträge vorproduziert sind. Die beiden Leiter des Festivals, Tom Kühnel und Jürgen Kuttner, verwandeln am Donnerstagabend das Babylon-Kino in Berlin zum siebten Mal zur Brechtfestival-Zentrale und sprechen dort live mit Künstlern des Festivals. Kuttner sagt, dass er sich gerade nicht richtig sortiert bekommt, zu viel Festival in den Knochen, obwohl es digital sei, Kühnel sagt - wie an den anderen Tagen auch - so gut wie nichts.

Über diese klare Rollenverteilung in der Öffentlichkeit macht Kuttner auch Witze. "Sag mal 'was, Tom." Dann sagt Kühnel auch was, zum Beispiel über diese gemeinsame und lange zurück liegende Produktion, von der die Schauspielerin Winnie Böwe gerade gesprochen hat. Sie sei nicht so der Hit gewesen sei. "Ach, wirklich. Ich kann mich gar nicht so genau erinnern", wirft Kühnel tiefenentspannt ein. Da denkt man sich kurz, dass Kühnel und Kuttner wahrscheinlich nicht nur als Regisseure gut zusammenarbeiten können, sondern dass sie auch gemeinsam Potenzial vor der Kamera haben.

Die mediale Resonanz des Brechtfestivals ist groß

Am Donnerstagabend bewegt sich der Talk mit Girisha Fernando, dem Langzeit-Kurator musikalischer Festivalbeiträge, mit dem Schauspieler Charly Hübner und mit Winnie Böwe eher an den Oberflächen des Arbeitens, wie schwierig das und jenes gewesen sei. Aber das darf auch sein. Denn das digitale Brechtfestival hat es geschafft, auch medial richtig zu zünden. Die Resonanz ist groß. Wahrscheinlich auch dadurch, dass eine Anreise nicht mehr nötig war, hat nun die New York Times ausführlich über das Brechtfestival berichtet, eine Premiere.

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Foto: Filmstill, Brechtfestival
Foto: Filmstill, Brechtfestival

Winnie Böwe und Felix Kroll haben die Songs aus Elisabeth Hauptsmann "Happy End" aufgenommen.

Diese haben am Donnerstagabend auch drei musikalische Beiträge. Die Schauspielerin Winnie Böwe und der Musiker Felix Kroll haben sich Elisabeth Hauptmanns Dreigroschenoper-Fortsetzung "Happy End" vorgenommen. "Happy End für Eilige" heißt das bei ihnen. Es erinnert an "Sommers Weltliteratur to go", wie Böwe die Handlung kurz zusammenfasst. Vor allem geht es um die Songs, die Bertolt Brecht und Kurt Weill geschrieben haben.

Schon oft gehört hat man den "Bilbao-Song" und "Surabaya-Johnny", sie sind bekannter geworden als das Werk, aus dem sie stammen. Schön ist es, von Böwe und Kroll am Akkordeon auch die unbekannteren Lieder zu hören, giftig in den Texten, schön schräg von Weill komponiert, in dieser Mischung aus Bühnenschlager und verstimmten Instrument - von Böwe und Kroll reduziert, aber intensiv präsentiert.

Bei den Brecht-Liedern lauert im Hintergrund musikalisch immer der böse Wolf

Anders geht Hanna Hilsdorf, Schauspielerin am Wiener Burgtheater, vor, die vergangenes Brechtfestival kurzerhand als Sängerin für eine erkrankte Kollegin eingesprungen ist. Das sei ein besonderer Moment des Nervenkitzels für sie gewesen, erklärt Hilsdorf in einem Interview für das Magazin Bühne. Jetzt tritt Hilsdorf mit der Punk-Band Goshawk vor die Kamera. Den Brecht singt sie wie ein unschuldiges Mädchen, das musikalisch vom bösen Wolf, sprich Goshawk, umgarnt wird. Jederzeit könnte es laut werden und kippen. Dazu wird das Scum-Manifest als lange Punk-Ballade gegeben, Hilsdorf ist in einem epischen Sprechgesang und Goshawk zelebriert Punk-Musik dazu. Man hätte davon auch gerne mehr gehört.

Was ebenso für die letzte Premiere des Abends gilt: die Sängerin Balbina und die Pianistin Yoonji Kim haben im Textilmuseum zwei Songs fürs Festival aufgenommen. Kim spielt an den Tasten mit kantigen Anschlägen die Seeräuber-Jenny, für Balbinas Stimme sowohl in den Höhen als auch Tiefen das gefundene Fressen, erst dann kommt die Moral - diese mit dem eigenen Balbina-Stück "Nichtstun", vor fünf Jahren veröffentlicht und jetzt in Pandemie- und Lockdown-Zeiten schmerzlich aktuell. "Ich muss was gegen das Nichtstun tun, denn das Nichtstun tut mir gar nicht gut."

Das haben wir bisher über das Brechtfestival 2021 geschrieben:

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