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Interview: Forscherin zur Maxstraße: "Man muss öffentliche Räume erfahrbar machen"

Interview

Forscherin zur Maxstraße: "Man muss öffentliche Räume erfahrbar machen"

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    Jennifer Schubert forscht an der Hochschule Augsburg zu öffentlichen Räumen. Auch zur Maximilianstraße hat sie eine Meinung.
    Jennifer Schubert forscht an der Hochschule Augsburg zu öffentlichen Räumen. Auch zur Maximilianstraße hat sie eine Meinung. Foto: Silvio Wyszengrad

    Frau Professor Schubert, haben Sie in Augsburg schon einen Lieblingsort?
    JENNIFER SCHUBERT: Beim Spazierengehen habe ich das Prinz-Karl-Quartier entdeckt. Dort hat man den Eindruck, es ist ein lebenswerter Ort. Die Bewohnerschaft ist heterogen und das Miteinander scheint zu funktionieren. Die Bausubstanz verbindet alt und neu. Dort sieht man auch, was eine autofreie Nachbarschaft bewirken kann. Kinder haben sogar Platz, um mitten in der Stadt Drachen steigen zu lassen.

    Als Professorin beschäftigen Sie sich mit partizipativer Gestaltung und digitaler Inklusion. Was kann man sich darunter vorstellen? 
    SCHUBERT: Am besten nenne ich ein Beispiel. In Berlin habe ich zusammen mit anderen Forschenden und dem Senioren-Computer-Club einen digital-analogen Briefkasten entwickelt, um Nachbarschaften besser zu vernetzen und auch Menschen zu erreichen, die nicht online sind. In der "Hybrid Letterbox" gibt es einen Einwurfschlitz. Man kann dort handschriftliche Nachrichten mit Verbesserungsvorschlägen fürs Viertel einwerfen, oder gezeichnete Mitteilungen von Kindern, oder Notizen in der jeweiligen Muttersprache. Die Botschaften werden in der Box abfotografiert und man kann zusehen, wie sie Eingang in den digitalen Raum des Viertels finden. 

    Wie kommt der Briefkasten an?
    SCHUBERT: Mit dem Projekt gewann der Senioren-Computer-Club den Nachbarschaftspreis der Stadt Lübeck. Es sollte im Nachgang auf politisches, nachbarschaftliches Engagement ausgedehnt werden. Das Konzept fand auch Anklang in anderen Städten, etwa in Dresden oder Jerusalem.

    Worum geht es bei Ihrer Forschung grundsätzlich?
    SCHUBERT: Partizipative Gestaltung bedeutet, dass Nutzende an einem Gestaltungsprozess beteiligt werden, im besten Fall von Anfang an. Menschen bei Veränderungen mitzunehmen, macht Sinn, um ihren Bedürfnissen und Problemen gerecht zu werden. Wichtig ist aus meiner Sicht, auch Personen zu befragen, die zu den sogenannten stillen Gruppen gehören und die sich normalerweise nicht zu Wort melden. Die Frage ist: Wie kann ich sie niederschwellig motivieren, am Prozess teilzunehmen?

    Sie forschen zur Gestaltung öffentlicher Räume und wie man den Bedürfnissen der Nutzer gerecht werden kann. Was sagen Sie zur aktuellen Diskussion über die weitgehend autofreie Maximilianstraße?
    SCHUBERT: Ich verfolge die Diskussion am Rande und bin selbst in der Maximilianstraße unterwegs. Ich begrüße es sehr, wenn Flächen nicht durch Autos blockiert werden, sondern beispielsweise für Außengastronomie oder Treffpunkte wie Parklets und Bänke genutzt werden können. Auch mehr Grün in der Stadt ist eine wichtige Dimension. Man muss Utopien für nachhaltige Lebensweisen erfahrbar und spürbar machen, um ein Umdenken bei den Menschen in Gang zu bringen. 

    Die Interessen in der Maximilianstraße sind teils konträr. Kritiker bemängeln, sie seien von der Stadt angehört worden, trotzdem seien ihre Argumente unter den Tisch gefallen. Was sagen Sie dazu?
    SCHUBERT: Man muss nicht nur Wünsche aufnehmen, sondern auch Transparenz schaffen, wie man damit umgeht. Man kann beispielsweise darstellen, wie man sie kurzfristig, mittelfristig und langfristig bearbeitet und welches Budget zur Verfügung steht. Von diesen Punkten scheint mir etwas nicht erfüllt worden zu sein. 

    Wie könnte ein partizipativer Lösungsansatz in der Maximilianstraße aussehen?
    SCHUBERT: Besonders im Stadtraum gibt es viele unterschiedliche Interessen. Man muss schauen, was wollen die Menschen vom öffentlichen Raum. Und man muss fragen: Wo sind mögliche Anknüpfungspunkte, wo kann man Kompromisse finden?

    Sollte die Zeit für Autos in Innenstädten vorbei sein? 
    SCHUBERT: Generell ja. Damit meine ich aber nicht, dass Innenstädte mit dem Auto überhaupt nicht mehr erreichbar sein sollen. Man darf nicht schwarz-weiß denken. Rollstuhlfahrende etwa müssen die Möglichkeit behalten, mit dem Auto ins Zentrum zu kommen. Grundsätzlich sollte jedoch das Prinzip gelten, öffentliche Räume lebenswert zu gestalten. Das setzt voraus, dass sie offen genutzt werden können. Warum nicht Parklets auf Rädern in der Maxstraße, die man auch mal umstellen kann? Oder ein öffentlicher Filmabend, um die Straße zu beleben. 

    Welche Themen beschäftigen Sie als Designprofessorin an der Hochschule?
    SCHUBERT: Das Lehrgebiet der partizipativen Gestaltung ist zukunftsorientiert und der Grund, warum ich nach Augsburg gekommen bin. Alle reden davon, aber in der Lehre wird es im deutschsprachigen Raum noch sehr selten angeboten. In diesem Bereich geht es auch darum, Technologien bedarfsgerecht für Nutzende zu entwickeln. Damit beschäftigen wir uns im Studiengang Creative Engineering. Grundsätzlich sehe ich bei diesem Thema ein großes Potenzial, um unsere gespaltene Gesellschaft wieder besser zusammenzuführen. 

    Zur Person

    Jennifer Schubert, 37, ist Inhaberin der neu geschaffenen Professur „Partizipative Gestaltung“ an der Technischen Hochschule Augsburg, finanziert aus Mitteln der Hightech-Agenda Bayern. Sie studierte Designforschung in Köln sowie Communication Design in New York und promovierte in Berlin zum Thema „Civic Tools – Werkzeuge zur sozialen und politischen Partizipation von Nachbarschaften“. Zuletzt war sie Dozentin an der Freien Universität Bozen.

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