Startseite
Icon Pfeil nach unten
Augsburg
Icon Pfeil nach unten

Interview: "Für Meisterprüfungen mussten wir in die Tiefgarage ausweichen"

Interview

"Für Meisterprüfungen mussten wir in die Tiefgarage ausweichen"

    • |
    In einer Tiefgarage fanden bereits Meisterprüfungen aufgrund der Corona-Pandemie statt.
    In einer Tiefgarage fanden bereits Meisterprüfungen aufgrund der Corona-Pandemie statt. Foto: Handwerkskammer Schwaben

    "Es ist noch kein Meister vom Himmel gefallen", heißt es in einem Sprichwort. In Zeiten der Corona-Pandemie dürfte die Meisterprüfung in Handwerksberufen noch herausfordernder sein als ohnehin. Wie erleben Sie als Leiter der Bildungsstätten die Entwicklung der
    RAINER HÜLS: Corona hat nahezu alles durcheinandergewirbelt. Kurse und Prüfungen können bis heute nicht in der gleichen Anzahl an Teilnehmern durchgeführt werden, da die Schulungsplätze wegen der Abstandregeln um 40 Prozent reduziert sind. Dies führt bis heute zu Veränderungen der Kursangebote. Alte Räume wurden reaktiviert. Zum Teil wurde Unterricht in der Kantine abgehalten, oder Prüfungen wurden in der Tiefgarage durchgeführt.

    Wer einen Meisterkurs besucht, möchte sicherlich frühzeitig wissen, was ihn während der Fortbildungszeit erwartet. Wie sieht dies während einer Pandemie aus?
    HÜLS: Die sich wochenweise geänderten Regeln führten dazu, dass Teilnehmer zu Kursstart oder auch während laufender Kurse die Bedingungen für den Präsenzunterricht nicht mehr erfüllen konnten. Eine Planungssicherheit war für die Teilnehmenden dadurch nicht mehr gegeben, sodass immer wieder Teilnehmer die Kurse nicht mehr besuchen konnten. Das waren aber nicht einzigen Probleme.

    Welche Sorgen gab es ferner?
    HÜLS: Zum Beispiel hatten etliche Teilnehmer durch die von heute auf morgen verkündete Verkürzung des Genesenenstatus keine Zugangsberechtigung mehr. Sie mussten den Kurs abbrechen oder mit Wartezeit über eine Impfung den Zutritt wieder ermöglichen. Da nicht in allen Fällen hybrider Unterricht möglich war, verpassten somit Teilnehmer den Kurs vollständig oder teilweise.

    Die Digitalisierung wurde gerade während der Pandemie immer wichtiger. Wie zeigt sich dies bei Meisterprüfungen?
    HÜLS: In den Theorieeinheiten arbeiten fast ausschließlich freiberufliche Dozenten. Diese mussten in kürzester Zeit umfassend mit Lernplattformen und Konferenzsystemen vertraut gemacht werden. In der Regel auch mit allen auftretenden Problemen, da gerade am Anfang auch wegen der weitweiten starken Nutzung, die Systeme alles andere als stabil liefen. Wir haben 250 Lehrkräfte hier schnellstens ertüchtigt und eine eigene Fortbildungsmaßnahme "Digital Dozent" entwickelt, die wir jetzt bundesweit anbieten. Dabei mussten wir einige Dozenten von der Notwendigkeit erst überzeugen, aber alle haben sich dieser Herausforderung gestellt.

    Und wie ist die Situation für die angehenden Meisterinnen und Meister?
    HÜLS: Für die Teilnehmer war die Umstellung genauso rasant. Allerdings gab es hier große Unterschiede nach Gewerken. Während zum Beispiel die Elektrotechniker und Heizungsbauer in ihren Meisterkursen generell viel mit Notebook und Software arbeiten, waren hier schneller die Voraussetzungen für Distanzunterricht geschaffen als beispielsweise bei den Malern.

    Corona hat die Abläufe stark beeinflusst. Wurde dieser Entwicklung Rechnung getragen, in dem womöglich Prüfungen besser bewertet wurden als üblich, quasi ein Corona-Meisterbonus?
    HÜLS: Wegen der Veränderungen in den Stundenplänen oder den Ausfallzeiten ohne Nachholmöglichkeit wurden die Abstimmungen zwischen Prüfungsausschüssen und Bildungszentren stark intensiviert. Grundsätzlich hat sich an dem Niveau der Prüfungen keine Veränderung ergeben, aber die individuellen Corona-Rahmenbedingungen fanden natürlich Berücksichtigung. Etliche Inhalte der Prüfungen und Kurse haben sicherheitsrelevante Aspekte, in denen grundsätzlich keine Abstriche gemacht werden können.

    Rainer Hüls ist Leiter der Bildungsstätten bei der Handwerkskammer Schwaben.
    Rainer Hüls ist Leiter der Bildungsstätten bei der Handwerkskammer Schwaben. Foto: Handwerkskammer Schwaben

    Wie lange dauert die Ausbildung zum Meister?
    HÜLS: In Vollzeit dauert ein Meisterkurs bis zu 1700 Unterrichtsstunden zuzüglich Prüfungen in vier Teilen. Teil 1 ist die Fachpraxis mit dem Meisterstück als Prüfungsteil, Teil 2 ist die Fachtheorie, Teil 3 ist ein allgemein-theoretischer Teil zu unternehmerischen u. a. betriebswirtschaftlichen-rechtlichen Themen und Teil 4 ist Berechtigung zur Ausbildung.

    Wirkt sich Corona auf die Zahl der Meister aus?
    HÜLS: Insgesamt sind seit Corona die Zahlen leicht gesunken. Da der Fokus der Handwerkskammer in dieser Zeit auf der Verlässlichkeit der Meisterfortbildung lag, haben sich die Rückgänge hier aber nicht so bemerkbar gemacht wie in anderen Fortbildungsbereichen. Dies heißt, alle Ressourcen wurden schwerpunktmäßig diesen Kursen zugeteilt, damit die gleichgebliebene Nachfrage bedient werden konnte. Insgesamt waren 2021 annähernd 1120 Teilnehmer in Meisterkursen und damit rund zehn Prozent weniger als im Vor-Corona-Jahr 2019.

    Zur Person

    Rainer Hüls ist Leiter der Bildungsstätten bei der Handwerkskammer Schwaben. Sie hat ihren Sitz in Augsburg.

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden