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Kommunahlwahl 2020: Was Augsburger an ihrem Stadtteil lieben - und was nicht

Kommunahlwahl 2020

Was Augsburger an ihrem Stadtteil lieben - und was nicht

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    Hofflohmärkte wie hier im Bismarckviertel sind ein Zeichen dafür, dass viele Augsburger ihrem Stadtteil verbunden sind.
    Hofflohmärkte wie hier im Bismarckviertel sind ein Zeichen dafür, dass viele Augsburger ihrem Stadtteil verbunden sind. Foto: Michael Hochgemuth

    Er trägt nur einen Pulli als Oberteil, aber er trotzt dem Graupelschauer, der über Oberhausen niedergeht. Dieter Benkard, 75, zeigt auf die Wohnblöcke um ihn herum. Er kennt sich aus in dem Viertel zwischen Donauwörther Straße und Wertach. Benkard lässt sich auch vom ungemütlichen Wetter nicht ablenken, wenn er von „seinen Wohnungen“ spricht. Und davon, wie viel hier in den vergangenen Jahrzehnten passiert sei. Er meint damit nicht, dass die Mietshäuser ihm gehören. Die meisten Wohnblöcke hier sind im Besitz der städtischen Wohnbaugruppe – kurz WBG. Er lebt selbst in einer WBG-Wohnung. Doch

    Dieter Benkard wohnt sein ganzes Leben in Oberhausen und sitzt seit 30 Jahren im Stadtrat. Er sagt, der Stadtteil sei viel besser als sein Ruf.
    Dieter Benkard wohnt sein ganzes Leben in Oberhausen und sitzt seit 30 Jahren im Stadtrat. Er sagt, der Stadtteil sei viel besser als sein Ruf. Foto: Michael Hochgemuth

    Benkard sitzt seit 30 Jahren für die SPD im Stadtrat, immer hat er sich auch als Stimme Oberhausens verstanden. Er kennt die Menschen hier im Viertel – und die Menschen kennen ihn. Er weiß, dass Oberhausen nicht den besten Ruf hat. Zu viele Ausländer, urteilen manche über den Stadtteil. Zu wenig sauber sei es hier, auf den Straßen könne man sich nicht sicher fühlen. Zuletzt geriet der Stadtteil wieder mal negativ in die Schlagzeilen, nach der tödlichen Gewalttat gegen einen Passanten am Königsplatz. Mehrere Tatverdächtige, fast alle mit Migrationshintergrund, stammen aus Oberhausen. Doch Dieter Benkard sieht seinen Stadtteil dennoch ganz anders. Er gerät fast ins Schwärmen, wenn er gefragt wird, warum er gerne hier lebt.

    Die Nähe zur Wertach weiß Benkard zu schätzen, gerade im Sommer. Es gibt hier viele Kleingärten, seine Frau und er haben selbst seit Jahrzehnten einen solchen Garten. Er lobt die gute Verkehrsanbindung mit der Straßenbahnlinie 4, die nahen Einkaufsmöglichkeiten. „Simmer uns doch mal ehrlich“, sagt Dieter Benkard mit Augsburger Zungenschlag, „Probleme gibt es überall, auch in den scheinbar besseren Stadtteilen.“ Es gehe darum, die Probleme anzupacken. Er hat Menschen mit 100 Euro ausgeholfen, um eine Zwangsräumung ihrer Wohnung im letzten Moment noch abzuwenden. Er hat den Zuhälter einer jungen Prostituierten zur Rede gestellt und ihr dabei geholfen, einen Job im Josefinum zu bekommen, dem Krankenhaus im Zentrum des Stadtteils. Benkard sagt, er habe die Erfahrung gemacht, dass man „mit den meisten Menschen vernünftig reden kann“. Das gelte für Ur-Oberhauser wie ihn genauso wie für Migranten oder Zugezogene.

    Ein große Mehrheit der Augsburger lebt gerne in der Stadt und in ihren Vierteln

    Dieter Benkard mag ein besonders überzeugter Bewohner seines Stadtteils sein. Grundsätzlich aber identifizieren sich viele Augsburger mit ihrem Viertel, das zeigen auch Umfragen der Stadt und der Universität. In einer Bürgerumfrage vor drei Jahren gaben die meisten Befragten an, dass sie im Fall eines Umzugs am liebsten innerhalb ihres Viertels umziehen wollen (36 Prozent). An zweiter Stelle folgte ein Umzug in einen anderen Stadtbezirk (25,7 Prozent), erst an dritter Stelle ein Umzug ins Umland (18,3 Prozent). Auch ganz allgemein scheint die Zufriedenheit der Augsburger mit ihrem Wohnort relativ groß zu sein. In der Umfrage gaben 87 Prozent an, „sehr gerne“ oder „gerne“ hier zu leben. Unterschiede zwischen den einzelnen Vierteln gibt es aber sehr wohl. In Oberhausen-Nord, wo Dieter Benkard wohnt, sagen nur 75 Prozent, dass sie gerne in ihrem Viertel wohnen. Das ist der schlechteste Wert. In Bergheim dagegen liegt die Zufriedenheit bei 100 Prozent. Auch bei Detailfragen zeichnen sich diese Unterschiede ab: In Oberhausen-Nord sind nur rund 50 Prozent der Bewohner mit der Sauberkeit ihres Stadtbezirks zufrieden, im ländlichen

    Lässt die Stadt die vermeintlichen Problemviertel hängen und kümmert sich mehr um die besseren Viertel, wo auch einflussreichere Bürger leben? Dieter Benkard widerspricht. Gerade in Oberhausen sei viel passiert. Es gab Sanierungsprogramme für Straßen und Plätze. Die städtische Wohnbaugruppe habe viele Häuser hergerichtet und auch neu gebaut. Mit der Drei-Auen-Schule sei im Jahr 2007 eine Grundschule komplett gebaut worden. Es gebe neue Nahversorgungszentren mit Einkaufsmärkten, neue Spielplätze und einen aufgewerteten Weg am Wertachufer. Dass jetzt auf dem Areal der ehemaligen Firma Zeuna-Stärker in großem Stil neue Wohnungen entstehen sollen, zeige die Attraktivität Oberhausens, sagt Benkard. Ein Stadtteil müsse sich aber auch Gehör verschaffen. Gebe es keinen Stadtrat, der sich für sein Viertel einsetzt und der Verwaltung notfalls auch lästig fällt, dann bewege sich aber weniger.

    Der Stadtrat fuhr jede Woche durch Oberhausen und machte sich Notizen

    Benkard erzählt, er sei früher jede Woche durch Oberhausen gefahren und habe sich Notizen gemacht, wo etwas im Argen lag – etwa Müllablagerungen oder kaputte Spielgeräte. Mit seiner Frau formulierte er dann Briefe an die Ämter. War nach einiger Zeit noch nichts geschehen, hakte er nach. Im Viertel heißt es deshalb oft: „Geh zum Benkard, der macht das.“ Als Aufsichtsratsmitglied bei der Wohnbaugruppe WBG kümmert er sich auch um die Sorgen der Mieter. Es ist viel Arbeit, aber er habe das auch gern gemacht, sagt Benkard. Deshalb falle ihm der selbst verordnete Abschied aus der Politik nicht leicht. Er steht bei der Kommunalwahl nicht mehr auf dem Wahlzettel. Es sei an der Zeit, kürzerzutreten.

    Attraktive Stadtteile? Das planen Parteien und Gruppen

    CSU:

    95 Prozent der Augsburgerinnen und Augsburger sind mit dem Leben in ihrer Nachbarschaft, ihrem Stadtteil und ihrem Quartier zufrieden. Die Stadtteile stehen künftig noch stärker im politischen Fokus der CSU. Wir haben nicht nur ein allgemeines Wahlprogramm, sondern auch ein Projektprogramm für jeden Stadtteil aufgestellt. Darin finden sich ganz konkrete Maßnahmen für jedes Viertel, vom Kita-Neubau bis zu Stadtteilkulturbeauftragten und Freizeitangeboten. Attraktiv ist das Leben immer da, wo man sich wohlfühlt, wo man sicher ist und wo die Infrastruktur gut ist. Das umschreibt unseren Arbeitsauftrag.

    SPD:

    Wenn wir den Augsburgerinnen und Augsburgern in den Stadtteilen diese Frage stellen, weiß fast jeder eine Antwort darauf. Also müssen wir das tun! Wir brauchen eine offene und nachhaltige Bürgerbeteiligung auf Augenhöhe, damit die Stadt mit den Bürgern sowie den Stadträten die besten Lösungen für den jeweiligen Stadtteil entwickeln. Das gilt für alle Bereiche öffentlichen Lebens, vom Verkehr über die Gestaltung von Grünanlagen und öffentlichen Plätzen bis hin zur Angebotsstruktur. Attraktive Stadtteile bieten wohnortnah Kinderbetreuung, Bildungs- und Freizeitangebote genauso wie Angebote für Senioren sowie eine gute Einzelhandelsstruktur.

    Die Grünen:

    Wir machen Stadtteile attraktiv, indem wir Quartiere der kurzen Wege gestalten. Lebensmittelladen, Schule, Kindergarten, Jugendtreff, Bücherei, Bürgertreff, Seniorenberatungsstellen, Ärzte und Pflegeheim sind gut erreichbar. Nachbarschaftshilfen und niederschwellige Angebote ermöglichen Unterstützung. Wir wollen Orte, die nachbarschaftliche Treffen ermöglichen – wie offene Werkstätten, Leihläden, Urban-Gardening-Projekte, Gemeinschaftsräume. Unser Quartier hat gut ausgebaute Fahrradstraßen, auf denen wir gefahrlos unterwegs sein können, und einen attraktiven ÖPNV. Zudem ist unser Quartier ausreichend begrünt.

    AfD:

    Die Attraktivität eines Stadtteils wird durch viele Faktoren gestaltet: Sicherheit, Sauberkeit, Begrünung, Verkehrsinfrastruktur, Parkplätze, Bänke/Gehwege, medizinische Nahversorgung, Kitas, Schulen, Spielplätze, Entfernung zum Arbeitsplatz usw. Da es sich je nach individuellem Bedürfnis stark unterscheidet, was genau einen attraktiven Stadtteil ausmacht, bleiben wir bei den Grundbedürfnissen: Sicherheit, Sauberkeit und eine gute Infrastruktur – medizinisch, sozial, verkehrstechnisch. Und genau in der genannten Priorität. Es ist leicht, für „alles“ zu sein wie die meisten anderen Parteien, aber es ist ehrlicher, die Prioritäten zu benennen.

    Pro Augsburg:

    Viele Stadtteile sind bereits attraktiv und haben ein vielfältiges Stadtteilleben. Noch attraktiver können Stadtteile durch die Schaffung von Begegnungsräumen werden. Die überfällige Pflege von Grünanlagen, Kinderspielplätzen, Sportstätten und Schwimmbädern würde die Attraktivität erhöhen. Es gilt, Arbeitsgemeinschaften und Stadtteilvereine weiter zu fördern, und die Verwaltung sollte bei Veranstaltungen mehr Hilfestellung bieten, um unnötige bürokratische Hürden abzubauen. Hauptamtliche Ansprechpartner könnten unterstützen – in Nachbarstädten, die ähnlich groß sind wie einzelne Augsburger Stadtteile, sind eigene Kulturmanager aktiv.

    Freie Wähler:

    Stadtteile brauchen Orte, an denen sich die Menschen treffen können. Früher waren das oft die Wirtshäuser, heute müssen wir solche Einrichtungen schaffen – am besten in Zusammenarbeit mit den Kirchen, die vielerorts Räume haben, aber immer weniger Gläubige. Ich, Peter Hummel, bin Pfarrgemeinderat in St. Ulrich und Afra und unser Pfarrheim ist seit vielen Jahren ein echter Ort der Begegnung – über alle Konfessionsgrenzen hinweg. Aber: Stadtteile brauchen auch starke Stimmen für die Belange vor Ort. Deshalb sind wir Freien Wähler für die Einführung von Bezirksausschüssen, die auch entscheiden können und nicht nur als Stuhlkreise fungieren.

    Die Linke:

    In den Stadtteilen sollte Kultur in der Alltagspraxis der Menschen verankert sein – also weg von den großen Bühnen und rein in den Alltag der Menschen. Wir fordern Kulturzentren in den Stadtteilen, die die Möglichkeit bieten, eine lokale Kulturszene zu schaffen. Außerdem brauchen wir Stadtteilzentren, die nicht primär autogerecht sind, sondern menschengerecht. Dafür brauchen wir den Ausbau von Radwegen und eine bessere Anbindung der Stadtteile an Bus und Straßenbahn. Die Linke fordert zudem Stadtteilausschüsse für Augsburg.

    ÖDP:

    Augsburgs Stadtteile weisen von ihrer historischen Entwicklung her völlig unterschiedliche Strukturen auf: Das Spektrum reicht vom ehemaligen Straßendorf über eine breit gefächerte Industrielandschaft bis hin zur reinen Wohngegend. Vielfach durchschneiden große Autostraßen die Stadtteile und bilden Trennlinien zwischen den Bewohnern. Hier gilt es anzupacken: Wir müssen die Aufenthaltsqualität in den Vierteln durch Eindämmung des Autoverkehrs, Schaffung neuer grüner Zentren und Nahversorgungseinrichtungen attraktiver gestalten. Für die vielen Gruppen und Vereine muss es vor Ort Möglichkeiten der Begegnung und Betätigung geben.

    Polit WG/DIB:

    Stadtteilinteressen unmittelbar berücksichtigen und Bürgerwünsche ernst nehmen: für die Einführung von Bezirksausschüssen. Mit weiteren Bürgerhäusern wie in Pfersee Kultur, Bildung und Austausch generationenübergreifend fördern. Grünanlagen und Begegnungsorte ohne Konsumzwang. Kreative Freiräume für Kunst und Kultur schaffen, um Talente zu unterstützen. Längere und nähere Einkaufsmöglichkeiten z. B. mit inhabergeführten Spätis. Keine dreckigen Geschäfte im Kiez: Mehr öffentliche Toiletten und Duschen, Kondomautomaten, Aschenbecher, Mülleimer. Durchgangsverkehr verringern und bessere und günstige Anbindung mit dem ÖPNV.

    FDP:

    Attraktive Viertel sind gut an den ÖPNV angeschlossen und verfügen über eine ausgewogene Mischung aus Wohnen, Gewerbe, Einkaufsmöglichkeiten, Grünflächen, Sport-, Bildungs- und Kultureinrichtungen. Die in den letzten Jahren entstandenen Neubauviertel sind zumeist aber reine Schlafstätten mit austauschbarer Architektur. Wir wollen historische Bauten, die den Charakter eines Viertels prägen, wieder in die Planung integrieren, statt sie leichtfertig zum Abriss freizugeben. In Augsburg muss man in allen Stadtteilen gerne und sicher leben können – auch im Alter. Deshalb wollen wir die soziale Infrastruktur für Pflegebedürftige vor Ort verbessern.

    Augsburg in Bürgerhand:

    Sie müssen wieder mit eigenständigem Leben erfüllt werden. Dafür muss eine Versorgungsstruktur mit Kleingewerbetreibenden aufgebaut werden. Historische Kerne müssen bewahrt werden. Um Begegnungen zwischen den Menschen zu fördern, braucht es Begegnungs- und Kulturstätten. Im Kulturentwicklungsplan soll die Förderung einer Stadtteilkultur entwickelt werden. Einen niedrigschwelligen Zugang zur Gesundheitsversorgung durch dezentrale Gesundheitszentren soll es für alle geben. In Stadtteilversammlungen werden die Bedürfnisse der Stadtteile ausgedrückt. Mit einem Budget regeln die Stadtteile ihre Angelegenheiten selbst.

    Die Partei:

    Wir Politikerinnen ziehen das Wording vor. Denken Sie an das „Gute-Kita-Gesetz“. Kurzum, eine Umbenennung der Stadtteile würde schon viel bringen. Jako-bervorstadt und Kahnfahrt in Hafen-City, die Stadtmitte in Downtown, Oberhausen in Oriental Quarter oder das Bismarckviertel in Prenzlauer Hills. Anglizismen kommen gut an und bilden die Brücke zu den Amerikanern – die zweite Kulturnation, die nach den Römern Augsburg besetzte.

    Generation Aux:

    Die Stadtteile sollen Orte der Begegnung werden. Durch unser Mobilitätskonzept „Superblocks“, mit dem wir schrittweise alle Stadtteile vom Durchgangsverkehr befreien, entstehen neue Plätze, die als Treffpunkte oder Spielplätze genutzt werden können und Lebensqualität erhöhen. Nahversorgung halten wir für essentiell, wo es keine Läden gibt, sollen Bürger flächendeckend die Möglichkeit haben, mit CO2-neutralen Lieferangeboten die Bedarfe des Alltags zu decken. Wir möchten in allen Augsburger Regionen Bildungszentren für die Stadtteile etablieren, die Menschen unter anderem niederschwelligen Zugang zu digitalen Alltagskompetenzen verschaffen.

    V-Partei3:

    Bis Redaktionsschluss ging kein Statement von der V-Partei ein.

    WSA:

    Es ist wichtig, die Bürger mehr vor Ort zu beteiligen (Workshops/Umfragen). Sie selbst wissen am besten, was ihnen fehlt bzw. was zu verbessern ist. Initiativen wie „Stadtteilplatz statt Parkplatz“ in Pfersee müssen von der Politik aufgegriffen und ernst genommen werden. Wie in der Vergangenheit von der Stadtregierung praktiziert, lediglich Workshops zu veranstalten und dann deren Ergebnisse zu übergehen, ist der falsche Weg. Die Stadtspitze muss die Vorschläge nach Möglichkeit weitestgehend politisch umsetzen. Wichtig ist zudem die Förderung von Stadtteilfesten und Maßnahmen für ein größeres Sicherheitsgefühl wie z. B. am Oberhauser Bahnhof.

    Moritz Bode hat auch schon überlegt, sich in der Kommunalpolitik zu engagieren. Er hat sich aber dagegen entschieden. Bode, 51, arbeitet als Strafverteidiger und lebt seit 1998 in Bergheim. Er bezeichnet den Stadtteil als „Dorf mit den Vorteilen einer Großstadt“. Benkards Heimat Oberhausen-Nord hat fast 9000 Einwohner, 70 Prozent der Bewohner haben Wurzeln im Ausland. Etwa 14 Prozent der Menschen im erwerbsfähigen Alter zwischen 15 und 65 Jahren beziehen hier Hartz IV, das ist einer der höchsten Werte in Augsburg. Das ländliche Bergheim ist der Gegenentwurf. Hier leben 2500 Menschen, gerade mal knapp 15 Prozent haben einen Migrationshintergrund.

    Moritz Bode zog 1998 nach Bergheim und engagiert sich unter anderem dafür, dass der ländliche Charakter des Ortes erhalten bleibt.
    Moritz Bode zog 1998 nach Bergheim und engagiert sich unter anderem dafür, dass der ländliche Charakter des Ortes erhalten bleibt. Foto: Peter Fastl

    Seine Frau war 1998 mit dem ersten Kind schwanger, die junge Familie zog es vor allem ins Grüne. „Es ist die Nähe zur Natur und zu den Westlichen Wäldern, die Bergheim auszeichnet“, sagt Bode, der aus Pforzheim in Baden-Württemberg stammt und zum Jurastudium nach Augsburg kam. In Bergheim fand er schnell Anschluss und engagierte sich in der dortigen Umweltinitiative. Neun Jahre war er auch Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft der Bergheimer Vereine, an der Spitze der Umweltinitiative steht er noch immer. Das Engagement sei erfüllend, sagt er, auch so könne er viel für den Stadtteil bewegen – ohne politisches Amt. Für Bergheim sieht Bode die Herausforderung, dass das ländliche Erscheinungsbild erhalten bleibt.

    Bergheim: Es gab Krach um ein geplantes Neubaugebiet am Ortsrand

    Er weiß, dass neue Wohnungen entstehen müssen. Auch in Bergheim. Aber, meint er, in verträglichem Maß. Wie sehr ein Bauprojekt einen Stadtteil auch spalten kann, hat er selbst erlebt. Die Umweltinitiative sprach sich gegen ein Neubaugebiet auf einer Wiese am Ortsrand aus und sammelte zahlreiche Unterschriften dagegen. Doch es gab auch Befürworter. Nicht zuletzt bei jenen, die mit dem Verkauf des Grunds Geld verdienen könnten. Vorläufig liegt das Projekt politisch auf Eis. In der Stadtregierung von CSU, SPD und Grünen hatte es für Zwist gesorgt. Die Gräben, sagt Bode, seien in Bergheim aber nicht so tief, dass sich Befürworter und Gegner nicht mehr in die Augen schauen könnten. „Man muss sachlich miteinander umgehen, dann kann man auch unterschiedliche Meinungen aushalten“, sagt Bode.

    Janina Hägele, 31, musste es aushalten, dass das Projekt, welches sie mit ihren Mitstreitern verfolgte, zuerst fast aussichtslos wirkte. Als sie im Jahr 2016 den Vorsitz des Feuerwehrvereins in Lechhausen übernahm, schien der Weg zu einer echten freiwilligen Feuerwehr in dem Stadtteil noch weit. Es gab genügend Freiwillige, doch bei der Stadt hielt sich die Begeisterung über das Engagement für eine neue Stadtteil-

    Die Kölnerin Janina Hägele (Mitte) fand schnell Anschluss und ist Chefin des Feuerwehrvereins, hier mit der Vize-Vorsitzenden Sandra Hartmann-Franke und Kommandant Franz Ranzinger.
    Die Kölnerin Janina Hägele (Mitte) fand schnell Anschluss und ist Chefin des Feuerwehrvereins, hier mit der Vize-Vorsitzenden Sandra Hartmann-Franke und Kommandant Franz Ranzinger.

    Es hat nicht lange gedauert, bis sich Janina Hägele als echte Lechhauserin gefühlt hat. Sie ist so, wie man sich eine Kölnerin vorstellt, offen und meist zu einem Scherz aufgelegt. Sie sagt: „Vielleicht hat es geholfen, dass ich nicht auf den Mund gefallen bin.“ Der Feuerwehrverein engagiert sich auch im Leben des Stadtteils – etwa mit einem Stand beim Marktsonntag oder beim Auf- und Abhängen der Weihnachtsdekoration. „Eine Feuerwehr muss im Stadtteil präsent sein“, ist Janina Hägele überzeugt. So ist es dem neuen Verein auch gelungen, in wenigen Jahren fast 180 Mitglieder zu gewinnen. Was sie an Lechhausen schätzt: „Es ist Großstadt und Dorf in einem.“ Auch das Selbstbewusstsein der Lechhauser hat Janina Hägele von Anfang an gefallen. Schon früh habe man ihr erklärt: Lechhausen liegt auf der östlichen Seite des Lechs, und damit im „echten“ Bayern.

    Der Hofflohmarkt bringt die Bewohner des Bismarckviertels in Augsburg zusammen

    Freiwillige Feuerwehren gibt es in anderen Stadtteilen schon lange. Ein neueres Phänomen sind die Hinterhofflohmärkte. Der größte findet im Bismarckviertel statt, dieses Jahr steht schon die fünfte Auflage an. Lea Demirbas hat den Flohmarkt gemeinsam mit drei Freundinnen aus der Taufe gehoben. Der Entschluss dazu, erzählt sie, sei aus einer Weinlaune heraus entstanden. „Wir haben nicht geahnt, wie viel Arbeit damit verbunden ist“, sagt die PR-Expertin. „Sonst gäbe es den Markt wohl nicht.“ Doch Trotz des Aufwands: Die Freude und der Spaß überwiegen. „Man kommt mit vielen Menschen in Kontakt und lernt das Viertel ganz anders kennen.“ Auch in den Häusern, die sich beteiligten, wachse der Zusammenhalt. Viele sitzen nach dem Flohmarkt abends noch in ihren Höfen zusammen und feiern.

    Aus Liebe zum Bismarckviertel: Lea Demirbas (rechts) organisiert mit Freundinnen - hier im Bild mit Marlene Kröhnert (links) und Mara Meyel – den Hinterhofflohmarkt.
    Aus Liebe zum Bismarckviertel: Lea Demirbas (rechts) organisiert mit Freundinnen - hier im Bild mit Marlene Kröhnert (links) und Mara Meyel – den Hinterhofflohmarkt. Foto: Michael Hochgemuth

    Lea Demirbas lebt seit rund 20 Jahren – mit nur kurzer Unterbrechung – im Bismarckviertel. Als sie 16 Jahre alt war, zog sie mit ihrer Mutter hierher. Was sie an dem Viertel schätzt: Es liegt nahe an der Innenstadt, ist aber weniger anonym. Man kennt sich hier noch beim Bäcker. Das Viertel ist beliebt. Der Wohnungsmarkt eng, die Angebote entsprechend teuer. Das Beispiel der Hinterhofflohmärkte indes zeigt: Auch mitten in der Großstadt gibt es ein Bedürfnis nach Kontakten und Nachbarschaft. Das geschieht vielleicht weniger über klassische Vereine, dafür mit neuen Initiativen. Eine von Demirbas’ Mitstreiterinnen ist kürzlich in die Jakobervorstadt umgezogen und engagiert sich jetzt dort. Am 18. Juli wird es auch in der Jakobervorstadt einen ersten Hofflohmarkt geben.

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