Startseite
Icon Pfeil nach unten
Augsburg
Icon Pfeil nach unten

Klimaaktivisten gehen mit Stadt Augsburg auf Konfrontationskurs

Augsburg

Klimaaktivisten gehen mit Stadt Augsburg auf Konfrontationskurs

    • |
    Bei der Bürgerversammlung der Stadt Augsburg kam es zur Konfrontation zwischen Stadt und Klimaaktivisten.
    Bei der Bürgerversammlung der Stadt Augsburg kam es zur Konfrontation zwischen Stadt und Klimaaktivisten. Foto: Silvio Wyszengrad

    Die jährliche Bürgerversammlung der Stadt am Dienstagabend ist in angespannter Stimmung verlaufen: Oberbürgermeisterin Eva Weber (CSU) und Klima-Aktivisten und -Aktivistinnen lieferten sich in der Kongresshalle überraschend einen viereinhalbstündigen Schlagabtausch - bis 23.30 Uhr. Während in den Vorjahren Themen wie Müll in Grünanlagen oder zugeparkte Straßen durch Lkw von der Bürgerschaft vorgebracht wurden, dominierten dieses Mal Anträge zum Thema Klimaschutz. Das Klimacamp hatte eigene Aktive mobilisiert und über die sozialen Medien zur Teilnahme aufgerufen. Alle rund 60 Klima-Anträge bekamen eine überwältigende Mehrheit im Plenum.

    Der Stadtrat wird sich nun mit diesen Anträgen befassen müssen. Sie reichten von mehr Fahrradstraßen über neue Solarprojekte der Stadtwerke bis hin zum 365-Euro-Ticket. Bei den Bürgerversammlungen, die alle Gemeinden mindestens einmal pro Jahr gesetzlich durchführen müssen, dürfen alle Bürger und Bürgerinnen der jeweiligen Gemeinde Fragen und Anträge stellen. Mit ihnen muss sich der Stadtrat innerhalb einer Drei-Monats-Frist befassen - zustimmen muss er ihnen aber nicht.

    Angespanntes Verhältnis zwischen Stadt Augsburg und Klimaaktivisten

    Das Verhältnis zwischen Stadt und Klimaaktivisten gilt grundsätzlich als angespannt, seit die Stadt das Klimacamp neben dem Rathaus räumen lassen wollte (und damit vor Gericht scheiterte). Zuletzt gab es einen gewissen Dialog, etwa beim Vertrag zum Fahrradbürgerbegehren, das von Klimaaktivist Alexander Mai mit initiiert worden war. Am Dienstagabend standen die Zeichen aber auf Konfrontation. Es gab etliche recht weitgehende Klima-Anträge wie stadtweite Parkgebühren am Straßenrand, die Stadtregierung wies bei mehreren Forderungen darauf hin, dass diese rechtlich nicht zulässig seien. Die Antragsteller verwarfen das als Scheinargument und beharrten auf Abstimmung.

    Weber warf Klimacamp-Mitinitiator Ingo Blechschmidt indirekt ein abgekartetes Spiel vor, von Klimaaktiven wurde daraufhin der Antrag gestellt, dass Weber wegen fehlender Neutralität künftig keine Bürgerversammlungen mehr moderieren solle. Auch mit dieser Frage wird sich der Stadtrat befassen müssen. Weber verzichtete angesichts der klaren Mehrheitsverhältnisse im großen Saal der Kongresshalle und der erkennbaren Frontenbildung zeitweise auf eine inhaltliche Aussprache und ließ nur noch abstimmen.

    Klimaaktivisten sagen: Bürgerversammlung war nicht gekapert

    Klimacamper Blechschmidt widersprach am Mittwoch auf Anfrage dem Eindruck, dass Klimaaktivisten und -aktivistinnen die Veranstaltung gekapert hätten. Man sei mit 25 Leuten aus der "Klimaszene" gekommen. Einen großen Teil der Bürger und Bürgerinnen, die sich zur Wort meldeten, habe er aber gar nicht gekannt. Über die Mehrheitsverhältnisse sei er selbst erstaunt gewesen. Von den etwa 150 Anwesenden, die sich zum Teil kannten, stimmten so gut wie alle für die Klimavorschläge. Teils wurden die Abstimmungskarten schon geschlossen gehoben, bevor Weber überhaupt zur Abstimmung aufrief. "Die Bevölkerung ist beim Klimaschutz inzwischen weiter als die Politik", so Blechschmidts Schlussfolgerung. Die Versammlung habe gezeigt, dass es sinnvoll wäre, wenn in Augsburg ein Bürgerbeirat zum Klimaschutz mit einem Bevölkerungsquerschnitt eingerichtet würde. Er bekräftigte den Vorwurf, dass viele Vorschläge "mit formalen Begründungen abgekanzelt" worden seien. Die Verwaltung nutze ihren Wissensvorsprung, um Anträge ins Leere laufen zu lassen.

    Weber konterte noch in der Sitzung, dass es schwierig sei, es allen recht zu machen. Teils seien Anträge sehr schwammig formuliert, etwa bei einer geforderten Befragung von Bewohnern und Bewohnerinnen in Wohnvierteln, ob sie dort eine Verkehrsberuhigung wünschen. "Sie müssen schon sagen, was Sie wollen", so Weber in Richtung des Antragsstellers, der es der Verwaltung überlassen wollte, ab welcher Größe Viertel einbezogen werden sollen. Bei anderen Anträgen machte Weber geänderte Formulierungsvorschläge, weil sich der Stadtrat aus formalen Gründen sonst für nicht zuständig erklären müsste. "Ich versuche, so zu formulieren, dass der Stadtrat überhaupt damit arbeiten kann."

    Am Mittwoch ließ Weber auf die Frage nach ihrem Eindruck der Sitzung über einen Sprecher erklären, dass ihr auch bei kontroversen Themen am direkten Kontakt in die Bürgerschaft gelegen sei. Bislang sei es auf Bürgerversammlungen neben Anträgen auch immer um Austausch gegangen. Dass "dieser Austausch bei Themen, die die ganze Stadtfamilie betreffen, nicht nur nicht gewollt war, sondern im Gegenteil als unzulässige Einmischung deklariert wurde", entspreche nicht ihrem Bild von Demokratie und lebendiger Stadtgesellschaft. Ein Teil der beantragten Dinge sei ohnehin schon im Werden.

    Das fordern die Klimaaktivisten in der Bürgerversammlung

    Die Anträge drehten sich in vielen Fällen um Verkehr: Demnach soll der Gratis-Nahverkehr in der Kerninnenstadt (eine Haltestelle rund um Königsplatz/Moritzplatz) auf drei Haltestellen ausgedehnt werden. Finanziert werden, so Klimaaktivist Mai, könne dies mit Einnahmen aus dem Verkauf der Stadtwerke-Beteiligungen Erdgas Schwaben und Bayerngas, die ohnehin zu stark auf fossile Energieträger setzen. Ein weiterer Antrag sieht ein 365-Euro-Ticket für alle ohne zeitliche Einschränkung vor. Stadtwerke-Chef Walter Casazza sagte, momentan sei die Finanzierung ungeklärt. Der Freistaat sei aber an einem solchen Ticket interessiert, die neue Bundesregierung habe die Chance, hier einen Akzent zu setzen. "Ich bitte noch um Geduld."

    Auch Radvorrangrouten aus allen Stadtteilen, eine autofreie Karolinenstraße, ein ausgeweitetes Böllerverbot in der Innenstadt mit einer von der Stadt organisierten Lasershow an Silvester oder Bioessen auf allen städtischen Veranstaltungen wurden gefordert. Für Kontroversen sorgte die Forderung nach 50 neuen Zebrastreifen. Baureferent Gerd Merkle (CSU) sagte, die Stadt richte seit 20 Jahren keine neuen Zebrastreifen ein. Sie seien für Kinder ein Risiko, weil sich der fahrende Verkehr oft rücksichtslos verhalte. "Zebrastreifen bieten nur eine Scheinsicherheit." Auch die Polizei hält mehr Tempolimits und Ampeln für die bessere Alternative, so Robert Kühnel, Leiter der

    Der Stadtrat wird sich voraussichtlich im November und Dezember mit den Anträgen befassen. Im November steht seitens der Stadt ohnehin ein Beschluss an, bei dem es um den Fortgang beim Klimaschutz geht. Dann soll ein Papier beschlossen werden, das einen Weg aufzeigt, wie die Stadt ihr Restbudget von 9,8 Millionen Tonnen CO2 halten kann (dies entspricht dem Augsburger Anteil am Weltausstoß, um unter einer 1,5-Grad-Erwärmung zu bleiben). Das Papier wird aller Voraussicht nach massive Anstrengungen und auch Einschränkungen in verschiedenen Bereichen vorsehen.

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden