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Kommentar: Der Augsburger Nahverkehr wird schlechter geredet als er ist

Kommentar

Der Augsburger Nahverkehr wird schlechter geredet als er ist

Stefan Krog
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    Beim Busangebot der Stadtwerke wird es ab 20. März zu Einschränkungen kommen.
    Beim Busangebot der Stadtwerke wird es ab 20. März zu Einschränkungen kommen. Foto: Silvio Wyszengrad

    Die Ausdünnung im Augsburger Busfahrplan ab 20. März wird Fahrgäste unangenehm treffen, aber die seit Bekanntwerden der Pläne laufende Diskussion schlägt über die Stränge. Die Stadtwerkeführung und die Stadtregierung haben versagt, behauptet die Opposition. Die

    Nein, in dieser Tonalität polemischer Unsinn. Der Nahverkehr ist ein beliebtes Thema, um draufzuhauen. Das war schon bei der Tarifreform von 2018 der Fall – sie hatte Gewinner und Verlierer, und ob dieses Verhältnis ausgewogen, war, kann man politisch diskutieren. Aber vom prognostizierten Absturz der Fahrgastzahlen war in der Zeit bis zum Beginn der Corona-Pandemie erst einmal wenig zu bemerken.

    Nun wird als Nächstes die Einschränkung beim Fahrtenangebot durchs Dorf getrieben. Und ja, das ist kein Anlass zum Jubeln: Der nachmittägliche Fünf-Minuten-Takt aus Vor-Corona-Zeiten ist inzwischen weit weg, und ob er jemals wiederkommt, ist ungewiss. Wenn die Stadtwerke aktuell aber nur 85 Prozent der Fahrgäste haben, haben sie auch weniger Einnahmen. Theoretisch könnten die Verkehrsbetriebe natürlich einen dichteren Takt fahren, aber die Mehrkosten schlagen dann bei der nächsten Tarifanpassung (zusätzlich zu den höheren Treibstoff- und Personalkosten) durch. Die Stadt will nicht dafür aufkommen, und bei den Fahrgästen dürfte das ähnlich sein.

    Diskussion um Nahverkehr in Augsburg: Weniger Fahrer, weniger Fahrten

    Die Frage ist ohnehin akademisch, weil es zu wenig Fahrpersonal dafür gäbe. Seit dem Herbst gibt es Einschränkungen am frühen Abend. Ab 20. März werden dann Busse tagsüber nur noch im 20- statt im 15-Minuten-Takt fahren. Abgesehen von den Hauptverkehrszeiten ist das eine Reduzierung um 25 Prozent. Das hört sich dramatisch an, bedeutet in der Praxis aber eine längere Wartezeit von maximal fünf Minuten gegenüber heute. Auch Einschränkungen am Abend und sonntags wird es geben. Das macht den Nahverkehr unattraktiver, stimmt. Und für einige Fahrgäste im Schichtdienst wird er vielleicht so unattraktiv, dass sie abspringen. 

    Aber das wird nicht der Punkt sein, an dem die Verkehrswende scheitert. Momentan bemühen sich anscheinend viele, den Nahverkehr in Augsburg möglichst schlecht zu reden, und vielleicht geschieht das mit Hintergedanken. Bei der Tarifreform mussten sich CSU und Grüne hinterher der Kritik stellen, dem ungeliebten Preiswerk ja zugestimmt zu haben. Jetzt geht man gleich in die Offensive. Man kann gespannt sein, ob haklige Verkehrswendeprojekte im Stadtrat künftig mit der Begründung abgelehnt werden, dass der Nahverkehr als Alternative ja so schlecht geworden sei. Das wäre doppelzüngig. 

    Ausgedünnter Fahrplan in Augsburg: Auch in anderen Städten wird auch gestrichen

    In der Debatte wird aktuell so getan, als ob es eine Entscheidung wäre, bei der die Stadtwerke eine große Wahl haben. Die Rechnung ist einfach: weniger Fahrpersonal bedeutet weniger Fahrten. Großzügig ausgeblendet wird von Kritikern, dass es sich um kein Augsburger Phänomen handelt. Eine kleine Auswahl:

    • München: Seit Herbst herrscht auf zehn Buslinien ein etwas ausgedünntes Angebot mit unterschiedlichen Taktzeiten. 
    • Nürnberg: Acht Buslinien sind seit Ende Februar auf einen 20- oder 30-Minuten-Takt umgestellt. 
    • Leipzig: Drei Straßenbahnlinien fahren aufgrund von Personalmangel im 20-Minuten-Takt, auch beim Bus gibt es Einschränkungen.
    • Köln: Bei der Stadtbahn gilt teils ein 20-Minuten-Takt, auch tagsüber. 
    • Berlin: Seit August 2022 gilt auf vielen Buslinien ein eingeschränktes Angebot, meist mit 20-Minuten-Takt.

    Der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) geht nach einer Branchenumfrage davon aus, dass im vergangenen Jahr die Hälfte der deutschen Bus- und Bahnunternehmen den Fahrplan einschränken musste. Gründe: Krankheitswellen im Zusammenspiel mit Personalmangel. Und die Mehrheit der Unternehmen sagt, dass es nicht so einfach sei, neue Kräfte zu finden. Augsburg ist eine von vielen Städten. 

    Statt die Stadtwerke jetzt mit Protesten zu überhäufen, wäre es politisch geboten, sie nach der mittelfristigen Perspektive zu fragen. Denn der branchenweite Fahrermangel wird dauerhaft tatsächlich zum Problem. Fahrer im Ruhestand noch teilzeitzuverpflichten, kann nur Teil der Lösung sein. Es wird um die Bezahlung gehen müssen, aber auch darum, den Beruf attraktiver zu machen. Früher oder später wird auch eine Frage sein, wie man mit Personalrekrutierung aus dem Ausland umgeht, mit allen Problemen (Sprache, Unterkunft), die damit einhergehen. Hier sind die Stadtwerke Antworten schuldig. 

    Verkehrswende: Das Beschleunigungsprogramm kommt langsam

    Und für eine Verkehrswende muss in der Zwischenzeit auch an anderen Schrauben gedreht werden: Der Nahverkehr in Augsburg muss schneller werden, weil aus Fahrgastsicht das Auto häufig doch noch einen teils erheblichen Zeitvorteil bietet. Dazu müssen die Stadtwerke wieder ein Taktschema entwerfen, in dem Anschlüsse gesichert sind, weil man sich seit Corona fahrplantechnisch in einem Interimszustand befindet. Und auch die Stadt muss sich bewegen: Vom Nahverkehrs-Beschleunigungsprogramm, das CSU und Grüne, die nun die Verkehrswende gefährdet sehen, vor einem guten Jahr beantragt hatten, ist bisher wenig zu hören. 

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