Ivan Demidov hat schon immer zu den jüngsten gehört, ob nun in seiner Schulzeit in Russland, seinem Studium am Konservatorium in St. Petersburg oder jetzt als 1. Kapellmeister des Staatstheaters Augsburg – mit 29 Jahren. Und: Er hat sich daran gewöhnt und lacht nur leise, wenn er nach seinem Alter gefragt wird. Es sei eben so, da könne er auch nichts machen. Klar sei das nicht immer einfach, als junger Dirigent vor einem Orchester zu stehen: „Man braucht Autorität, ein Dirigent benötigt auch eine Reife“, sagt Demidov, kurz vor dem nächsten Sinfoniekonzert, das er am Montag und Dienstag im Kongress am Park leiten wird.
„Reife“, sagt Demidov natürlich auch mit Hintersinn anstelle von Alter. Wenn er von seiner Vorstellung von Musik und von seinem Leben erzählt, klingt das reflektiert, unverstellt und offen, tatsächlich begegnet einem da ein reifer, weltoffener Gesprächspartner, der zum Beispiel von sich sagt, dass es im Leben mehr als nur Musik gebe. „Ich bin kein Genie, das Tag und Nacht nur in der Musik lebt.“ Essen, Reisen, Bücher, dazu ein eigener Social-Media-Account, seine Interessen sind weiter gelagert. Erst kürzlich verbrachte er bei wunderbarem Wetter ein Wochenende Schneeschuh-wandernd in den Bergen – mit seinem Mann.
Hier in Deutschland hat das Paar, das gemeinsam aus Russland kam, geheiratet. Und ja: Durch den Umzug, durch den Wegzug aus dem homophoben Russland hat sich das Leben der beiden verbessert. Und auf seine Familie musste Demidov auch nicht verzichten, sogar die Oma habe ihn schon besucht und im Konzert erlebt.
Demidov besitzt schon in jungen Jahren diese Reife als Dirigent
Dirigieren wollte Demidov schon immer, schon als er als Zehnjähriger vom Blatt weg „Eugen Onegin“ am Klavier spielte und sich vorstellte, wie er den Klang modellieren würde. Damals hat er noch Schallplattenorchester dirigiert und sich vorgestellt, was er machen würde, heute kann, nein muss er es tatsächlich in die Tat umsetzen. Und es ist eine fordernde Aufgabe, damit die Musiker ihm auch folgen. „Ich muss eine klare Vorstellung haben bei den Proben, ich darf nicht unentschieden sein.
Ich muss vollkommen präsent sein. Ich muss genau und präzise sein.“ Und dann ist da so ein Satz zu hören, der deutlich macht, warum Demidov schon in jungen Jahren diese Reife besitzt. „Dirigent zu sein, heißt, allein zu sein.“ Allein vor der Musik, allein vor dem Orchester.
Und Demidov muss auch noch das Kunststück vollbringen, sich auf Deutsch verständlich zu machen, der Sprache, die er erst vor drei Jahren angefangen hat zu lernen, als das Theater Augsburg ihn in der Spielzeit 2017/18 als 2. Kapellmeister engagierte. Mittlerweile ist er in der Hierarchie seit dem Weggang von Lancelot Fuhry noch eine Position aufgerückt – nach einem Auswahlverfahren.
Besonders nahe sind ihm russische Komponisten
Das Proben empfindet Demidov sogar als den anstrengenderen Teil als tatsächlich im Konzert zu dirigieren. Dann ist alles gesagt, vor allem aber ist klar, dass alle Beteiligten hundertprozentig fokussiert sind. „Wichtig sind für mich auch die zwei, drei Stunden nach den Proben“, sagt er. In dieser Zeit mache er sich Gedanken, wie alles laufe, klinge und was noch zu verbessern sei.
Natürlich stehen ihm russische Komponisten wie Tschaikowsky und Kabalewski im kommenden Sinfoniekonzert besonders nahe. Natürlich würde er auch einmal gerne „Eugen Onegin“ oder „Pique Dame“ dirigieren, aber die französischen Impressionisten, die deutsche Romantik, Wagner, das mag er auch. „Ich bin vielseitig“, sagt er, nur mit Barockmusik könne er als Dirigent nicht so viel anfangen. „Die höre ich lieber.“ Anfang nächster Woche kann das Augsburger Publikum nun hören, wie Demidov und die Philharmoniker das russische Programm des nächsten Sinfoniekonzerts angehen.
- Das 5. Sinfoniekonzert der Augsburger Philharmoniker wird von Ivan Demidov dirigiert. Es findet am Montag, 17. Februar, und Dienstag, 18. Februar, jeweils um 20 Uhr im Kongress am Park statt. Als Solist ist Haymon Haffner (Geige) zu hören. Gespielt wird Tschaikowskys „Der Sturm“, Dmitri Kabalewskis Violinkonzert C-Dur op. 48 und Tschaikowskys Sinfonie Nr. 1 in g-Moll.