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Ausstellung: Es ist ein Farbmagier in der Galerie Noah am Werk

Ausstellung

Es ist ein Farbmagier in der Galerie Noah am Werk

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    Ein Wasserfall aus Papierbahnen, bemalt in Blau- und Rottönen, ist Christian Awes Werk „Seazon“.
    Ein Wasserfall aus Papierbahnen, bemalt in Blau- und Rottönen, ist Christian Awes Werk „Seazon“. Foto: hks

    Beim Eingang zur Ausstellung Christian Awes wirkt sein Vier-Meter-Querformat „pulse of life“ wie die Aufnahme einer fernen Sternenexplosion. Die folgenden Schritte in die Galerie Noah flankieren ähnliche Farbwirbel zweier „gioia“-Bilder. Doch der Blick wird unaufhaltsam nach vorn gezogen, wo an der Stirnseite des Kuppelsaals ein zehn Meter breiter Wasserfall aus knapp fünf Metern Höhe herabfällt und am Boden verläuft. Er fällt in neun Papierbahnen, die mittlere in abgründigem Dunkel, die vier zu jeder Seite in helleren Blau- und Rottönen.

    Es ist die größte Komposition, die Christian Awe bisher für einen Innenraum geschaffen hat. Im Außenbereich allerdings sprengt er Grenzen. In Berlin-Lichtenberg bemalte er eine 500 Quadratmeter große Fassade. In Berlin-Mitte erstellte er 2016 die sensationelle „Begegnung“, ein 300-Quadratmeter-Wandbild nahe dem Holocaust-Mahnmal. Für die Anbringung der segmentweise auf Kunststoff gedruckten und dann zusammengeschweißten Malerei waren sechs Industriekletterer nötig. Awe selbst kletterte zu Ausbesserungen mit. Das Riesenformat im Stil seiner oszillierenden „Wasserbilder“ thematisierte Migration und Integration. Für den sozial und karitativ engagierten Künstler bedeutete diese niedersächsische Auftragsarbeit ein Symbol für Solidarität. Im kommenden August will er noch Größeres an einer Hamburger Hauswand verwirklichen.

    Es gibt von dem Künstler auch akkurate Kleinformate

    Da ist kaum zu glauben, dass es von Christian Awe auch akkurate Kleinformate gibt – wie die drei Acryl-Papier-Arbeiten mit perlendem Wasser, die in der Galerie Noah wohl Augsburg zu Ehren den Titel „Singold“ (22x17 cm) tragen. Dennoch: Die Dimension des Wasserfalls dominiert. Awe nennt ihn „Seazon“, eine Wortkombination von See, Saison und dem japanischen Sezon-Museum, in dem die Acryl-Collage 2018 ausgestellt war – inspiriert vom kleinen Wasserfall im Museumspark.

    Dass dieses Kunstwerk jetzt aus Japan nach Augsburg geholt wurde, hängt mit Anselm Kiefer und dessen vorangegangener Ausstellung in der Galerie Noah zusammen. Das 4,70 mal 7,60 Meter messende Kiefer-Hauptwerk, ein Waldstück mit See und Metall-Applikation auf Leinwand, wurde vom Hausherrn für sein Museum Walter erworben, hat aber dort noch keinen Platz bezogen und verharrt weiter an der Stirnwand des Kuppelsaals. Also wurde es dort eingerüstet und hinter „Seazon“ verborgen. So hat Awe buchstäblich Kiefer hinter sich gelassen.

    Graffiti bewirkten eine künstlerische Initialzündung

    Ein Wiedersehen mit Harald Gnade gibt es im Studio der Galerie.
    Ein Wiedersehen mit Harald Gnade gibt es im Studio der Galerie. Foto: hks

    Zwar entspricht das keineswegs dem Ranking des Kunstmarkts (wenngleich „Seazon“ immerhin 320000 Euro kostet), doch bedeutet die Awe-Ausstellung schon deshalb ein Unikum. Sie ist es für Augsburg darüber hinaus, weil diese explosive, aber kontrollierte, diese abstrakte, aber konkret ausgerichtete Acryl-Malerei hier so noch nicht zu sehen war. Der 1978 in Ostberlin geborene Awe erlebte nach der Wende mit Graffiti eine künstlerische Initialzündung. „In der DDR gab’s ja keine Sprühdosen zu kaufen“, erklärte er bei der Vernissage, bei der er auch Lebensfreude und Humanität beschwor und eine Kultur als „Kitt, der die Menschheit zusammenhält“. An der Berliner Universität der Künste lernte Awe 2005/06 bei Georg Baselitz und Daniel Richter. In der Galerie Noah weisen ihn jetzt 13 Leinwand- und sechs Papierarbeiten als einen furiosen Farbmagier aus. Es ist eine Lust zu schauen.

    Das lässt sich ähnlich auch von der pulsierenden Malerei des Harald Gnade sagen. Der 1958 in Niedersachsen geborene, in Berlin und Sizilien lebende, 1992 auch an der „documenta“ in Kassel beteiligte Künstler war erst 2016 im Noah-Kuppelsaal zu betrachten. Nun hängt er mit zehn Leinwandbildern im Studio der Galerie. Diesmal bewegen sich die überaus feinen Pinselstriche seiner Naturdetails auch auf dem monochromen Hintergrund eines hochglänzenden Malerlacks. Die Wirkung ist plakativ.

    Laufzeit der Ausstellung in der Galerie Noah (Glaspalast) bis 14. Juli, Di–Do 11–15 Uhr, Fr–So und Feiertage 11–18 Uhr und nach Vereinbarung.

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