Startseite
Icon Pfeil nach unten
Augsburg
Icon Pfeil nach unten

Kommentar: Rassismus-Debatte: Müssen auch Augsburger Denkmale stürzen?

Kommentar

Rassismus-Debatte: Müssen auch Augsburger Denkmale stürzen?

Jörg Heinzle
    • |
    Eine anonyme Initiative forderte im Zuge der aktuellen Rassismus-Debatte, auch in Augsburg müssten Denkmale gestürzt werden. Als Beispiel wurden die Fuggerdenkmale – hier eine Büste von Jakob Fugger – genannt, da die Kaufmannsfamilie zumindest indirekt einst auch vom Sklavenhandel profitierte.
    Eine anonyme Initiative forderte im Zuge der aktuellen Rassismus-Debatte, auch in Augsburg müssten Denkmale gestürzt werden. Als Beispiel wurden die Fuggerdenkmale – hier eine Büste von Jakob Fugger – genannt, da die Kaufmannsfamilie zumindest indirekt einst auch vom Sklavenhandel profitierte. Foto: Silvio Wyszengrad

    Der Tod von George Floyd in den USA durch Polizeigewalt hat eine Debatte ausgelöst, die um die ganze Welt geht. Auch in Augsburg gibt es jetzt Demonstrationen gegen Rassismus. Und man stellt sich die Frage: Gibt es auch bei uns ein Problem, von dem man selbst, wenn man nicht betroffen ist, gar nicht viel mitbekommt?

    Haben wir den Rassismus, dem Menschen mit dunkler Hautfarbe im Alltag ausgesetzt sind, unterschätzt? Müssen wir uns mit diesem Thema mehr beschäftigen – auch wenn es mühsam ist und angesichts anderer gegenwärtiger Probleme scheinbar nicht so gewichtig erscheint?

    Wer das Grundgesetz, über das in diesen Tagen wegen Corona viel gesprochen wird, liest und es ernst meint mit dem Vorsatz, dass die Würde des Menschen unantastbar ist, der kann daraus nur den Auftrag ablesen, dass wir uns mit Rassismus im Alltag auseinandersetzen müssen – und zwar in unserem Alltag, in unserer Stadt, in unserer Straße. Auch bei uns werden, wie es Betroffene jüngst bei einer Demonstratin in Augsburg berichteten, Menschen auf offener Straße als „Neger“ beschimpft. Doch was bedeutet das alles? Müssen jetzt auch in Augsburg Denkmale vom Sockel gehoben und Zeichen von Rassismus aus dem Stadtbild getilgt werden?

    Muss das Standbild von Fugger entfernt werden, wie eine anonyme Initiative fordert?
    Muss das Standbild von Fugger entfernt werden, wie eine anonyme Initiative fordert? Foto: Michael Hochgemuth

    Eine anonyme Initiative hat zum Beispiel gefordert, das Standbild von Jakob Fugger am Fuggerplatz in der Innenstadt zu entfernen. Auch die Fugger seien schließlich in den Kolonialismus und die Ausbeutung von Menschen verwickelt gewesen. Und es stimmt ja auch: Die Fugger waren zu der Zeit, als sie ihr großes Handelsimperium aufbauten, nicht nur die Wohltäter, die in Augsburg mit der Fuggerei eine heute weltberühmte Sozialsiedlung schufen. In den Bergwerken der Fugger schufteten, etwa beim gefährlichen Quecksilberabbau in Almadén in Spanien, auch Sträflinge und vermutlich auch Sklaven aus Nordafrika. Die Fugger waren zwar nicht aktiv in den Sklavenhandel eingebunden. Sie profitierten aber sehr wohl davon und finanzierten den Handel mit. Die von ihnen gehandelten Metalle dienten als wichtiges Zahlungsmittel im Geschäft mit Sklaven. Auch an der Niederschlagung von Bauernaufständen in unserer Region waren sie beteiligt.

    Die Fugger sind untrennbar mit Augsburg verbunden

    Das alles ist lange her und es waren eben andere Zeiten? So einfach kann man es sich nicht machen. Es geht, wie so oft, darum, zu differenzieren. Natürlich haben die Fugger Großes geschaffen, natürlich waren sie Visionäre, die noch heute beeindrucken. Sie sind untrennbar mit Augsburg verbunden und es wäre nicht nur unmöglich, sondern absurd, sie aus dem Stadtbild tilgen zu wollen. Aber ist es undenkbar, am Fuggerplatz nicht auch eine Skulptur aufzustellen, die zum Beispiel an die geknechteten Arbeiter in Bergwerken erinnert? 

    Ähnlich, aber auch ein Stück weit kritischer, verhält es sich beim zweiten großen Handelsgeschlecht aus Augsburg, den Welsern. Sie allerdings waren direkt in den Sklavenhandel verwickelt und verdienten damit Geld. Zwischen 1529 und 1538 verschleppte die Welser-Gesellschaft 1005 Sklaven und verkaufte sie außerhalb Venezuelas. Bis ins Jahr 1536 waren die Welser durch ihre Handels- und Expeditionsschiffe Teil des Sklavenhandels und unternahmen 45 Transporte von versklavten Personen. Die Welser waren visionäre Kaufleute und haben der Stadt viel hinterlassen, aber diese Schattenseite kann man nicht einfach ausblenden. Im Fugger-und-Welser-Museum wird darauf zu recht eingegangen.

    Rund 3000 Augsburger haben am Samstag dem getöteten Afroamerikaner George Floyd gedacht und vor der Erhard-Wunderlich-Sporthalle gegen Rassismus demonstriert.
    Icon Galerie
    44 Bilder
    Rund 3000 Augsburger haben am Samstag des getöteten Afroamerikaners George Floyd gedacht und vor der Erhard-Wunderlich-Sporthalle gegen Rassismus demonstriert.

    Ob man unbedingt einen Platz in der Annastraße nach den Welsern benennen musste, wie erst 2011 geschehen, darüber kann man streiten. Und ob eine Berufsschule für angehende kaufmännische Beschäftigte nach den Welsern benannt sein muss, darf man auch hinterfragen. Bei einer Schule ist es ja noch einmal anders: Der Name steht auch für den Geist und die Werte, die an einer Schule gelebt werden sollen, was vor einiger Zeit auch bei der Diskussion um die Werner-Egk-Schule in Oberhausen deutlich wurde.

    Der Name des Hotel Drei Mohren wird seit einiger Zeit kritisch diskutiert.
    Der Name des Hotel Drei Mohren wird seit einiger Zeit kritisch diskutiert. Foto: Silvio Wyszengrad

    Anders gelagert, aber ein Dauerbrenner vergangener Jahre, ist das Hotel Drei Mohren. Es trägt den Namen seit Jahrhunderten – in Anlehnung an die Überlieferung, dass einst drei dunkelhäutige abessinische Mönche dort beherbergt wurden. Bisher hat das Hotel am Namen trotz Kritik festgehalten. Und es ist ja nur ein Name, könnte man sagen. Aber das ist aus dem Blickwinkel eines nicht Betroffenen einfach. Vielleicht zu einfach. Voriges Jahr verließ die dunkelhäutige Hauptdarstellerin des „Jesus-Christ“-Musicals auf der Freilichtbühne entsetzt das Hotel, in dem sie übernachten wollte. Das zeigt, dass der Name verletzen kann. Die Debatte um Rassismus wird vielleicht abebben, aber sie wird wiederkommen. Es scheint fraglich, ob die Drei-Mohren-Eigner ihren Kurs auf Dauer durchhalten können. Vielleicht wird das Haus doch einmal „Drei Mönche“ heißen. Und eine Tafel am Gebäude wird an den alten Namen erinnern und erklären, wie es zur Umbenennung kam. Wäre das so schlimm?

    Lesen Sie auch:

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden