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Interview: Polizeipräsident zur Krawallnacht: "Man kann es nicht mit Corona erklären"

Interview

Polizeipräsident zur Krawallnacht: "Man kann es nicht mit Corona erklären"

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    Polizeipräsident Michael Schwald bei der Pressekonferenz kurz nach der Krawallnacht.
    Polizeipräsident Michael Schwald bei der Pressekonferenz kurz nach der Krawallnacht. Foto: Annette Zoepf (Archivbild)

    Herr Schwald, hat das Verhältnis zwischen der Jugend und der Polizei in der Corona-Pandemie gelitten?

    Michael Schwald: Natürlich war die Jugend stark von den Maßnahmen zum Infektionsschutz betroffen. In einem jungen Leben ereignet sich viel, das nur jetzt gefeiert und begangen werden kann, etwa der Schulabschluss. Unsere Wahrnehmung ist aber, dass die Jugend generell damit auch sehr verständnisvoll umgegangen ist. Ich glaube, man macht es sich zu einfach, wenn man sagt: Das, was jetzt passiert ist, ist die Frustration einer verlorenen Generation. Die Jugend ist nicht unser Problem und der überwiegende Teil hat auch mit der Polizei kein Problem. Unser Problem in der Maximilianstraße und teilweise in den Parkanlagen waren junge Menschen, nur ein kleiner Teil, denen es ganz bewusst auf Aggression und Gewaltausübung ankommt – ob mit oder ohne Corona.

    Corona hat aber die Rolle der Polizei durchaus verändert. Sie musste den Infektionsschutz durchsetzen.

    Schwald: Ja. Die Kontrolle und Durchsetzung der Corona-Maßnahmen war natürlich auch Aufgabe der Polizei. Da hatten wir zwei große Herausforderungen. Zum einen war sozial erwünschtes Verhalten – gemeinsamer Sport, Gespräche, Feiern, menschliche Nähe – plötzlich nicht mehr erwünscht. Und die Polizei stand dafür, solches Verhalten unterbinden zu müssen. Das war für uns alle neu. Das Zweite, was wir gerade jetzt besonders spüren, ist der große Druck auf den öffentlichen Raum. Weil in Innenräumen wegen des Infektionsschutzes vieles nicht geht. Das haben wir vor zwei, drei Monaten stark in den Parks erlebt, und das Thema haben wir jetzt mit der Maxstraße und der Szene der Autotuner und Autoposer.

    Hat sich das auf das Verhältnis zu den Bürgern ausgewirkt?

    Schwald: Es kann sein, dass jemand, der eine sehr positive Einstellung zur Polizei hatte, im Verlauf der Pandemie nun öfter Kontakt mit der Polizei hatte. Wenn man die Corona-Regeln als problematisch empfindet, dann hat da möglicherweise auch eine Entfremdung stattgefunden. Ich bin aber überzeugt, dass der ganz überwiegende Teil der Bevölkerung die Maßnahmen, die getroffen wurden, als sinnvoll erachtet. Da hat man auch Solidarität und Rücksichtnahme gespürt. Diese Menschen waren sicher sehr froh, dass die Polizei dafür gesorgt hat, dass auch die Egoistischen und Rücksichtslosen den Infektionsschutz einzuhalten haben. Man spricht oft von Grundrechtseingriffen, aber vergisst, dass das Grundgesetz den Staat auch dazu verpflichtet, das Leben und die körperliche Unversehrtheit seiner Bürgerinnen und Bürger zu schützen. Das ist das, was wir getan haben.

    Die Polizei hat an einem Samstag im Juni die Maximilianstraße geräumt.
    Die Polizei hat an einem Samstag im Juni die Maximilianstraße geräumt. Foto: Andreas Herz, dpa

    Wie erklären Sie sich dann, mit etwas Abstand, die Krawallnacht in der Maximilianstraße?

    Schwald: Aus meiner Sicht kann man es nicht mit Corona erklären. Möglicherweise haben die äußeren Umstände dazu geführt, dass wir einen entsprechend großen Zulauf in der Maximilianstraße hatten, der das alles vielleicht befördert hat. Das ist aber nicht aus Frustration heraus entstanden. Es war so, dass Straftäter in der Innenstadt waren, die bewusst provozieren wollten und sich bewusst aggressiv gezeigt haben. Und dann hatten wir eine größere Gruppe von Menschen, die sich offensichtlich keine Gedanken gemacht hat, das Ganze als Event gesehen hat und den Straftätern damit auch Rückzugsräume geboten hat. Es war für mich auch keine Eskalation, wie es jetzt öfter genannt wurde. Darunter verstehe ich ein allmähliches Steigern von Gewalt, ein Hin und Her. Die Gewalt ging hier aber eindeutig und ausschließlich von einer Seite aus, es war ein explosionsartiger Gewaltausbruch. Man darf nicht vergessen: Der Anlass dafür war ein Rettungseinsatz in der Seitengasse zur Maximilianstraße.

    Gibt es dieses Gewaltpotenzial aus Ihrer Sicht also unabhängig von Corona?

    Schwald: Ja. Ich glaube, wir haben dieses Potenzial. Und ich gehe davon aus, dass sich dieses Potenzial in Nicht-Corona-Zeiten auf mehrere Örtlichkeiten verteilt, jetzt hatte sich alles hier in der Maxstraße gesammelt.

    Hätte die Polizei im Rückblick etwas anders machen können?

    Schwald: Zur Räumung der Maximilianstraße gab es zu diesem Zeitpunkt keine Alternative. Nachdem massiv Straftaten begangen worden waren, musste die Situation aufgelöst werden. Wir hatten bis gegen 24 Uhr, bis zur Schließung der Außengastronomie, eine verhältnismäßig friedliche und ruhige Atmosphäre. Wir hatten gegen 0.15 Uhr die erste körperliche Auseinandersetzung, wo es mit diesen ACAB-Rufen (ACAB steht für All cops are bastards, d. Red.) losging. Vollends ist es um 0.45 Uhr aus dem Ruder gelaufen, als es den Rettungseinsatz in der Katharinengasse gab. Selbst als die Kollegen massiv mit Flaschen beworfen wurden, ist noch drei Mal dazu aufgefordert worden, den Platz zu verlassen. Irgendwann kommt man aber mit Kommunikation an Grenzen. Am Polizeieinsatz gibt es nichts zu kritisieren.

    Wieso hatten die Aufforderungen der Polizei keinen Effekt?

    Schwald: Ich glaube, dass manche Menschen nicht mehr verstehen, dass es Grenzen gibt. Und in einem Rechtsstaat und einer Demokratie, wo sich die Mehrheit darauf verlässt, dass der andere sich auch an Regeln hält, muss es eine Institution geben, die dann auch Stop sagt. Das ist die Polizei, und dazu gehört auch unmittelbarer Zwang. Nachdem in der Maxstraße auf unsere wiederholten Aufforderungen die Reaktion eigentlich nicht vorhanden war, musste die Polizei tätig werden.

    War es für Sie überraschend, dass doch mehrere Hundert Menschen sich von den Aufforderungen der Polizei wenig beeindruckt gezeigt haben?

    Schwald: Das war erschreckend. Wir hatten die Gruppe der Täter, die die Lage ganz bewusst genutzt hat, um Straftaten zu begehen. Und dann gab es viele, die das Ganze – aus welchen Gründen auch immer – offenbar als eine Art Event gesehen haben. Die Alkoholisierung mag da eine Rolle gespielt haben, auch Gedankenlosigkeit. Ich hoffe wirklich, dass der eine oder andere im Nachhinein vielleicht doch noch mal nachdenklich geworden ist und sich vielleicht noch einmal über die Rollen Gedanken gemacht hat. Ich würde mir wünschen, dass die Straftäter keine Bühne bekommen. Dann wäre das Problem schnell erledigt.

    Was können Sie zu den mutmaßlichen Tätern sagen?

    Schwald: Wir gehen davon aus, dass wir es zum größten Teil mit Einzeltätern zu tun haben. Es gab wohl keine gezielte, größere Verabredung für diesen Abend oder diesen Ort. Die einzelnen Täter haben die Situation dann aber genutzt, um gemeinsam Straftaten zu begehen. Bislang gibt es nur punktuelle Überschneidungen zu uns bekannten Jugendgruppen.

    Ein Tatverdächtiger sitzt inzwischen in Untersuchungshaft. Wie kommen die Ermittlungen voran?

    Schwald: Wir ermitteln, Stand jetzt, insgesamt wegen 60 Delikten. Die Ermittlungen machen gute Fortschritte. Wir haben von Zeugen 120 gute Videos erhalten, die wir schon sehr weit ausgewertet haben. Die Ermittlungsgruppe, besetzt mit 18 Kolleginnen und Kollegen, arbeitet auf Hochtouren und wird, denke ich, gute Ergebnisse vorweisen können. Es geht nun auch darum, gegenüber den Einzeltätern repressiv vorzugehen. Also schnelle Ermittlungsverfahren und auch Betretungsverbote. Ich bin überzeugt, dass wir Namen bekommen. Und dann werden wir gemeinsam mit der Stadt überlegen, wer zumindest zu bestimmten Zeiten in der Innenstadt nichts verloren hat, weil er nicht mit friedlicher Absicht dorthin geht.

    Michael Schwald ist seit Herbst 2013 Präsident des nordschwäbischen Polizeipräsidiums. Er lebt mit seiner Familie in Augsburg.

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