Seit 120 Jahren gibt es den Volkschor Göggingen. Wie stark verbindet gemeinsames Singen?
SABINE DOBBERTIN: Gemeinsames Singen fördert das Wohlbefinden, das ist wissenschaftlich belegt. Chor geht nur miteinander. Im Idealfall ist das wie in einer guten Partnerschaft, ein Geben und Nehmen. Im Chor Singen hat außerdem eine große soziale Komponente: Die Gemeinschaft. Chorfamilie – oder noch besser – Chor-Mobile. Hat jeder eine gut ausbalancierte Position, funktioniert es.
Wie ist Ihre eigene „gesangliche“ Geschichte – wie sind Sie zum Singen und dann zum Chor gekommen?
DOBBERTIN: Bei uns zu Hause wurde viel gesungen, als ich klein war täglich. Ich bin in Chören groß geworden, als Kind in der Kurrende (evangelischer Jugendchor), die in meiner Heimatgemeinde mehr als 450 Jahre Tradition hat. Aber auch im weltlichen, preisgekrönten Kinderchor. Das Singen in der Kurrende erlaubte ein frühzeitiges Mitwirken in Oratorien, ein erhebendes Gefühl so mittendrin im Klangbad. Später sang ich in der Kantorei und im städtischen Jugendchor. In meinem Beruf als Kirchenmusikerin ist Chorarbeit / Chorleitung vorprogrammiert. Ich habe nebenher immer versucht, selbst in einem Chor zu singen. Dabei ist mir ein freundlicher, mitmenschlicher Umgang der Leitung und untereinander das Wichtigste. Wenn das nicht stimmt, kann man nicht gut und frei singen
Was ist für Sie das Besondere an einem Chor – im Unterschied zu einem Orchester?
DOBBERTIN: Ich habe selten Gelegenheit mit Orchestern zu arbeiten und würde daher den Vergleich mit dem Spielen eines Instrumentes vorziehen. Ich spiele mehrere Instrumente (Orgel, Klavier, Blockflöten und Verrophon, ein modernes Glasinstrument), bei denen der fertige Ton mehr oder weniger gut „rauskommt“. Darum ist der Chor mein Lieblingsinstrument. Es fasziniert mich immer wieder, wenn die Sängerinnen und Sänger vom Kennenlernen eines Stückes, vorsichtig die Töne formend, bis zur Aufführung daran wachsen, entspannt und klar singen und Spaß entwickeln. Eine ganz eigene Dynamik.
Was für ein Repertoire hat der Volkschor?
DOBBERTIN: Unser Repertoire ist breit aufgestellt: Von einfachen Volksliedern und Kanons über Motetten, Madrigale, Schlager und Pop (Evergreens), Spirituals und Scatgesang bis zur Kirchenmusik.
Was singen Ihre Sängerinnen und Sänger am liebsten?
DOBBERTIN: Das ist sehr unterschiedlich, so wie der Geschmack der Singenden. Bei einer chorinternen Wunschaktion hat ein italienisches geistliches Lied vor einem Mendelssohn-Lied und einem Schlager der 70er gewonnen. Volkslied erst auf Platz 4.
Was waren die größten Highlights mit Ihrem Chor in den vergangenen Jahren?
DOBBERTIN: Ich leite den Chor seit 2019. Damals hatten wir ein wunderbares Konzert „Evergreens“. Dann kam Corona und ich bin froh, dass der Chor diese Krise überstanden hat. Sehr gut in Erinnerung ist mir außerdem unser „Viva la musica!“- Konzert 2023 und die diesjährige Sommerserenade in der AWO Göggingen. Ältere Chorleute schwärmen noch immer von einer Mitwirkung im „Oratorio de Noël“ von Camille Saint-Saëns (2016). Ein ganz besonderer Augenblick für den Chor war außerdem die Verleihung der Zelterplakette zum 100-jährigen Jubiläum 2005.
Ist es schwer Nachwuchs für den Chor zu finden?
DOBBERTIN: Der Nachwuchs macht sich wie überall rar. Das ist unserer Zeit geschuldet und der Tatsache, dass ein regelmäßiger Termin pro Woche für viele Menschen nicht mehr ins Lebenskonzept passt. Aber gerade das Regelmäßige gibt Beständigkeit. Singen als Zeichen von Lebensäußerung und körperlichem Ausdruck ist auch nicht mehr jedermanns Ding. Dennoch konnten wir in den letzten fünf Jahren 15 neue Mitglieder in fast allen Stimmlagen begrüßen. Bässe stehen auf meiner persönlichen Wunschliste ganz oben, aber auch alle anderen Stimmlagen. Je mehr, desto besser
Wie wird das Jubiläum begangen?
DOBBERTIN: Wir haben für den 19. Oktober um 17 Uhr im Roncalli-Haus in Göggingen ein Jubiläums-Konzert geplant. Dabei werden wir von Sängerinnen unterstützt, die am Konzertprojekt teilgenommen und als „Sängerinnen auf Zeit“ mit uns geprobt haben. Das bunte Programm aus dem Chor-Repertoire und mit Bearbeitungen der beiden prägendsten Chorleiter Rudi Sattler und Konrad Lindauer geht thematisch über das Lob der Musik, internationale Volkslieder, Natur und Scherz bis zu Evergreens. Jürgen Schlosser begleitet uns am Flügel. Die Glanzpunkte dieser Mixtur setzt die Mezzosopranistin Anja Schlosser mit Operetten – „Ohrwürmern“. Neben Grußworten, unter anderem von unserem langjährigem Vorstand Albert Paleczek, führt Günter Sonnenwald durch das Event.
I
Um kommentieren zu können, müssen Sie angemeldet sein.
Registrieren sie sichSie haben ein Konto? Hier anmelden