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Foto: Charly Hübner
Foto: Charly Hübner

Lina Beckmann in dem Film „HelliBert & PandeMia“.

Brechtfestival
01.03.2021

Der Literatursonntag beim Brechtfestival fordert Durchhaltevermögen

Von Richard Mayr

Eine geballte Ladung Texte: Romane, Biografisches, der Briefwechsel zwischen Brecht und Weigel sind Thema. Das erschöpft, schafft aber auch neue Zugänge.

Eine geballte Ladung Literatur stand am Sonntagnachmittag und -abend auf dem Programm des digitalen Brechtfestivals – in mehreren Formaten. Klassisch eingelesen vom Autor in einem Kinosaal, dazu musikalisch begleitete Slam-Poetry, die in Augsburgs Textilmuseum aufgenommen wurde, und dann auch noch der Festivalbeitrag des Schauspielerpaars Lina Beckmann und Charly Hübner, die im Grunde auch eine Lesung war – nämlich von Briefen, die sich Brecht und Helene Weigel geschrieben haben – eine Lesung also, die mit Bildern aus dem Hamburg des Lockdowns unterlegt wurde.

Und: Dieser Sonntag hat, den Formaten geschuldet, den Zuschauern mehr Widerstand geboten. So ein in die Zeit gestreckter Lesemarathon kann schon auch erschöpfen. Aber klar, gleichzeitig bekommt das Festival dadurch auch eine andere Gestalt, liegt dann nicht nur in den Händen von Theaterleuten, versucht sich nicht nur über theatrale, inszenatorische Zugänge, sondern lässt das geschriebene Wort erklingen. Es muss ja auch nicht jeder alles gleich auf einmal hören – dank der Festival-Mediathek.

Wunderbar, wie bei Lea Streisand Familiengeschichte in Theatergeschichte übergeht

Zumal man einer sympathisch berlinernden Vorleserin wie Lea Streisand stundenlang zuhören könnte, wenn sie aus „Hufeland Ecke Bötzow“ von einer Jugend im Berlin der frühen 1990er Jahre erzählt und beschreibt, wie da Liebesgeschichten und linke Demos Hand in Hand gingen. Wunderbar auch, wie bei ihr Familiengeschichte in Theatergeschichte übergeht, wenn Streisand das Leben ihrer Großmutter, der Schauspielerin Ellis Heiden, beschreibt (in ihrem Buch „Im Sommer wieder Fahrrad“). Dort geht es auch um die Lust nach Theater im nach dem Zweiten Weltkrieg zerstörten Berlin.

Mit der Schriftstellerin Annett Gröschner wird es ebenfalls historisch. Sie stellt die Philosophin, Redakteurin und Politikerin Ruth Fischer vor, die für die KPD in den 1920er Jahren im Reichstag saß, dann aber wegen zu linker Positionen von Stalin selbst aus der Partei ausgeschlossen wurde. Gröschner beschreibt plastisch, wie dieses Leben nach dem Rauswurf aus der Partei weiterging, wie Fischer als Sozialarbeiterin zum Prenzlauer Berg fuhr und dort Familien half, bei denen sie das Gefühl hatte, immer zu spät zu kommen, nämlich dann, wenn die Probleme schon zu groß waren, um sie noch lösen zu können.

Brechtfestival: Charly Hübner und Lina Beckmann lesen Briefe

Direkt zu Brecht geht es bei Beckmann und Hübner in dem „HelliBert & PandeMia“ übertitelten Filmbeitrag. Beckmann und Hübner lesen Briefe, die sich Brecht und Weigel geschrieben haben. Es geht um das Austarieren der eigenen Beziehung, aber auch um das Leben und Überleben im Exil. Dieser schreibenden Zwiesprache werden Bilder Hamburgs gegenübergestellt. Eine frühe Radionachrichten-Einblendung der Gegenwart legt nahe, dass diese während des Lockdowns im Januar oder Februar aufgenommen worden sind. Mal sind es Blicke auf Hafenanlagen an der Elbe, dann ein kaum genutztes Passagierschiff, die verlassene Reeperbahn. Zusammen führt das zu einem anderen Zuhören. Denn so wie jetzt während der Pandemie der auf den Kopf gestellte Alltag irgendwie weitergeht, war das auch bei Brecht und Weigel im Exil. Da ging es dann minutiös und haarklein um Filmprojekte, die sich dann doch zerschlagen haben, während in Europa und im Pazifik der Krieg tobte.

Dass auch Musik und Literatur zusammengeführt werden können, machen Tanasgol Sabbagh und Henrik Szanto deutlich, zwei Größen der Poetry-Slam-Szene aus Berlin und Wien, die im Augsburger Textilmuseum, getragen von den Klängen von Steffi Sachsenmeier, Tom Jahn und Girisha Fernando, ihren Texten Leichtigkeit und Dynamik geben.

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