Der junge Mann kauert sich in einer Daunenjacke auf den Holzstuhl, neben ihm ein Dolmetscher. Als Jugendrichter Fabian Espenschied ihn fragt, warum er im Oktober vergangenen Jahres die Israel-Fahne auf dem Augsburger Rathausplatz heruntergerissen habe, faltet der 18-Jährige die Hände vor sich. Er habe "berühmt" werden wollen, sagt der Angeklagte schließlich, habe gewollt, dass ihm viele Menschen in den sozialen Medien dafür applaudierten. Er wolle sich dafür entschuldigen, auch beim Staat Israel. Einen politischen, antisemitischen Antrieb verneint er. Es ist eine Erklärung, die ihm weder der Richter noch Staatsanwältin Verena Dorn-Haag abkaufen.
Rückblick: Über drei Monate galt der 18-jährige Syrer als verschwunden. Er hatte sich, kurz nachdem die Staatsanwaltschaft Augsburg Anklage gegen ihn erhoben hatte, davongemacht, war per Haftbefehl gesucht worden. Erst kürzlich fanden ihn die Ermittler nach wochenlanger Suche – in Völklingen im Saarland.
Prozess in Augsburg um Schändung der Israel-Flagge am Rathaus
Der junge Mann ließ sich an jenem Abend im Oktober von einem Freund filmen, als er den Masten vor dem Verwaltungsgebäude am Rathausplatz emporkletterte, die Israel-Flagge herunterriss und am Boden das Feuerzeug zückte. Eine Passantin ging dazwischen und hinderte ihn am Verbrennen der Fahne. In den sozialen Netzwerken im Internet kursierten ein Handymitschnitt. Zwar hatte sich der junge Mann ursprünglich selbst der Polizei gestellt, doch als ihm die Anklage zugestellt wurde, bekam er offenbar kalte Füße – und verschwand aus Augsburg.
In der Zwischenzeit wurde der Mittäter, der den Film erstellt hatte, wegen Beihilfe zur Verletzung von Flaggen- und Hoheitsrechten ausländischer Staaten sowie Sachbeschädigung vor dem Amtsgericht Augsburg nach dem Jugendstrafrecht verurteilt. Strafe: 80 Stunden soziale Hilfsdienste, eine Geldauflage von 200 Euro, die er an das Jüdische Kulturzentrum in Augsburg zahlen muss, sowie Gespräche über Antisemitismus.
Israel-Flagge in Augsburg heruntergerissen: Diese Strafe erhält der Täter
Der 18-jährige Haupttäter wird am Amtsgericht letztlich zu einer Jugendstrafe von zwei Wochen Dauerarrest verurteilt. Diese Strafe ist allerdings durch die zweiwöchige Untersuchungshaft, in der der 18-Jährige vor Prozessbeginn saß, bereits abgegolten. Zudem muss er als Auflage eine Reihe von Beratungsgesprächen führen, die sich auch um das Thema Antisemitismus drehen sollen, und 200 Euro an das Jüdische Museum Augsburg zahlen. Richter Espenschied sagt, Geltungsbedürfnis habe bei der Tat eine Rolle gespielt, aber sie habe natürlich auch begleitend antisemitische Motive gehabt. "Warum sonst solle man die Flagge eines Landes herunterreißen, wenn nicht, um seine Missachtung auszudrücken?", sagt der Richter.
Staatsanwältin Dorn-Haag sagte zuvor ebenfalls, sie glaube nicht, dass eine solche Tat ohne religiösen oder politischen Hintergrund oder Ablehnung Israels begangen worden sein soll. Stattdessen sei sie auch ein Angriff auf die jüdische Kultur gewesen; antisemitische Motive hätten bei der Tat aus ihrer Sicht eindeutig eine Rolle gespielt. Verteidiger Stefan Mayer hob insbesondere das frühzeitige Geständnis seines Mandanten bei der Polizei hervor, das die Aufklärung der Tat enorm erleichtert habe. Der Haftbefehl gegen den 18-Jährigen ist aufgehoben, er also wieder frei. Das Urteil ist bereits rechtskräftig.