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Kommentar: Wer Waffen liefert, ist noch lange nicht Kriegspartei

Kommentar

Wer Waffen liefert, ist noch lange nicht Kriegspartei

Simon Kaminski
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    Sahra Wagenknecht und Alice Schwarzer haben ein viel diskutiertes Manifest verfasst, in dem sie klar Stellung gegen Waffenlieferungen an die Ukraine beziehen.
    Sahra Wagenknecht und Alice Schwarzer haben ein viel diskutiertes Manifest verfasst, in dem sie klar Stellung gegen Waffenlieferungen an die Ukraine beziehen. Foto: Christophe Gateau, dpa

    Die Ängste sind unbestreitbar da, die Urängste, dass Deutschland in einen Krieg hineingezogen wird. Ja, sogar die Furcht vor einem Atomkrieg ist so präsent wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Eine Thematik, die seit dem Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine wachsende Teile der Bevölkerung umtreibt, wie Umfragen zeigen. Nicht nur Politiker und Politikwissenschaftler analysieren die Lage, sondern auch die für solche Fragen prädestinierten Völkerrechtler. 

    Nun könnte man einwenden, dass theoretische Betrachtungen von Juristen wenig nützen, wenn die nukleare Keule Leid und Tod über Millionen von Menschen zu bringen droht. Doch das wäre zu kurz gegriffen. Auch wenn Moskau internationales Recht täglich mit Füßen tritt, so hat das Völkerrecht nach wie vor eine hohe Relevanz. Offensichtlich auch für Russland, denn der Kreml wirft Kiew regelmäßig Verstöße gegen dasselbe vor. Der russische Präsident Wladimir Putin rechtfertigte den Überfall seiner Streitkräfte auf die Ukraine damit, dass es galt, einen Völkermord zu verhindern. Eine absurde Konstruktion, die aber immerhin entlarvt, dass der Diktator Putin sehr wohl weiß, dass Hinweise auf Völkerrechtsverletzungen eine gewisse Durchschlagskraft entwickeln können. 

    Insbesondere Vertreter der Linken und der AfD warnen vor einer Verwicklung in den Ukraine-Krieg

    Hierzulande hat sich eine Diskussion aufgebaut, in der es darum geht, inwieweit Waffenlieferungen an die ukrainischen Streitkräfte Deutschland zur Kriegspartei machen könnten, sprich, ob sie Angriffe auf das Land von russischer Seite völkerrechtlich legitimieren würden. Insbesondere Vertreter der Linken und der rechten AfD warnen genau vor diesem Szenario. Der derzeit wohl profilierteste deutsche Völkerrechtler Claus Kreß bietet für solche Thesen keinerlei Rückendeckung. 

    Der Professor, der an der Uni Köln lehrt und den Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag berät, ordnet den russischen Angriff als die „schwerst denkbare Verletzung des völkerrechtlichen Gewaltverbots“ ein. Dementsprechend weitgehend sind nach der Auffassung des 56-Jährigen auch die Möglichkeiten der internationalen Gemeinschaft, der Ukraine zur Hilfe zu kommen. Auf Deutschland gemünzt bedeutet das konkret: „Deutschland dürfte noch viel mehr tun“, wie Kreß dem Spiegel sagte. Waffenlieferungen jeder Art – egal, ob Kampfpanzer oder auch Kampfjets – würden das Völkerrecht keinesfalls verletzen. Das gilt auch für den Fall, dass die Bundeswehr „direkt militärisch an der Seite der Ukraine in den Konflikt eingreifen“ würde. Solch ein Einsatz wäre, gestützt auf das „kollektive Selbstverteidigungsrecht“, vom Völkerrecht gedeckt. Doch sowohl Berlin als auch die Nato haben immer wieder erklärt, dass eine direkte Kriegsbeteiligung nicht infrage komme. 

    Bundeskanzler Olaf Scholz vor einem getarnten Kampfpanzer Leopard 2 . Vielen Deutschen macht die Lieferung schwerer Waffen an die Ukraine Angst. Völkerrechtlich sind sie zulässig, ohne Kriegspartei zu werden.
    Bundeskanzler Olaf Scholz vor einem getarnten Kampfpanzer Leopard 2 . Vielen Deutschen macht die Lieferung schwerer Waffen an die Ukraine Angst. Völkerrechtlich sind sie zulässig, ohne Kriegspartei zu werden. Foto: Moritz Frankenberg, dpa

    Eine ganz andere Frage ist, wann Deutschland Kriegspartei werden würde. Für Kreß ist die Grenze dafür eindeutig definiert: Dieser Punkt sei erst dann erreicht, wenn die Luftwaffe der Bundeswehr oder mit deutschen Soldaten besetzte Leopard-Panzer direkt an den Kampfhandlungen in der Ukraine teilnehmen würden. Es gibt allerdings noch eine zweite Variante. Deutschland wäre in dem Moment Teil eines militärischen Konflikts, in dem Russland ein Nato-Mitglied angreift. 

    An diesem Punkt greift die Kritik vieler Gegner von Waffenlieferungen, wie Alice Schwarzer und Sahra Wagenknecht. Ihre Sorge ist, dass der Westen mit der militärischen Unterstützung Kiews Moskau so weit in die Enge treibt, dass es tatsächlich zu einer solchen Eskalation kommt. Das Problem an dieser Sichtweise ist allerdings, dass sie sich auf die russische Strategie einlässt. Moskau setzt darauf, dass der Westen die Hilfe zur Selbstverteidigung gegen einen völkerrechtsverachtenden Angreifer aus Furcht, selbst Kriegspartei zu werden, eines Tages verweigert. Doch das wäre eine Kapitulation vor Unrecht und Gewalt, die zur Nachahmung einladen würde. 

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