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Klimacamp Augsburg: Was bedeutet das Urteil?

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Was bedeutet das Gerichtsurteil fürs Augsburger Klimacamp?

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    Das Klimacamp ist aktuell auf den Moritzplatz umgezogen, nachdem der Fischmarkt neben dem Rathausplatz wegen Steinschlaggefahr vom Perlachturm gesperrt ist.
    Das Klimacamp ist aktuell auf den Moritzplatz umgezogen, nachdem der Fischmarkt neben dem Rathausplatz wegen Steinschlaggefahr vom Perlachturm gesperrt ist. Foto: Silvio Wyszengrad

    Was sich am Montag in der Gerichtsverhandlung schon andeutete, ist seit Dienstag amtlich: Die Stadt hat im Streit über das Klimacamp vor Gericht zum zweiten Mal eine Niederlage erlitten. Der Bescheid der Stadt Augsburg, mit dem das

    Es trifft nämlich nur eine Aussage dazu, ob das Klimacamp in den ersten zehn Tagen bis zum 10. Juli 2020, als der Bescheid der Stadt zur Auflösung erging, eine Demonstration war. Eine Grundsatzklärung, ob Demos auch mehrere Jahre lang dauern dürfen und dafür öffentliche Plätze für sich beanspruchen können, wird das Urteil nicht enthalten. Allerdings haben die Münchner Richter, wie am Dienstag bekannt wurde, der Stadt offengelassen, noch in die dritte Instanz vor das Bundesverwaltungsgericht zu ziehen. Für diese Entscheidung hätte die Stadt nach Prüfung des Urteils einen Monat Zeit. Viel zu gewinnen wäre dadurch aber auch nicht: Auch in der Revision ginge es wohl "nur" um die Rechtmäßigkeit des Bescheids vom 10. Juli.

    Klimacamp: Stadt Augsburg will Urteilsbegründung abwarten

    Die Stadt wollte sich am Dienstag weder zur Entscheidung noch zum weiteren Vorgehen hinsichtlich des Klimacamps äußern. Auch dass das Gericht keine Grundsatzentscheidung fällen wollte, wie sie sich die Stadtverwaltung erhofft hatte, blieb unkommentiert. Man wolle zunächst die Urteilsbegründung abwarten, so eine Stadtsprecherin. Dann werde man sich äußern.

    Womöglich hofft die Stadt doch noch, in der Urteilsbegründung etwas zu finden, was sich als Handlungsanweisung für die Zukunft interpretieren ließe. Denn egal, ob die Stadt das polarisierende Klimacamp weiterlaufen lässt oder einen erneuten Anlauf unternimmt, es loszuwerden - Oberbürgermeisterin Eva Weber und Ordnungsreferent Frank Pintsch (beide CSU) werden ihr Vorgehen begründen müssen, rechtlich wie politisch. Rechtlich hätte die Stadt trotz der Zurückweisung der Berufung die Möglichkeit, heute oder morgen den nächsten Bescheid ans Klimacamp zu verschicken, in dem abermals die Eigenschaft einer Demonstration aberkannt wird - dann aber für einen Zeitraum nach dem 10. Juli 2020 oder mit einer anderen Begründung. Es wäre aber wohl ein Kunststück, politisch zu vermitteln, diesen Schritt erneut zu gehen, nachdem man damit – allerdings nur bezogen auf den begrenzten Zeitraum der ersten zehn Tage – in zwei Instanzen vor Gericht auf die Nase fiel.

    Die Grünen als Koalitionspartner der CSU hatten den Räumungsbescheid fürs Klimacamp noch zähneknirschend mitgetragen, beim Einlegen der Berufung durch die Stadt aber gemurrt - wenn auch in einer Lautstärke, die den Koalitionsfrieden nicht gefährdete. Am Dienstag hieß es aus der Grünen Rathausfraktion, dass man die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs begrüße. "Es ist ein guter Tag für die Klimaschutzbewegung in Bayern", so Fraktionsvorsitzender Peter Rauscher. "Die Aktivisten und Aktivistinnen können ihren wichtigen Protest also fortführen", so Rauscher über die grüne Lesart des Urteils, die wohl auch als Wink in Richtung der CSU zu verstehen ist.

    Bayerischer Verwaltungsgerichtshof: "Vernünftige Basis für die Zukunft"

    Das Gericht legte der Stadt am Montagabend in der Verhandlung, als sich die Niederlage schon abzeichnete, nahe, die Berufung zurückzunehmen. Stadt und Klimacamp sollten lieber versuchen, "eine vernünftige Basis für die Zukunft zu bekommen". Dass es keine Grundsatzentscheidung geben werde, begründete VGH-Vizepräsident und Vorsitzender Richter Reinhard Senftl damit, dass nur der städtische Bescheid vom 10. Juli 2020 Gegenstand des Verfahrens sei. Gegen ihn hatte das Klimacamp erfolgreich in erster Instanz geklagt, gegen dieses Urteil wiederum ging die Stadt in Berufung. "Dieser Rechtsstreit wurde von allen Seiten und der Presse hochgepusht. Grundsatzfragen werden nicht entschieden", so Senftl. Das gebe die Fallkonstellation nicht her.

    Gleichwohl gab auch das Gericht zu, dass Fragen zum Umgang mit Dauerdemos noch nicht abschließend geregelt seien. "Mit der Feststellung, dass etwas von der Versammlungsfreiheit geschützt ist, ist nicht gleichzeitig festgestellt, dass etwas dauerhaft toleriert werden muss", so Senftl. Bei den sich vor einigen Jahren wiederholenden Pegida-Demos habe sich die rechtliche Abwägung zwischen Versammlungsfreiheit und Beeinträchtigungen für Bürger oder Verkehr mit zunehmender Dauer geändert.

    Augsburger Klimacamp spricht von "Dilettantenstück"

    Aus dem Klimacamp wurde die Gerichtsentscheidung am Dienstag bejubelt, auch wenn sie keinen Freifahrtschein für die Zukunft darstellt. "Wir sind schon überrascht, dass die Stadt Augsburg ganz offensichtlich nicht genau wusste, um was es bei dem Prozess geht, den sie nun schon so lange mit uns führt. Das Urteil gibt dem politischen Druck für Klimagerechtigkeit starken Rückenwind", so Klimacamp-Mitinitiatorin Janika Pondorf, 17. Auch wenn die Stadt inzwischen ein Klimaschutzprogramm verabschiedet hat, ist den Aktivisten und Aktivistinnen das Tempo zu gering. Die Stadt verschwende lieber Zeit und Geld für Rechtsstreitigkeiten, statt beim Klimaschutz Gas zu geben. In einer Pressemitteilung ist die Rede von "Dilettantenstück" und "Farce". Man werde in den kommenden Monaten "eine ganze Bandbreite an kreativen Ausgestaltungsmöglichkeiten des Grundrechts auf Versammlungsfreiheit zeigen", so Aktivistin Charlotte Lauter, 19. Eine geplante Abseilaktion über der A8 bzw. B17 wurde zuletzt aber gerichtlich verboten.

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