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Kommentar: Tödliche Attacke in Augsburg: Es gibt kein Recht auf eigene Fakten

Kommentar

Tödliche Attacke in Augsburg: Es gibt kein Recht auf eigene Fakten

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    Am Königsplatz in Augsburg ist ein Mann Opfer einer Prügelattacke geworden.
    Am Königsplatz in Augsburg ist ein Mann Opfer einer Prügelattacke geworden. Foto: Silvio Wyszengrad

    Journalismus ist kein Beruf für Helden. Das soll nicht heißen, dass es nicht durchaus heldenhafte Journalisten gibt. Aber wer diesen Beruf ergreift, um sich jeden Tag als Weltretter feiern zu lassen, hat den Beruf ziemlich sicher verfehlt.

    Journalismus ist: in erster Linie Handwerk. Das verbindet uns etwa mit Polizisten. Wir alle müssen Fakten zusammentragen, Fakten auch beschützen, damit diese Gesellschaft funktioniert. Ohne faktentreue Medien klappt Demokratie nicht. Ohne den Fakten verpflichtete Polizisten ebenfalls nicht.

    Vor ziemlich genau einer Woche standen all diese Leitlinien auf einmal im Kreuzfeuer. Am späten Abend ereignete sich das furchbare Tötungsdelikt auf dem Augsburger Königsplatz. Schon wenig später war in „sozialen Netzwerken“ vielen ganz vieles klar. Etwa, dass eine Vertuschung der Täternationalität liefe, orchestriert, na klar, von Medien und Polizei.

    Tödliche Attacke am Kö: In einem Rechtsstaat zählen die Fakten

    Nur, klar war da noch gar nichts. Es wurde ermittelt, es wurden Fakten zusammengetragen, es wurde recherchiert. Man muss – Handwerk! – in solchen Fällen alles untersuchen, alle Fakten prüfen. Man muss in einem demokratischen Rechtsstaat auf der Basis von Fakten handeln, statt mit Vorurteilen oder Vorverurteilungen.

    Feuerwehrmann Königsplatz Tötungsdelikt Polizeipräsenz, starke Polizeipräsenz am Königsplatz nachts am Tatort
Gedenken unter Polizeischutz
    Feuerwehrmann Königsplatz Tötungsdelikt Polizeipräsenz, starke Polizeipräsenz am Königsplatz nachts am Tatort Gedenken unter Polizeischutz Foto: Annette Zoepf

    Das ist unsere Währung als freie Presse, genau wie die der Justiz. Und diese verliert auch nicht ihren Wert nach der Festnahme der mutmaßlichen Täter – als manche der zuvor so lauten Beobachter enttäuscht wirkten, dass es sich nicht um „echte“ Flüchtlinge handelte, aber doch erleichtert, dass diese immerhin Migrationshintergrund aufwiesen (es ist übrigens erstaunlich, wie viele sich wahnsinnig für Täter interessieren, für Opfer jedoch erstaunlich wenig).

    Doch was erklärt das genau? Unser Autor Stefan Krog schrieb: „Ob Jugendliche kriminell werden oder nicht, entscheidet nicht der genetische, sondern der soziale Hintergrund. Wer in schwierigen Verhältnissen aufwächst, und das ist bei Jugendlichen mit Migrationshintergrund etwa aufgrund schlechterer Sprachkenntnisse der Fall, wird nicht automatisch kriminell, aber er hat ein höheres Risiko. Das ist keine Entschuldigung, aber eine Erklärung. Und in einer aufgeklärten Gesellschaft sind Erklärungen der Ansatz für Lösungen.“

    Journalisten wägen ab, wie groß das öffentliche Interesse ist

    Krog hat dafür Zuschriften bekommen, die ich Ihnen nicht vorenthalten will. Darin steht etwa (für einen so stolzen Deutschen übrigens mit erstaunlich vielen Rechtschreibfehlern, die ich Ihnen hier erspare): Ihr Dreckslumpen von der Müllpresse, macht das Maul zu. Wer wie Ihr sein Vaterland verrät und die eigene Fahne hasst, gehört aus dem Land gejagt. Elende Dreckspresse, in die Tonne mit Euch! Wieso eigentlich habt Ihr Dreckschweine die Nationalitäten der Weihnachtsmarktmörder geheim zu halten versucht? Wenn das Volk in Augsburg aufsteht, wird die Redaktion dieses Drecksblattes brennen und Ihr Journutten werdet das Laufen lernen und doch wird man Euch einholen und der Gerechtigkeit zuführen, Gnade euch Gott. Dann werdet Ihr bezahlen!“

    Dazu nur kurz: Weder die Polizei noch wir Medien machen es uns leicht, wenn es um die Nennung von Nationalitäten geht. Polizisten wägen das Ermittlungsinteresse ab, wir das öffentliche Interesse. Uns für derlei Abwägung zu beschimpfen (wie auch den Oberbürgermeister Kurt Gribl, als er es wagte, in einer Traueranzeige für den getöteten Feuerwehrmann Vorverurteilungen zu vermeiden), verhöhnt demokratische Abwägung, die uns gerade von Autokratien unterscheidet.

    Viele der wütendsten Zuschriften enden übrigens mit dem Hinweis, auch „alternative Medien“ würden informieren. Es ist natürlich das Recht eines jeden Demokraten, sich eigenen Medien zuzuwenden. Aber es gibt in einer Demokratie kein Recht auf eigene Fakten.

    Übersicht: Alle Artikel zur tödlichen Attacke in Augsburg auf einen Blick

    In einer aktuellen Folge unseres Podcasts erklärt Reporter Stefan Krog die Hintergründe der Tat am Königsplatz – und erzählt, wie Journalisten mit dem Fall umgehen. Den Podcast "Augsburg, meine Stadt" finden Sie auf Spotify, iTunes und überall sonst, wo es Podcasts gibt.

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