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Augsburg: Handelsexperte: "Bleib mit deinem Auto zu Hause ist die falsche Botschaft"

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Handelsexperte: "Bleib mit deinem Auto zu Hause ist die falsche Botschaft"

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    Sind Autofahrer in Augsburger Innenstadt noch erwünscht? Über die Verkehrspolitik wird kontrovers diskutiert.
    Sind Autofahrer in Augsburger Innenstadt noch erwünscht? Über die Verkehrspolitik wird kontrovers diskutiert. Foto: Silvio Wyszengrad (Symbolbild)

    Der Augsburger Innenstadt fehlen die Kunden. Herr Gärtner, wie bewerten Sie als Geschäftsführer des Einzelhandelsverbands die Entwicklung?
    ANDREAS GÄRTNER: Die Entwicklung der Besucherzahlen sehen wir mit zunehmender Sorge, da Frequenz und Umsatz im Handel zumeist in unmittelbarem Zusammenhang stehen. Im vergangenen Jahr konnten die meisten Unternehmen die Einschränkungen aus der Substanz und durch die Wirtschaftshilfen einigermaßen kompensieren. Nachdem jedoch 2021 sowohl bis zum Frühsommer als auch jetzt im Weihnachtsgeschäft von Einschränkungen geprägt war und zudem auch in den Sommermonaten die Frequenzen hinter den Zahlen von 2019 zurückblieben, sehen sich viele Handelsbetriebe in der Innenstadt in einer existenzbedrohenden Situation.

    Seinen Arbeitsplatz hat Andreas Gärtner in einem Gebäude in der Schießgrabenstraße in Augsburg.
    Seinen Arbeitsplatz hat Andreas Gärtner in einem Gebäude in der Schießgrabenstraße in Augsburg. Foto: Silvio Wyszengrad

    Ist der massive Rückgang an Kunden nur auf Corona zurückzuführen oder gibt es andere Gründe?
    ANDREAS GÄRTNER: Aus unserer Sicht ist der Besucherrückgang zum größten Teil auf die Einschränkungen in Gastronomie, Tourismus und Handel zurückzuführen. Der Besuch der Innenstadt erfüllt ja in den meisten Fällen keinen reinen Versorgungszweck. In der Innenstadt möchte sich der Kunde entspannen, wohlfühlen, sicherfühlen, Spaß haben und vor allem auch ein gutes Gefühl mit nach Hause nehmen. Dies war im Jahr 2021 auf Grund der Einschränkungen, mit Ausnahme der Sommermonate kaum möglich.

    An welchen Stellschrauben müsste jetzt gedreht werden, um die Situation schnell zu verbessern?
    ANDREAS GÄRTNER: Die entscheidende Stellschraube ist die Pandemiebekämpfung. Solange ein Großteil der Bevölkerung eine gewisse Verunsicherung beim Besuch der Stadt oder bereits in den öffentlichen Verkehrsmitteln auf dem Weg in die Stadt verspürt, sind alle anderen Maßnahmen weitgehend wirkungslos. Wir müssen uns wieder sicher und geschützt fühlen. Solange Zugangsbeschränkungen, Maskenpflicht und weitere Beschränkungen gelten, kann kaum ein Besucher die Pandemielage ausblenden und den Besuch der Stadt vollumfänglich genießen.

    Welche Rolle spielt die Verkehrspolitik in Augsburg? Stichworte sind Fahrradstadt, Parkgebühren und die autofreie Maximilianstraße.
    ANDREAS GÄRTNER: Aus Sicht der Innenstadtakteure und vor allem des Handels kamen und kommen die getroffenen Entscheidungen zur Einschränkung des Individualverkehrs und die Entscheidung zur Erhöhung der Parkgebühren zu einem denkbar schlechtem Zeitpunkt. Obwohl sicherlich einige Entscheidungen notwendig und sinnvoll waren, ist es doch schwierig zu verstehen, warum in einer Situation in der Hotellerie, Gastronomie und Handel in der Innenstadt ums Überleben kämpfen und in Teilen der Besucher eine gewisse Angst vor der Nutzung des öffentlichen Nahverkehrs herrscht, durch die Entscheidungen kein Willkommenssignal an das Umland, sondern eher die Botschaft, "bleib mit deinem Auto zu Hause", gesendet wird. Dies ist aus meiner Sicht die falsche

    Wo kann sich der Handel selbst einbringen?
    ANDREAS GÄRTNER: Der Handel in der Innenstadt muss sich aus unserer Sicht noch weiter auf seine Stärken konzentrieren. Individualität, Warenverfügbarkeit Servicequalität und vor allem eine angenehme und kompetente Beratung sind die Alleinstellungsmerkmale des stationären Handels. Ein Einkaufsbummel durch die Stadt und anschließend ein Kaffee oder ein gutes Abendessen mit der Familie oder Freunden, das ist Lebensqualität und ein kleiner Urlaub vom Alltag. Wenn wir es schaffen, den Kunden in den Geschäften und in der Stadt zu begeistern, wird das volle Leben auch wieder in die Stadt zurückkommen.

    Natürlich stellt man sich jetzt auch die Frage, wie schlecht steht es um den Standort Augsburg im Vergleich mit anderen Städten und Regionen?
    ANDREAS GÄRTNER: Wie während der gesamten Pandemiezeit entwickeln sich die kleineren Städte wie Friedberg oder Aichach und die "Autostandorte" in der Peripherie deutlich besser als die Augsburger Innenstadt. In Augsburg kommt der Faktor Kaufkraft erschwerend hinzu, da das Funktionieren des Augsburger Innenstadthandels stark vom kaufkräftigen Umland abhängt. Nicht zu unterschätzen ist auch die Auswirkung des Rückgangs der Touristenzahlen auf die Innenstadt.

    Zur Person

    Andreas Gärtner ist Geschäftsführer des schwäbischen Einzelhandelsverbands. Sein Büro ist in Augsburg.

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