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Interview: Architektur in Augsburg: "Erhaltenswerte Bauten mehr in den Blick nehmen"

Interview

Architektur in Augsburg: "Erhaltenswerte Bauten mehr in den Blick nehmen"

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    Augsburgs Stadtheimatpfleger Hubert Schulz plädiert dafür, auch nicht geschützte Bestandsgebäude öfter stehen zu lassen.
    Augsburgs Stadtheimatpfleger Hubert Schulz plädiert dafür, auch nicht geschützte Bestandsgebäude öfter stehen zu lassen. Foto: Peter Fastl

    Herr Schulz, Sie treten eine dritte Periode als Stadtheimatpfleger für Denkmalpflege, Planen und Bauen an. Beim Städtebau gibt es in Augsburg so einige Streitthemen. Auch Sie standen politisch in der Schusslinie. Warum tun Sie sich das mit 82 Jahren weiter an?

    Schulz: Ich werde als Berater bei größeren städtebaulichen Themen hinzugezogen, die Augsburgs Vergangenheit mit der Zukunft verbinden sollen. Die Zusammenarbeit mit der Stadtplanung klappt sehr gut. Deshalb will ich weitere fünf Jahre im Ehrenamt anhängen.

    Wie viele Bauvorhaben hatten Sie in der abgelaufenen Periode auf dem Tisch und wo sehen Sie Erfolge?

    Schulz: Für mich waren es - gefühlt - fast unzählige Projekte. Positiv war der Neubau Max23 in einer Baulücke an der kurzen Maximilianstraße. Frühere Investoren hatten viel zu große Baumassen vorgesehen. Zusammen mit der Stadt und dem Bauherrn haben wir eine verträgliche Lösung gefunden. Auch das Gesicht des neuen Hauses kann sich neben den historischen Gebäuden sehen lassen. Für die Gestaltung konnte ich einen renommierten Züricher Architekten vermitteln. Schließlich geht es in der Maximilianstraße um einen der schönsten Straßenzüge Augsburgs, in dem die städtebauliche Struktur gewahrt bleiben muss.

    Was steht noch auf Ihrer Positiv-Liste?

    Schulz: Bei einem Wohnbauprojekt in der Georgenstraße konnten wir zusammen mit dem Investor, der Stadt und dem Denkmalschutz viel erreichen. Aus typischer Bauträger-Architektur ist ein Neubau geworden, der auf die umliegenden Häuser im historischen Georgsviertel Rücksicht nimmt. Auch bei der Neubebauung des Hasenbräu-Geländes ist nicht alles schlecht. Im letzten Abschnitt zwischen Armenhausgasse und Kapuzinergasse konnten manche Elemente der alten Mälzerei erhalten werden.

    Historische Gebäude in Augsburg: "Der Bestand ist ein Stück Heimat"

    Zu wenig bezahlbarer Wohnraum, viele Zuzügler: In Augsburg ist der Bebauungsdruck stark gestiegen - mit teils fatalen Folgen für die historische Bausubstanz. Einige Kritiker meinen, dass in Augsburg zu viele alte Gebäude abgerissen werden, um neue Wohnungen zu bauen. Was meinen Sie?

    Schulz: Es gibt die geschützten Baudenkmäler und Ensembles, und es gibt den Begriff der erhaltenswerten Bausubstanz, bei der der Denkmalschutz nicht greift. Auch Letztere müsste in Augsburg stärker in den Blick genommen werden. Dabei geht es nicht nur um die "graue Energie", die bestehende Bauten haben. Aus Klimaschutzgründen sollten sie nicht total abgeräumt werden. Der Bestand ist auch ein Stück Heimat für Anwohner. Deshalb muss man vorsichtig agieren, wenn es um eine neue Bebauung geht. In anderen Ländern, etwa Italien, ist man da teilweise weiter. Wir in Deutschland leiden darunter, dass der Denkmalschutz oft zu dogmatisch gesehen wird. Das war in der Vergangenheit auch in Augsburg so.

    "Übers Gärtnerhaus wurde viel zu spät diskutiert"

    Die Stadt hat stark umstrittene Abbrüche historischer Bauten zugunsten von großen neuen Wohnprojekten zugelassen. Ein Beispiel ist das alte Gärtnerhaus am Martinigelände, ein anderes sind mehrere alte Gebäude der früheren amerikanischen Reese-Kaserne. War das aus Ihrer Sicht richtig?

    Schulz: Rückblickend ist über das Gärtnerhaus viel zu spät diskutiert worden. Der Bebauungsplan für das Martinigelände war da, damit war der Zug abgefahren. Planer müssen rechtzeitig für solche Zusammenhänge sensibilisiert werden. Grundsätzlich bin ich der Meinung, dass man auch mit einer neuen Bebauung historische Kontinuität aufbauen kann. Man kann sich davon inspirieren lassen, was vorher da war. Das nennt man referenzielle Architektur.

    Bei der Sanierung eines wichtigen Baudenkmals im Lechviertel - dem Gignoux-Palais - gerieten Sie als Heimatpfleger selbst in die Kritik. Sie hatten sich damals für "kreative Denkmalpflege" ausgesprochen und einige Eingriffe des Bauherrn befürwortet, die höchst umstritten waren. Was sagen Sie heute zu diesem Streitfall?

    Schulz: Die Kritik an mir fand ich nachvollziehbar. Es geht aber nicht darum, wer Recht hat, Argumente müssen abgewogen werden. Die Diskussion hat sich damals an Details wie historischen Grundrissen und neuen Balkonen entzündet. Nun sollten wir das Ergebnis abwarten. Ich bin selbst gespannt. Bauherren müssen auch mit Vorhaben in denkmalgeschützten Objekten Geld verdienen können. Das dürfen wir nicht aus den Augen verlieren.

    Was ist für Sie das wichtigste Projekt in den kommenden fünf Jahren?

    Schulz: Ganz wichtig ist mir, das Theaterquartier anspruchsvoll zu gestalten und neu zu beleben. Es geht darum, die bestehenden städtebaulichen Strukturen weiterzuentwickeln und Neubauten gut zu integrieren. Dazu laufen umfangreiche Diskussionen mit der Denkmalpflege, aber wir sind gemeinsam auf einem guten Weg. Für die Gestaltung der Freiflächen wird es einen Wettbewerb geben und Verkehrsprobleme müssen gelöst werden. Ich denke, mit dem Theater als Attraktion in der Mitte kann es ein reizvolles Quartier zum Ausgehen mit Restaurants und Kneipen werden.

    Herr Schulz, haben Sie mit 82 noch nicht daran gedacht, Ihr Ehrenamt abzugeben und sich ins Privatleben zurückzuziehen? Oder findet sich kein Nachfolger?

    Schulz: Die Stadtheimatpflege ist für mich als Architekt und mit meiner beruflichen und privaten Biografie mein Lebensinhalt. Ein Teil meiner Familie stammt aus Venetien. Meine Beziehung zu Italien befruchtet auch meine Arbeit als Heimatpfleger. Mit der Nachfolgefrage habe ich mich noch nicht beschäftigt.

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