Das Zusammenspiel von enger persönlicher und örtlicher Nähe bei einem „Künstler(ehe)paar“ lässt die Nuancen von gegenseitiger Inspiration bis Rivalität erahnen. Wenn sie mit einem gemeinsamen Ausstellungstitel auftreten, ist der Interpretationsspielraum frei. In der Ecke-Galerie Cyprian Brenner geben Kathrin Rank und Mirko Schallenberg dazu in ihren „Zwischenwelten“ reichlich Gelegenheit.
Das Berliner Paar, beide Jahrgang 1967, beide geprägt an der Hochschule Braunschweig, bietet mit spektakulären Ölbildern ein ineinanderfließendes Betrachtungserlebnis. Mirko Schallenbergs surreale Stillleben und Kathrin Ranks doppelbödige Ansichten, teils in der Pose des romantischen Natur- und Weltbeobachters, kontrastieren und sie berühren sich, ohne dem anderen etwas wegzunehmen. Ihr Standort zur Bildfindung ist unterschiedlich, ja gegenteilig. Rank blickt auf Szenen und Ansichten, die sich vor ihren Augen ohne ihren Einfluss ereignen, Schallenberg hingegen greift in das Wesen der Dinge ein, die er (vor)findet und malt – man denkt an die Kunstrichtung des „Objet trouvé“, des Alltagsgegenstands, dessen Bedeutung erweitert wird.
Prallrote Erdbeeren aus der Schachtel, Goldfische im Plastikbeutel
Seine Kompositionen beherbergen triviale Objekte – blau verzierte Tonkrüge, meist auf den Kopf gestellt, eine Schachtel mit herausperlenden prallroten Erdbeeren, ein Stück Butter im Messerzugriff, aufgerissene Pappkartons, aus denen seltsame Postsendungen quellen wie etwa Goldfische im durchsichtigen Plastiksack oder die ineinandergesteckten Puppen. Die Dinge im realistisch gemalten Dasein sind der Schwerkraft enthoben, übereinander konstruiert; Glasplatten, Gläser irritieren, spiegeln die fragilen Szenen. Und immer wieder taucht ein schwarz glänzender Klumpen eines schweren Erzgesteins auf, der schwebend an einem Strick eine surreale Balance aufrechtzuerhalten vorgibt. Er spielt eine entscheidende Rolle in der Arbeit „Resonanz“: Aufgerichtet neben einer Trompete, Notenblätter und ein Einweckglas tragend, scheint er den Vogel auf der verbindenden Schnur zu locken – „Vorsicht Gefahr“ schwebt über dem Stillleben. Masken, Knobelbecher, der Globus, der nicht in einen Bildrahmen passen will, auch die Farbpalette selbst, das künstlerische Ich, finden ihren Platz in diesen kapriziösen Ahnungen. Die „verrückten“ Dinge erzeugen neue Welten.
Erstaunt wahrgenommene Ereignisse
Kathrin Ranks Beobachterposten hingegen lebt von den wie erstaunt wahrgenommenen Ereignissen. Gespenstisch und hintergründig auftauchende Silhouetten übernehmen den Hauptpart: Strommasten, Stangen, spitzes Astwerk, marionettenhaft huschende Personenfigürchen treten vor romantisch quellende Wolkenhimmel oder aufschäumende Meeresgischt. Auch die schemenhaft vom nassen Asphalt gespiegelten Großstadtpassanten vor erhellten Schaufenstern scheinen nur Gäste eines übermächtigen Szenariums zu sein. Die Reihung dieser 28 zum Block geformten Miniaturen erzeugt bedrohlich lauernden Thrill, denn mit zwei Rundungen sind die Motive gerahmt wie im Fernglas eines Voyeurs. Man denkt an James Stewart in Hitchcocks „Fenster zum Hof“, kann sich aber auch die spähenden Augen des Piraten auf hoher See vorstellen. Caspar David Friedrichs in die ferne fremde Natur blickende Figur, der Beobachter, die Verdoppelung des Künstlerblicks, von Rank elegant zitiert mit verwehten Rockschößen, kommt in ihren „Gezeiten“-Bildern in den Sinn. Das Meer, Brandung, Gischt, perfekt realistisch gemalt, sieht dieser Beobachter aber in glühenden, brennend gelbrot erregten, teils gefährlich giftigen Farben. Bizarre „Zwischenwelten“.
Ecke-Galerie Cyprian Brenner, Elias-Holl-Platz 6, Laufzeit bis 18. Oktober, Di. bis So. 12–18 Uhr, Tel. 0821/24404655.
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