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Interview: Fachkräftemangel: Es braucht auch in Augsburg Zuzug aus dem Ausland

Interview

Fachkräftemangel: Es braucht auch in Augsburg Zuzug aus dem Ausland

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    Ob in der Pflege oder in anderen Branchen: Der Fachkräftemangel wird auf dem Arbeitsmarkt das bestimmende Thema bleiben.
    Ob in der Pflege oder in anderen Branchen: Der Fachkräftemangel wird auf dem Arbeitsmarkt das bestimmende Thema bleiben. Foto: C. Schmidt, dpa (Symbol)

    Frau Koller-Knedlik, Herr Fürst, die Wirtschaft steckt seit mehr als zwei Jahren in der Krise. Erst Corona, jetzt der Ukraine-Krieg. Wie hat sich das am Arbeitsmarkt in Augsburg bemerkbar gemacht?
    ELSA KOLLER-KNEDLIK: Trotz der Krisen haben wir bei den Arbeitslosenzahlen keine großen Ausbrüche nach oben erlebt. Die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten ist nach Corona auch wieder gestiegen. Augsburg ist keine Krisenregion, das belegen aktuelle Studien. Wir sind nicht wie andere deutsche Städte von Unternehmen abhängig, die wegen extrem hoher Verbräuche an Gas und Strom von der Krise schwerst getroffen sind. Ganz generell sind wir von keinem einzelnen Arbeitgeber abhängig, wie es beispielsweise in anderen Städten der Fall ist. Wieder einmal kommt uns der Branchenmix in der Region zu Gute. Das stimmt für 2023 optimistisch.

    Was bedeutet optimistisch konkret?
    KOLLER-KNEDLIK: Aktuelle Hochrechnungen sagen, dass wir in Augsburg und der Region für 2023 mit nur leicht steigenden Arbeitslosenzahlen beziehungsweise einer Stagnation auf dem aktuellen Niveau rechnen dürfen. 

    Das bedeutet im Umkehrschluss, dass die Betriebe die Krise trotz einiger Sorgen wohl gut verkraften werden?
    ROLAND FÜRST: Natürlich macht die Krise den Unternehmen zu schaffen und gerade inhabergeführte Betriebe, deren Chefs kurz vor der Rente stehen, überlegen sich, ob die Krise nicht der Zeitpunkt ist, aufzuhören. Es gibt aber auch Unternehmen, die die Krise als Chance sehen. Dazu muss man sagen: Krise trifft derzeit auf Knappheit. Damit meine ich den Fachkräftemangel. Viele Unternehmen werden derzeit genau überlegen, ob sie gute Mitarbeiter entlassen. Und gut wird mittlerweile anders bewertet als noch vor 15 Jahren: Beschäftigte mit weniger Qualifikation haben genauso gute Chancen, ihren Arbeitsplatz in der Krise zu behalten.

    Roland Fürst ist Geschäftsführer Operativ der Agentur für Arbeit Augsburg.
    Roland Fürst ist Geschäftsführer Operativ der Agentur für Arbeit Augsburg. Foto: Agentur für Arbeit Augsburg

    Wie sehr wird uns das Thema Fachkräftemangel weiter begleiten?
    KOLLER-KNEDLIK: Das wird das bestimmende Thema bleiben und wir werden uns auf Zuzug von ausländischen Fach- und Arbeitskräften einstellen müssen. Diese werden aus Drittstaaten kommen. Denn in der eigenen Region, dem eigenen Land und auch innerhalb der EU stoßen wir an unsere Grenzen. Wir hoffen hier auf eine Novellierung des Fachkärfteeinwanderungsgesetzes. Wir brauchen niedrigere Hürden, um die Beschäftigung ausländischer Menschen leichter zu machen. Aktuell gibt es in Deutschland 1200 Anlaufstellen, die prüfen, ob ein im Ausland erzielter Abschluss hier anerkannt werden kann. Das muss verschlankt werden. Wir müssen auch überlegen, ob für jeden Beruf tadellose Deutschkenntnisse erforderlich sind oder wir mit weniger klar kommen.

    Welche Möglichkeiten bietet die Agentur für Arbeit heute schon Betrieben, ausländische Beschäftigte anzuwerben?
    FÜRST: Wir arbeiten mit allen entscheidenden Stellen zusammen - den Ausländerbehörden, den Krankenkassen, den Kammern, der Regio Augsburg, den Wirtschaftsreferaten und so weiter. Am Anfang geht es um so einfache Dinge, wie die richtigen Ansprechpartner zu ermitteln und den Betrieben zur Verfügung zu stellen. Wir müssen den Zugang zu Informationen so einfach wie möglich gestalten. Denn uns ist auch klar, dass sich der Firmenchef am Abend nach der Buchhaltung nicht auch noch seitenweise Vorschriften durchlesen will. 

    Wie leicht sind ausländische Beschäftigten zu integrieren?
    FÜRST: Die Menschen kommen nicht als fertige Beschäftigte, sondern wir müssen sie qualifizieren. Dazu haben wir aber die finanziellen Mittel. Allein in diesem Jahr haben wir in unserem Zuständigkeitsbereich 1000 Menschen in Qualifizierungsmaßnahmen entweder fit für weitere Aufgaben in ihrem erlernten Beruf gemacht oder ihnen einen Abschluss ermöglicht. Darunter auch Flüchtlingen. Das geht nicht von heute auf morgen, aber es geht und wir brauchen diese Arbeits- und Fachkräfte. 

    Elsa Koller-Knedlik, leitet die Arbeitsagentur Augsburg
    Elsa Koller-Knedlik, leitet die Arbeitsagentur Augsburg Foto: Silvio Wyszengrad (Archiv)

    Das klingt in der Theorie gut, aber wie gut kommen Flüchtlinge am Ende tatsächlich in Arbeit?
    FÜRST: Es gab zu Beginn der Flüchtlingswelle 2015/16 eine Einschätzung, dass nach fünf Jahren rund 50 Prozent der Flüchtlinge in Arbeit sind. Stand heute trifft es das in etwa. Ich finde, das ist eine gute Quote, denn wir müssen auch weiter denken. Die Flüchtlinge von damals haben Kinder, die unsere Fachkräfte von morgen sind. 

    Wie gut läuft die Integration der ukrainischen Flüchtlinge in Augsburg?
    KOLLER-KNEDLIK: Seit Juni konnten wir von den aktuell rund 2200 Flüchtlingen 111 direkt in Arbeit bringen. Rund 500 machen Integrationskurse und können danach eine Qualifizierung starten. Ein Berufseinstieg ist dann Ende 2023, Anfang 2024 möglich. Das geht langsamer als gehofft, aber die Situation ist auch nicht einfach. Wer kann schon in sechs Monaten eine neue Sprache so erlernen, dass er auch im Job keine Probleme hat, noch dazu unter den gegebenen Umständen? Wenn sie nicht wissen, in welchem Schützengraben ihr Mann oder Sohn gerade liegt, dann sind sie mit ihren Gedanken eher bei ihnen.

    Haben Sie Sorge, dass die Menschen hier qualifiziert werden und dann zurück in ihr Land gehen?
    KOLLER-KNEDLIK: Es wird solche Fälle geben, aber ich denke, die Mehrheit der Menschen wird bleiben. Denn wenn wir uns die Bilder aus der Ukraine ansehen, dann haben manche alles verloren. Mit welcher Perspektive würden sie zurück in ihr Land gehen? In allen anderen Fällen haben wir wichtige und nachhaltige Wirtschaftsförderung betrieben. Diese Menschen nehmen Kontakte, Erfahrungen mit deutschen Maschinen und so weiter mit in die

    Zur Person

    Elsa Koller-Knedlik leitet seit 2017 als Vorsitzende der Geschäftsführung die Agentur für Arbeit Augsburg. Roland Fürst ist Geschäftsführer Operativ und seit 2006 in Augsburg.

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