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Kommunalwahl 2020: Hoher Migrationsanteil: Wie läuft die Integration in Augsburg?

Kommunalwahl 2020

Hoher Migrationsanteil: Wie läuft die Integration in Augsburg?

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    In Oberhausen gibt es viele Läden mit Waren aus anderen Kulturen - kein Wunder, leben hier doch viele Menschen mit Migrationshintergrund.
    In Oberhausen gibt es viele Läden mit Waren aus anderen Kulturen - kein Wunder, leben hier doch viele Menschen mit Migrationshintergrund. Foto: Silvio Wyszengrad (Archiv)

    Augsburg ist einer der Schmelztiegel Deutschlands: Menschen aus über 140 Nationen leben in der Stadt. Hier ist auch Emine Yiyit geboren und aufgewachsen. 1974 kam sie zur Welt, der Kuhsee war erst wenige Jahre alt. Hier hat sie mit Deutschen, Jugoslawen, Türken und Italienern gespielt. Hier ist sie zur Schule gegangen. Sie sagt: „Meinen Lehrern habe ich viel zu verdanken.“ Die seien zwar streng gewesen, hätten ihr aber auch die deutsche Sprache und die Bedeutung von Schule beigebracht. Yiyits Eltern stammen aus der Türkei, der Vater kam als Gastarbeiter nach Augsburg, arbeitete bei den „Amis“ und wusste laut Yiyit schon damals: Wenn du wirklich ankommen willst, ziehst du besser dorthin, wo die Deutschen wohnen. „Mein Vater hat sich, genau wie ich, angestrengt, um anzukommen in der Gesellschaft. Vorurteile gegenüber Migranten ertrage ich nicht.“

    Die Migrationspolitik in Augsburg hat sich über die Jahrzehnte sehr verändert

    In Augsburg ist Yiyits Biografie nicht ungewöhnlich: Über 11.000 Türkei-Stämmige leben hier, dazu kommen Zehntausende andere Deutsche mit Migrationshintergrund sowie Ausländer. 46 Prozent der Augsburger hatten, Stand Dezember 2018, Migrationshintergrund, ist im aktuellen Migrationsbericht nachzulesen. Das schließt Deutsche mit entsprechendem Hintergrund und Ausländer mit ein. Bei den Unter-Zehnjährigen sind es mittlerweile sogar fast 68 Prozent.

    Die Stadt tut also gut daran, Integrations- und Unterstützungsangebote für diejenigen bereitzustellen, die sie brauchen. Und da hat sich die vergangenen 20 Jahre viel getan. So wurde 2009 aus dem Ausländerbeirat der Integrationsbeirat – das ist einem Paradigmenwechsel der Migrationspolitik in Augsburg zu verdanken. Seither kann man von aktiven Bemühungen seitens der Mehrheitsgesellschaft sprechen, Integrationsbemühungen auch zu unterstützen.

    In seiner aktuellen Satzung von 2016 versucht der Beirat, die migrantische Gesellschaft Augsburgs widerzuspiegeln. Dazu gehören Muslime, vor allem aber Menschen aus den ehemaligen Warschauer-Pakt-Staaten und dem früheren Jugoslawien. Bereits seit 2005 richtet der „Augsburger Runde Tisch der Religionen“ die mehrmonatige Veranstaltungsreihe „Pax“ aus. Sie beschäftigt sich mit Fragen des interkulturellen Zusammenlebens und des interreligiösen Dialogs.

    Die Ereignisse am Königsplatz im Dezember haben Augsburg aufgewühlt

    Emine Yiyit treiben diese Themen ebenfalls um – ein Grund, wieso sie sich jetzt in der Politik engagieren will. „Wir Migranten sind heute Ärzte, Anwälte und Politiker.“ Seit vielen Jahren ist sie ehrenamtlich tätig, etwa in der Obdachlosenhilfe. Nun kandidiert sie auf der Liste der WSA für den Stadtrat. Augsburg sieht sie im Bereich Migration auf einem guten Weg. Sie persönlich habe einen weiten Freundes- und Bekanntenkreis. Yiyit erklärt, wirkliche Klagen über die Politik der Stadt höre sie nur sehr selten. Und dennoch, vereinzelt gibt es sie. „Die Ereignisse rund um den Vorfall am Königsplatz haben schon aufgewühlt.“

    Nicht nur, weil der Hauptverdächtige Deutscher mit Migrationshintergrund ist. Vielen aus ihrem Bekanntenkreis habe die Berichterstattung, insbesondere die Kommentare in den sozialen Medien, wehgetan. „Nur weil jemand Migrationshintergrund hat, wird er nicht schneller kriminell.“ Allerdings betont Yiyit im Gespräch auch, sie wünsche sich mehr Präventionsarbeit und schärfere Ansprachen an die jungen Männer in den Klassen durch die Polizei. Auch mehr Streetworker, vorzugsweise mit Migrationshintergrund, seien eine gute Idee.

    So ist der Anteil tatverdächtiger Ausländer, was Deutsche mit Migrationshintergrund ausschließt, fast doppelt so hoch wie ihr Bevölkerungsanteil – 39,7 Prozent zu etwa 22 Prozent – das lässt sich aber laut Soziologen auf ganz andere Faktoren als die Ethnie zurückführen. Etwa Schulbildung, Einkommen und Vermögen, Jobstatus oder Alter. Gerade in diesen Feldern benötigen insbesondere Ausländer mehr Unterstützung.

    Unter Augsburgs Kindern und Jugendlichen beträgt der Ausländeranteil 20 Prozent

    Laut dem städtischen Strukturatlas von 2018 verlassen mittlerweile 13 Prozent der ausländischen Schüler die Schule ohne Abschluss – vor einigen Jahren waren es noch sieben Prozent. Im Gegenzug sind 16 Prozent aller Abiturienten Ausländer. Insgesamt beträgt der Bevölkerungsanteil der null- bis 15-jährigen Ausländer 20 Prozent.

    Schichtwechsel bei der AKS 1986.
    Schichtwechsel bei der AKS 1986. Foto: tim

    Diese während ihrer Schulzeit in Sachen Bildung und Integration zu unterstützen, wird noch lange Zeit eine städtische Aufgabe bleiben. Im Alter von null bis 30 Jahren leben mehr als 23.000 Ausländer in Augsburg, knapp 1500 von ihnen haben sich 2018 bezüglich der Anerkennung ihrer beruflichen Abschlüsse aus dem Heimatland beraten lassen. Auch die Arbeitslosenquote unter Ausländern in Augsburg fällt seit Jahren, sie liegt aber noch immer bei knapp unter zehn Prozent. Etwa doppelt so hoch wie bei der Gesamtbevölkerung.

    Die 45-jährige Yiyit arbeitet seit ihrer Ausbildung zur Fachkraft für Lagerlogistik in diesem Bereich. Sie selbst, sagt sie, habe keine Beratung gebraucht, was den Beruf oder die Wohnungssuche angehe. „Aber viele wissen nicht, wohin sie sich wenden können.“ Den Verein Tür an Tür kennen die meisten nicht, andere Integrations- und Beratungsobjekte seien nicht niedrigschwellig genug. „In der Ausländerbehörde müssten viel mehr Informationen in anderen Sprachen zur Verfügung stehen.“ Also etwa auf Türkisch, Rumänisch, Russisch oder Arabisch.

    Im russischen Supermarkt  Mix-Markt gibt es russische Spezialitäten.
    Im russischen Supermarkt Mix-Markt gibt es russische Spezialitäten. Foto: Mathias Wild

    Yiyit erklärt, es sei verständlich, wenn viele Ausländer und Deutsche mit Migrationshintergrund dorthin ziehen, wo bereits Menschen aus dem gleichen Kulturkreis wohnen. In Augsburg trifft das vor allem auf Oberhausen, Links der Wertach, Teile Lechhausens und das Univiertel zu. Dort leben zu mehr als 60 Prozent Ausländer und Deutsche mit Migrationshintergrund. „Migrantische Communitys helfen sich meiner Erfahrung nach untereinander, so ist ein Neustart im fremden Land einfacher.“

    Die Stadt Augsburg macht im Bereich Migration mittlerweile vieles gut

    Bis in die späten 70er Jahre machte die Stadt Augsburg diesen Neustart nicht eben leichter. Damals bestand das Integrationsangebot für Vertriebene und Gastarbeiter aus wenigen fremdsprachigen Filmen im Kino und ein paar Dutzend Büchern in der jeweiligen Muttersprache zum Ausleihen. Und heute? Genießen laut einer Bürgerumfrage die vielen interkulturellen Angebote quer durch alle Bevölkerungsschichten fast 90 Prozent Zustimmung.

    Die Kültürtage sind ein weiteres Beispiel aus der städtischen Gesellschaft, mit großem ehrenamtlichen Engagement zu einem gelingenden „bunten“ Augsburg beizutragen. Seit zehn Jahren organisiert der Kültürverein Augsburg das Fest für Kulturschaffende und -interessierte mit und ohne Migrationshintergrund. Oder das „Festival der Kulturen“, einer der Höhepunkte des Hohen Friedensfestes in der Stadt. Seit zwölf Jahren organisiert das ehemalige "Projektbüro für Frieden und Interkultur", seit 2014 gegliedert in das "Büro für Migration, Interkultur und Vielfalt" sowie das "Friedensbüro", diese Veranstaltung.

    Die Stadt hat ihren hohen Migrationsanteil und die damit verbundenen vielfältigen Möglichkeiten – aber auch Herausforderungen – in den vergangenen zwanzig Jahren erkannt und wird ihnen seither mehr und mehr gerecht. Einen großen Wunsch hat Emine Yiyit aber dennoch: eine wirkliche, im Stadtbild erkennbare ökumenische Moschee. Nicht nahezu unsichtbar in einem Gebäude versteckt.

    Lesen Sie hier, wie die Augsburger Parteien und Gruppierungen, die zur Wahl antreten, zum Thema stehen: So blicken Augsburgs Parteien auf das Thema Migration

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