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Interview: Oben-ohne-Demo in Augsburg: "Es geht auch um die Machtfrage"

Interview

Oben-ohne-Demo in Augsburg: "Es geht auch um die Machtfrage"

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    Schon im vergangenen Sommer haaben Lucia Reng (links) und Ronja Klafka mit dem Oben-ohne-Kollektiv in Augsburg eine Demo organisiert. Diesen Samstag werden bis zu 200 Menschen erwartet.
    Schon im vergangenen Sommer haaben Lucia Reng (links) und Ronja Klafka mit dem Oben-ohne-Kollektiv in Augsburg eine Demo organisiert. Diesen Samstag werden bis zu 200 Menschen erwartet. Foto: Oben-ohne-Kollektiv / Stefan Puchner, dpa (Archiv)

    Die Oben-ohne-Demo in Augsburg richtet sich gegen die Sexualisierung weiblicher Brüste. Was heißt das konkret?
    LUCIA RENG: Die Ungleichbehandlung nackter Brüste ist nur ein Symptom für das Problem, das wir haben. Unsere Gesellschaft bewertet mit einem patriarchalen Blick Körper und kategorisiert sie in Geschlechterrollen von "Mann" und "Frau". Im Freibad zeigt sich das konkret: Da gibt es eine in Baderegeln festgeschriebene Ungleichbehandlung nach Geschlecht. Davon wollen wir wegkommen.

     
    RONJA KLAFKA: Es geht auch um die Machtfrage: Wer entscheidet über mich und meinen Körper – und darüber, was ich machen darf und was nicht? Alle sagen, man könnte anziehen, was man will. Aber trägt ein Mann ein Kleid, wird er bloßgestellt. Oder sonnen wir uns mit nackten Brüsten, begeben wir uns in eine potentiell bedrohliche oder unangenehme Situation. Unsere Gesellschaft ist sexistisch, der Körper existiert immer in Abhängigkeit von einem männlichen Blick.

    Was sollte sich im Alltag also ändern?
    RONJA KLAFKA: Das fängt bei blöden Kommentaren, übergriffigem Verhalten im Club, auf der Straße oder in der Straßenbahn an und geht weiter bis hin zu sexualisierter Gewalt in der Öffentlichkeit oder zu Hause. Das sind nicht einfach Dinge, die passieren – dieses Verhalten ist geprägt von patriarchalen Denkmustern.

     
    LUCIA RENG: Das sind Strukturen, die wir aufbrechen wollen. Unsere Utopie wäre, dass es diese Denkmuster, Besitzansprüche und Sexualisierung so nicht mehr gibt – dafür demonstrieren wir.

    Zuletzt gab es eine Debatte um Oben ohne in Freibädern. Wie gestaltet sich die Diskussion in der Region Augsburg?
    RONJA KLAFKA: Wir haben viel Zuspruch bekommen von Leuten, die sehr offen mit dem Thema umgehen. Uns fehlte in der Debatte aber der Punkt, dass es eben nicht nur ein Frauenthema ist. Es haben ja nicht alle Frauen Brüste und es gibt auch Menschen mit Brüsten, die keine Frauen sind. Körper von Trans- oder nicht binären Menschen werden oft noch stärker stigmatisiert.

     
    LUCIA RENG: Und was oft nicht bedacht wird: Rechtlich gesehen steht in keinem Gesetz festgeschrieben, dass nackte weibliche Brüste verboten sind. Das wäre mit dem Grundgesetz auch nicht zu vereinbaren, denn da sind für alle die gleichen Rechte festgelegt. Im Gesetz über Ordnungswidrigkeiten ist nur die Rede von "grob ungehörigen Handlungen" – was aber so ausgelegt wird, dass weiblich gelesene Brüste als Ordnungswidrigkeit gelten können, männlich gelesene eher nicht.

    Aber müssen nackte Brüste in der Stadt unbedingt sein, wenn es um Gleichberechtigung geht? Männer sind dort eher selten oben ohne anzutreffen.
    RONJA KLAFKA: Wir waren zuletzt auch an Kanälen und Seen unterwegs, haben Flyer verteilt und mit Leuten geredet. Aber als Aktivist*innen ist es für uns wichtig, die Stimme zu erheben und das geht nur, wenn wir in die Stadtmitte gehen und uns aktiv Aufmerksamkeit holen.

     
    LUCIA RENG: Gleiche Rechte wollen wir aber natürlich für Orte durchsetzen, an denen sich andere schon jetzt oben ohne entspannen: Im Park, am See, im Freibad. Dort sollte für alle Oberkörper das gleiche Recht gelten. Es geht ums Grundgefühl: Wir wollen mit Brüsten oben ohne sein, wenn es heiß ist – aber uns auch sicher fühlen, ohne von anderen komisch beobachtet oder sexualisiert zu werden.

    Zur Person

    Lucia Reng und Ronja Klafka engagieren sich als Aktivistinnen unter anderem im Augsburger Oben-ohne-Kollektiv.

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