Startseite
Icon Pfeil nach unten
Augsburg
Icon Pfeil nach unten

Klimacamp Augsburg: Vor Gericht zeichnet sich Schlappe für Augsburg ab

Augsburg

Klimacamp-Streit: Vor Gericht zeichnete sich Schlappe für Augsburg bereits ab

    • |
    Das Augsburger Klimacamp - hier noch auf dem Rathausplatz - beschäftigt aktuell die Justiz.
    Das Augsburger Klimacamp - hier noch auf dem Rathausplatz - beschäftigt aktuell die Justiz. Foto: Bernd Hohlen (Archivbild)

    Die Zukunft des Augsburger Klimacamps bleibt weiter unklar: Vor dem Verwaltungsgerichtshof in München deutete sich am Montagabend nach etwa fünfstündiger Verhandlung zwar eine Entscheidung an, allerdings wird sie wohl keine grundsätzlichen Aussagen treffen, ob eine Demonstration auf öffentlichem Grund theoretisch unendlich lange dauern darf. Damit bleibt die Front zwischen Stadt Augsburg und Klimacamp weiter bestehen. Anmerkung der Redaktion: Inzwischen ist das Urteil gefallen.

    Bescheid der Stadt Augsburg gegen das Klimacamp war wohl rechtswidrig

    Deutlich wurde in der Verhandlung am Montag immerhin: Der Bescheid, mit dem die Stadt das Klimacamp vor eindreiviertel Jahren vom Fischmarkt verbannen wollte, war wohl rechtswidrig. Vor dem Verwaltungsgerichtshof gab es am Montag zwar noch kein Urteil, der Senat ließ aber eine Tendenz erkennen. Es spräche "einiges, wenn nicht vieles dafür", dass der Großteil der Veranstaltungen im Rahmen des Klimacamps einen "deutlich erkennbaren Bezug zur Meinungsbildung haben könnte", so Vorsitzender Richter Reinhard Senftl. Das ist Voraussetzung für den Schutz einer Demo nach dem Versammlungsrecht. Eine Liste der Stadt, mit der diese nachweisen wollte, dass viele Veranstaltungen Event-Charakter hatten oder nur intern waren, sei "etwas in sich zusammengefallen", so Senftl. Seine formale Entscheidung will der Senat womöglich schon am Dienstag bekanntgeben. Am Montagabend legte das Gericht der Stadt mehr oder weniger deutlich nahe, die Berufung zurückzunehmen.

    Die Stadt will aber ein Urteil – obwohl es wohl weder zu ihren Gunsten ausfallen noch grundsätzliche Fragen zur Zukunft des Klimacamps beantworten wird. Die Stadt hatte sich von einem Urteil in zweiter Instanz ursprünglich erhofft, eine Ansage zu bekommen, ob das Klimacamp rechtens ist oder nicht. So begründete Oberbürgermeisterin Eva Weber (CSU) den Gang in die Berufung, nachdem die Stadt vom Verwaltungsgericht Augsburg schon in erster Instanz bei der Räumung zurückgepfiffen wurde. Es ist freilich ein offenes Geheimnis, dass es nicht nur um rechtliche Fragen geht: Manchen Politikerinnen und Politikern passt das Zeltdorf neben dem Rathaus (wegen der Gefahr durch Steinschlag am Perlachturm ist das Klimacamp aktuell auf den Moritzplatz ausgewichen) nicht. Auch die Vehemenz der Forderungen zum Klimaschutz passt nicht jedem, wenngleich Weber betont, dass die Wichtigkeit von Klimaschutz inzwischen allen klar sei. Die

    Münchner Gericht wird nicht über die Zukunft des Augsburger Klimacamps entscheiden

    Simon Bulla, Anwalt der Stadt, sagte vor Gericht, dass es der Stadt bei ihrer versammlungsrechtlichen Abwägung nie darum gegangen sei, die Botschaften des Klimacamps nicht hören zu wollen. Man brauche aber Leitplanken dafür, wie man als Stadt künftig mit dem neuen Phänomen von Dauerdemos umgehen solle. "Das hat grundlegende Bedeutung." Das Gericht stellte aber klar, keine Grundsatzentscheidung treffen zu wollen. Es gehe in dem Rechtsstreit nur darum, ob der Bescheid vom 10. Juli 2020, in dem die Stadt dem Klimacamp die Merkmale einer Versammlung absprach und die Räumung verlangte, rechtmäßig sei. "Wir entscheiden nicht über die Zukunft des Klimacamps", so Richter Senftl. Darum schaute das Gericht ausschließlich darauf, ob in den Tagen zwischen dem Start am 30. Juni und dem Bescheid am 10. Juli, gegen den das Klimacamp umgehend klagte, die Merkmale einer Versammlung erfüllt waren.

    Jeder einzelne Workshop wurde diskutiert

    Zwei Stunden lang wurde jeder einzelne Workshop, der in den ersten elf Tagen des Klimacamps stattfand, vor Gericht behandelt. Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der Stadt und die Polizei notierten damals teils akribisch, welche Aktivitäten im Camp feststellbar waren. Denn: Um rechtlich als Demonstration zu gelten, muss eine Versammlung aus mindestens zwei Menschen bestehen, die mit Meinungsäußerungen an die Öffentlichkeit gehen. Die Stadt war der Auffassung, dass es sich bei den Aktivitäten eher um interne Veranstaltungen der Fridays-for-Future-Bewegung ohne große Resonanz bei Außenstehenden handelte. Vier Mitarbeiter der Ordnungsverwaltung und Anwalt Bulla bemühten sich vor Gericht um den entsprechenden Nachweis. Manche Aktivitäten wie Demonstrationszüge oder Kreidemal-Aktionen auf Straßen seien im Klimacamp vielleicht vorbereitet worden, so Bulla. "Aber man kann sich schon fragen, ob ein Vorbereitungsraum als geschützte Veranstaltung zu sehen ist."

    "Hausmeisterhafte Wahrnehmungen"

    Teils gab es einen Schlagabtausch zum Klimabezug einzelner Veranstaltungen. Ein Trommel-Workshop mit ausrangierten Fahrradteilen, den das Klimacamp anbot, sei für Außenstehende kaum mit dem Thema Klima in Zusammenhang zu bringen, so Bulla. Camp-Mitinitiator Ingo Blechschmidt konterte, dass man im Zuge der Aktion sehr wohl mit Passanten und Passantinnen über das damals laufende Fahrrad-Bürgerbegehren ins Gespräch gekommen sei. Auf den Vorhalt der Stadt, dass auch ein Jonglier-Workshop angekündigt gewesen sei, der mit Klima nun gar nichts zu tun hatte, sagte Blechschmidt, dass dieser aus eben diesem Grund nicht stattgefunden habe. Der Jonglier-Workshop sei in einer ersten Ideensammlung aufgetaucht und wieder verworfen worden. Auch Klimacamp-Anwältin Martina Sulzberger konterte. Aus den Akten sei eine Überwachung in den ersten Tagen des Camps gar nicht ersichtlich. Es handle sich wohl eher um "hausmeisterhafte Wahrnehmungen nach dem Motto ,ich habe irgendwas gesehen'" von städtischen Bediensteten aus dem Rathaus. Im Übrigen hätte die Stadt nur auf die täglich aktualisierte Tafel vor dem Klimacamp schauen müssen, um über die Aktivitäten auf dem Laufenden zu sein. "Die Stadt hat sich nicht viel Mühe gegeben oder einfach die Augen verschlossen", so Sulzberger. "Und die Stadt hat noch immer nicht verstanden, dass das Klimacamp und das Ausharren vor Ort der Protest an sich sind."

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden