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Interview: Expertin über Corona-Krise: "Der Augsburger Arbeitsmarkt ist nicht tot"

Interview

Expertin über Corona-Krise: "Der Augsburger Arbeitsmarkt ist nicht tot"

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    Etwa ein Drittel aller Firmen in Augsburg hat aktuell Kurzarbeit angemeldet. Andere Unternehmen arbeiten dafür mehr als vor der Corona-Krise.
    Etwa ein Drittel aller Firmen in Augsburg hat aktuell Kurzarbeit angemeldet. Andere Unternehmen arbeiten dafür mehr als vor der Corona-Krise. Foto: Martina Diemand

    Frau Koller-Knedlik, die Corona-Krise hat die Wirtschaft und viele Unternehmen schwer getroffen. Die Kurzarbeiterzahlen sind zuletzt auch in und um Augsburg drastisch gestiegen. Wie beurteilen Sie diese Entwicklung?

    Elsa Koller-Knedlik: Ja, die aktuellen Zahlen haben auch uns erst einmal aufhorchen lassen. Gut 36 Prozent der Betriebe im Agenturbezirk Augsburg haben mittlerweile Kurzarbeit angezeigt. Das betrifft etwa 81000 der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten. Wie viele Betriebe nach der Anzeige der Kurzarbeit tatsächlich auch den entsprechenden Antrag stellen, wird sich zeigen. Aber das ist auf den ersten Blick schon eine große Zahl.

    Und auf den zweiten Blick?

    Elsa Koller-Knedlik leitet seit 2017 die Agentur für Arbeit Augsburg.
    Elsa Koller-Knedlik leitet seit 2017 die Agentur für Arbeit Augsburg. Foto: Agentur für Arbeit

    Elsa Koller-Knedlik: Etwa ein Drittel der Betriebe und deren Mitarbeiter befinden sich unserer Statistik nach aktuell in Kurzarbeit. Das heißt aber auch, dass zwei Drittel der Unternehmen weiter arbeiten wie bisher. Manche sogar mit Überlast. Ich will nichts schönreden, aber dennoch auch auf diesen Umstand hinweisen.

    Trotzdem liegen de Kurzarbeiterzahlen deutlich höher als zu Zeiten der Wirtschaftskrise 2008/2009. Bereitet Ihnen das nicht Sorgen?

    Elsa Koller-Knedlik: Im Gegenteil. Diese Entwicklung zeigt, dass sich das Instrument der Kurzarbeit bewährt hat. Firmen haben erkannt, dass so große Entlassungswellen verhindert werden können. Das ist ein positives Signal. Für die Beschäftigten und auch für die Firmen.

    Der Fachkräftemangel war vor Corona für viele Betriebe eines der bestimmenden Themen. Sie fanden nur schwer neue Beschäftigte. Hat sich das nun mit einem Schlag erledigt?

    Elsa Koller-Knedlik: Ganz klar, nein! Die hohe Zahl an Kurzarbeit zeigt auch, dass Unternehmen ihre Fachkräfte unbedingt halten wollen. Denn es wird eine Zeit nach Corona geben und auch den demografischen Wandel hält die Corona-Krise nicht auf. Das heißt, auch künftig müssen Unternehmen scheidende Kompetenzen – also ältere Beschäftigte, die in Rente gehen – durch neue Mitarbeiter ersetzen. Darüber hinaus werden nach Corona neue Kompetenzen gefragt sein, die man aktuell noch nicht im Haus hat und sich folglich holen muss. Das Thema ist nicht vom Tisch, sondern derzeit nur in die zweite Reihe zurückgetreten.

    Glauben Sie denn gar nicht, dass der Arbeitsmarkt nach der Krise stärker umkämpft sein wird?

    Elsa Koller-Knedlik: Es stimmt, die Arbeitslosenzahlen sind im Vergleich zum Vorjahresmonat um 43 Prozent gestiegen, vor allem im Bereich Zeitarbeit. Und natürlich wird es leider Firmen geben, die trotz Kurzarbeit schließen müssen und dann Fachkräfte freisetzen. Und ja, es werden auch weniger offene Stellen ausgeschrieben. Vor Corona hatten wir in unserer Stellenbörse durchschnittlich pro Monat mehr als 1000 neue Stellen. Seit Mitte März wurden uns knapp 300 neue Stellen gemeldet, verstärkt aus dem Handwerk, der Pflege und der öffentlichen Verwaltung. Aber es werden noch freie Stellen gemeldet. Fachkräfte sind also weiter gesucht und der Arbeitsmarkt ist damit längst nicht tot. Er hat an Dynamik verloren.

    Wird das Ihrer Einschätzung nach auch so bleiben?

    Elsa Koller-Knedlik: Wir beobachten, dass viele Unternehmen überlegen, welche Produkte und Themen sie künftig spielen wollen. Für die Umsetzung ist unter Umständen auch der ein oder andere neue Mitarbeiter mit entsprechenden Kompetenzen gefragt. Dazu gibt es in der Krise auch Gewinner wie beispielsweise bei den Lieferdiensten oder den Entwicklern neuer Dienstleistungen. Hier werden bereits jetzt an manchen Stellen in Augsburg neue Arbeitsplätze geschaffen.

    Wie sieht die Lage auf dem Ausbildungsmarkt aus?

    Elsa Koller-Knedlik: Derzeit halten noch die allermeisten Firmen daran fest, ihre Fachkräfte für morgen weiter selbst auszubilden. Das begrüßen nicht nur wir, sondern auch die Wirtschaftskammern IHK und HWK, mit denen wir hier in engem Austausch stehen. Wir glauben auch, dass das wichtig ist. Denn noch einmal: Das Thema Fachkräftesicherung hat sich mit Corona nicht erledigt. Ebenso wenig wie das Thema Weiterbildung und Qualifizierung.

    Weiterbildung und Qualifizierung lagen Ihnen schon vor Corona am Herzen. Warum bleibt das relevant?

    Elsa Koller-Knedlik: Nach wie vor ist es für Mitarbeiter wichtig, nicht den Anschluss an neue Entwicklungen wie die Digitalisierung, zu verpassen. Nur dann bleiben sie für den Arbeitgeber interessant. Betriebe können über Weiterbildung die Kompetenzen schulen, die ihnen womöglich noch fehlen. In Kurzarbeiterphasen entstehen hierfür eventuell die nötigen Zeitfenster. In Zusammenarbeit mit den Kammern und Bildungsträgern bieten wir hier entsprechende Angebote, die wir auch finanziell unterstützen.

    Elsa Koller-Knedlik leitet seit 2017 die Agentur für Arbeit Augsburg. Zuvor war sie Agentur-Chefin in Nürnberg.

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