"Schön, dass ihr alle da seid" - es ist ein Satz, der gelegentlich zur Höflichkeitsfloskel verkommt und dem man in gewöhnlichen Zeiten kaum Aufmerksamkeit schenkt. Spricht man ihn jedoch in einen leeren, dunklen Raum, so wie es die Sängerin der Augsburger Folk-Rock-Band John Garner, Lisa Seifert, am Samstagabend tat, dann hallt er nach. Ja, es sind tatsächlich Menschen da, die an diesem Abend mitten im zweiten Corona-Lockdown ein John-Garner-Konzert besuchen. Sie sitzen zuhause vor Tablets und Fernsehern, manche sogar vor Leinwänden, wie sie im Livestream-Chat schreiben. 100 Tickets hat die Band für ihr letztes von drei Onlinekonzerten verkauft, wie viele Menschen vor diesen Bildschirmen sitzen, lässt sich nur schätzen. Klar ist jedoch, was sie alle eint: Die Sehnsucht nach Livemusik, nach Konzert-Atmosphäre.
John Garner streamt Live-Konzert vom Gaswerk-Areal in Augsburg
Die Band hat einen großen Aufwand betrieben, um diese Stimmung in die Wohnzimmer in Augsburg, Hamburg und Paris zu transportieren - die Tonqualität ist hervorragend, mehrere Kameras vermitteln ein Gefühl von Nähe, Scheinwerferlicht macht aus dem Apparatehaus auf dem Gaswerkareal einen Live-Club. Vor allem ist es aber die Präsenz der Musiker selbst, die die Distanz aufbricht. Mit einem Befreiungsschrei beginnt Frontmann Stefan Krause den ersten Song "My heart is ready", der gute Laune und Pub-Feeling in die Wohnzimmer transportiert. Überhaupt wirkt die Stimmung der Musiker ausgelassen, zwischen den Songs überbieten sich die Sänger Stefan Krause, Chris Sauer und Lisa Seifert nur so mit schlechten Wortwitzen und persönlichen Anekdoten. Sauer mutmaßt, dass es sich dabei um eine Reaktion gegen die Kälte handeln könnte - im Apparatehaus ist es so kalt, dass man den Atem der Sänger sehen kann. Überhaupt ist die Kälte eine Herausforderung für die Band. Während sich die Musiker zumindest in warme Kleidung hüllen können, sind die akustischen Instrumente wie Gitarren, Kontrabass und Trompete den Temperaturen direkt ausgesetzt - darunter leidet stellenweise die Intonation.
Auf die Qualität des Konzerts hat das jedoch kaum einen Einfluss, die herausragende Bühnenpräsenz von John Garner macht kleine Unsauberkeiten wett. Das wird umso deutlicher in den ruhigen, innigen Momenten, wie im Song "You are the killer of my mind", den Stefan Krause einer Person im Online-Publikum widmet.
Zum Schluss überraschen John Garner ihre Zuschauer mit einer Live-Premiere
Gegen Ende des Konzerts überrascht die Band mit einer Live-Premiere: Zum ersten Mal spielen sie "Save the world" vor Zuschauern - ein Song, der zwar bereits seit Jahren in einer Rohform existiert hat, aber während der Corona-Krise seinen Feinschliff erhielt und mit der Botschaft und dem Wechsel aus ruhigen Textpassagen und optimistischer Melodie bestens in die aktuelle Zeit passt.
Nach knapp eineinhalb Stunden verabschieden sich John Garner von ihrem Publikum vor den Bildschirmen. Das wiederum reagiert in Chat-Nachrichten mit virtuellem Applaus - und großer Dankbarkeit für 90 Minuten Flucht aus dem Corona-Trott.
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Hören Sie sich dazu auch unsere Podcastfolge mit der Augsburger Band John Garner an: