Es ist etwas ruhig geworden um ihn. Doch der Eindruck verflüchtigt sich, wenn man ihn dieser Tage ans Telefon bekommt. Sofort hat der Anrufer wieder das Bild vom zur Tat drängenden Musiker vor sich: pfeilgerade zusteuernd auf sein Lieblingsthema, die Wiener Klassik mit Haydn, Mozart, Beethoven. Bruno Weil, wie man ihn kennt.
Angesprochen auf Aktuelles erzählt er, dass er nach wie vor sein Herzensprojekt in Arbeit hat, eine Stilistik der Wiener Klassik und ihrer Vorgänger im 18. Jahrhundert, die einmal in Buchform erscheinen soll. Ein anderes Buchprojekt ist ihm zuletzt jedoch dazwischengekommen, er fungierte als Lektor einer neu aufgelegten Biografie über Hans Swarowsky, in Wien einst legendärer Lehrer zahlreicher Dirigenten-Berühmtheiten, darunter Bruno Weil.
Einst setzte Karajan sich für Bruno Weil ein
Die Grundlagen, die Swarowsky seinem aus dem Rheinland stammenden Schüler einst vermittelte, brachten den jungen Weil zunächst in die Umlaufbahn von Herbert von Karajan, für den er bei den Salzburger Festspielen einspringen durfte. Der Maestro war derart von ihm überzeugt, dass er sich für Weil telefonisch einsetzte bei der Augsburger Stadtspitze, als diese einen neuen Chef für ihr Orchester suchte. Und so wurde Weil 1981 der damals jüngste Generalmusikdirektor Deutschlands. Als er nach acht Jahren schied, war ihm die Stadt so ans Herz gewachsen, dass er sie mit seiner Frau zum Lebensmittelpunkt erkor.
Der Karriere war das nicht hinderlich, im Gegenteil, Bruno Weil startete nun erst richtig durch. Wenn auch in einer Art und Weise, die man gerade von einem Karajan-Protegé nicht vermutet hätte. Bruno Weil, seit jeher musikhistorisch ungewöhnlich neugierig, verlegte sich als Dirigent aufs historisch informierte Interpretieren, war nun am Pult von Originalklang-Ensembles zu hören (was ihn nicht davon abhielt, auch weiterhin, wo gewünscht, moderne Orchester in aller Welt zu leiten).
Bruno Weil hat großen Verdienst an Haydns musikalischer Wiederbelebung
Als Glücksfall erwies sich die Zusammenarbeit mit dem auf Originalinstrumenten musizierenden Tafelmusik Orchestra aus Kanada. Welch eine Wahlverwandtschaft sich hier gefunden hatte, wurde überragend deutlich in dem von Weil knapp zwei Jahrzehnte lang künstlerisch verantworteten Festival Klang & Raum im Kloster Irsee. Die heiß geliebten Wiener Klassiker unterzog Weil hier einer so erfrischenden wie mustergültigen Deutung, mit seinen Haydn-Interpretationen läutete er für den seinerzeit noch gern als altväterlich apostrophierten Komponisten eine regelrechte Renaissance ein.
Dem Tafelmusik Orchestra ist Bruno Weil nach wie vor verbunden, mit ihm führte er dieses Jahr in Toronto ein Beethoven-Programm auf. Eine Wiederbegegnung, bei der er sich geführt habe, „wie wenn man zu Freunden kommt“. Von den Festival-Jahren in Kloster Irsee schwärmten die Kanadier noch heute, erzählt Weil. Anfang des kommenden Jahres ist er als Dirigent in Frankreich gebucht, in mehreren Konzerten in Städten entlang der Loire.
Historische Literatur und Musik – für Bruno Weil untrennbar
Wenn ihm der Terminkalender freie Zeit gewährt, widmet er sich vorzugsweise der Lektüre, liebend gerne historischem Stoff. „Die Musik ist davon ja gar nicht zu trennen“, findet er und hat auch schon ein Beispiel parat: Als Napoleons Truppen Wien besetzt hielt, habe ein französischer Offizier am Hause des greisen Haydn geklingelt und gefordert, der Meister möge auf dem Klavier ein Lied vortragen. „Wenig später“, fügt Weil pointensicher hinzu, „waren beide gestorben. Haydn eines natürlichen Todes, der Offizier in einer Schlacht“.
Der Dirigent, der, wie man von seinen Werkeinführungen weiß, über Musik auch wunderbar zu sprechen versteht, Bruno Weil wird an diesem 24. November 75 Jahre alt.
Um kommentieren zu können, müssen Sie angemeldet sein.
Registrieren sie sichSie haben ein Konto? Hier anmelden