Die Mehrheit der Augsburger ist nicht mehr Mitglied einer Kirche
Die Zahl der Kirchenaustritte in Augsburg blieb 2023 hoch. Mittlerweile sind Katholiken und Protestanten in der Stadt in der Minderheit. Eine Analyse.
4537 Menschen traten im Jahr 2022 in Augsburg aus der Kirche aus, so viele wie nie zuvor. Kirchenvertreter aus der Stadt zeigten sich schockiert. Nun hat die Stadt Augsburg auf Anfrage unserer Redaktion die Zahlen für 2023 vorgelegt. Demnach kehrten im vergangenen Jahr 3671 Augsburger der Kirche den Rücken. 2552 verließen die katholische, 1119 die evangelische Landeskirche. Und so stellen Mitglieder der beiden "großen" Kirchen in Augsburg mittlerweile nicht mehr die Mehrheit der Bevölkerung.
Wie aktuelle Daten des Amts für Statistik und Stadtforschung zeigen, lebten 2023 noch 98.964 römisch-katholische Bürger in Augsburg (32,3 Prozent). Daneben waren 36.350 evangelisch (11,9 Prozent). Demgegenüber standen 170.667 Menschen, die keiner oder einer anderen Religionsgemeinschaft, etwa dem Islam, angehören. Diese Gruppe stellt nun mit 55,8 Prozent die Mehrheit in Augsburg. Wie stark sich die Entwicklung in den vergangenen Jahren beschleunigt hat, zeigt ein Blick in die Statistik.
Noch bei der Volkszählung 1987 lag der Anteil der Augsburger mit sonstiger oder ohne Konfession bei gerade einmal 14,8 Prozent. 2016 stellte der Kreis der Konfessionslosen und Sonstigen mit 44 Prozent schon die größte Gruppe, die Kirchenmitglieder waren aber gemeinsam noch in der Mehrheit. Stark verloren hat in der Stadt des Religionsfriedens historisch gesehen die evangelische Kirche. 38,4 Prozent der Bürger gaben bei der ersten Volkszählung 1833 an, evangelisch zu sein. 100 Jahre später, bei der Volkszählung 1933, waren es mit 18,9 Prozent nur noch die Hälfte. Auch im vergangenen Jahr hat die evangelische Kirche in Augsburg prozentual (3,07 Prozent) etwas mehr Mitglieder verloren als die katholische (2,57 Prozent).
Kirchenaustritt: Nur noch sieben Prozent der Kinder sind katholisch oder evangelisch
Interessant wird es, wenn man die Zahlen nach Staatsangehörigkeit filtert. Denn unter den 225.621 Augsburgern mit deutscher Staatsangehörigkeit hatten Katholiken (86.290/38,2 Prozent) und Protestanten (35.271/15,6 Prozent) in Augsburg gemeinsam 121.400 Mitglieder und damit gegenüber Konfessionslosen oder Angehörigen anderen Religionsgemeinschaften (104.060, 46,1 Prozent) die Mehrheit. Dass der steigende Anteil von Bürgern mit Migrationshintergrund aber nur ein Teil der Erklärung für die Verschiebung der Mehrheitsverhältnisse ist, zeigt sich in den Ergebnissen der städtischen Bürgerumfrage 2023. An ihr hatten mit 96,2 Prozent fast ausnahmslos deutsche Staatsbürger teilgenommen. Doch 79,3 Prozent sagten dort auf die Frage, ob sie nach religiösen Prinzipien lebten: eher oder überhaupt nicht. Bei der Bürgerumfrage 2015 sagen das nur knapp über 70 Prozent der Befragten. Die schwindende Bedeutung der katholischen und evangelischen Kirche in Augsburg zeigt sich daneben noch in einer anderen Zahl. 2023 waren nur noch sieben Prozent der Kinder unter einem Jahr in Augsburg als katholisch oder evangelisch gemeldet. Im Jahr 2008 lag dieser Anteil noch bei 19,2 Prozent.
Ein differenziertes Bild zeigt sich bei einem Blick auf die einzelnen Stadtteile. Hochburg der Katholiken ist nach den Daten des Bürgeramts Bergheim, wo 50,4 Prozent der Bevölkerung katholisch sind. Der Anteil der Protestanten ist im Spickel mit 19,5 Prozent am höchsten. Der höchste Wert in der Kategorie "Keine/sonstige Konfessionen" liegt mit jeweils über 70 Prozent in den beiden Bezirken "Links der Wertach Nord und Süd" in Oberhausen. Amtliche Daten zur Zahl der Muslime liegen nicht vor.
Theologe: Das religiöse Leben in Augsburg ist heute vielfältiger
Dass die Zahl der Mitglieder der beiden "großen Kirchen" in Augsburg zurückgegangen ist, ist für den Priester und Theologen Jörg Ernesti keine Überraschung. "Aber was in der Statistik abgebildet ist, betrifft ja nur die beiden großen Konfessionen. Das religiöse Leben in Augsburg ist sehr viel vielfältiger", so Ernesti, der an der Universität Augsburg Professor für Mittlere und Neuere Kirchengeschichte ist. Wie andernorts boome etwa auch in Augsburg das freikirchliche Spektrum. Starken Zulauf hätten daneben auch pfingstkirchliche Gemeinden, die häufig von einer bestimmten Bevölkerungsgruppe geprägt seien. Hier gebe es etwa sehr aktive Gemeinden in der rumänischen oder schwarzafrikanischen Bevölkerung, daneben bei US-Amerikanern sowie Sinti und Roma.
Diese Vielfalt, sagt Ernesti, sei zunächst einmal nichts Schlechtes. "Das kann im Endeffekt auch die Großkirchen, die man kaum mehr so nennen mag, befruchten und Wege aufzeigen, wie man es besser machen kann." Dass das nötig sei, zeige ein sonntäglicher Gottesdienstbesuch in einer der katholischen Innenstadtgemeinden. "Da ist es mir schon passiert, dass ich der Jüngste war. Ich bin oft erschrocken über die geringe Anzahl der Besucher und den Altersschnitt." Mittelfristig könnte der Mitgliederschwund der großen Konfessionen in Augsburg und dem Rest der Republik dazu führen, dass das Wort der Kirche in öffentlichen Diskussionen keinen so großen Stellenwert mehr habe wie bisher. Daneben müsse man aber auch damit rechnen, dass sich die katholische und evangelische Kirche als Träger öffentlicher Einrichtungen wie Kitas und Schulen zurückziehe, wenn die Einnahmen aus der Kirchensteuer sinken.
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Ich stimme zu, das man nicht unbedingt einer Konfessien angehören muss, um gläubig zu sein. Aber man muss auch sagen, daß wir hier zur Zeit ein schönes Leben haben ohne Jahrzehnte voller Krieg und und nicht wie woanders auf dieser nicht mehr insgesamt friedlichen Welt. Sollte aber wieder ein Krie
In Augsburg, bei dieser hohen Migrantenzahl, wundert es mich allerdings nicht, daß eine Minderheit hier einer Konfessionskirche angehört. Zudem hat die Mißbrauchskrise der Kirche insgesamt viele Austritte "beschert". Solange die alten Kirchenfürsten das Sagen haben, wird sich auch meiner Meinung nach nicht viel ändern (siehe Zölibatabschafffung bei der katholischen Kirche).
Dann fallen jetzt demnächst ja paar Feiertage weg, oder?
Religionen sind auch so ein von Menschen erschaffenes Übel. Ich meine nicht den Glauben.
Hallo Frau EDELTRAUT H. ein guter Kommentar sehe ich genauso wie Sie. Sieht man zur Zeit im Iran und auch in Israel !!! Der Missbrauch ist zu heftig und die gläubigen müssen es ausbaden!
Man kann Christ sein oder einfach nur gläubig, ohne einem religiösen Verein anzugehören. Insofern hat die Statistik nur bedingt Aussagekraft.
Man wird auch nicht automatisch ein guter Mensch, wenn man einer Kirche Beitritt. Im Gegenteil, manche sind nur Sonntags oberflächlich anständig, wenn sie sich in der Gemeinde präsentieren.