„Als ich 2014 als Apotheker angefangen habe, gab es in Haunstetten noch zehn Apotheken - jetzt sind es noch vier.“ Apotheker Marc Lindermeir führt in dem Stadtteil die Tattenbach-Apotheke und macht sich Sorgen um seinen Berufsstand. Apotheken sind nicht nur in Augsburg in der Krise - doch die Probleme in Haunstetten sind teilweise auch „stadtgemacht“, ist seine Überzeugung.
In den letzten zehn Jahren ist die Zahl der Apotheken in Bayern kontinuierlich gesunken. Im Jahr 2010 gab es im Freistaat 3430 Apotheken. Bis 2020 reduzierte sich diese Zahl auf 3020, was einem Rückgang von über zehn Prozent entspricht. Aktuellere Daten zeigen, dass dieser Abwärtstrend anhält. Ende des ersten Quartals 2023 gab es in Bayern nur noch 2853 Apotheken, den niedrigsten Stand seit Anfang der 1980er-Jahre. Neuere Zahlen gibt es noch nicht, meldet die Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände. Die flächendeckende Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln sei derzeit aber noch nicht gefährdet, so die Vereinigung. Mit einer Dichte von knapp 23 Apotheken pro 100.000 Einwohnerinnen und Einwohnern bewegt sich Augsburg über dem Niveau in Deutschland (22 Filialen pro 100.000 Einwohner) und Schwaben (rund 19 pro 100.000).
In den letzten Wochen haben im Zentrum von Haunstetten mit der Vita-Apotheke und der Hofacker-Apotheke zwei Geschäfte geschlossen. Gerade für ältere Menschen, die auf fußläufige Versorgung angewiesen sind, sei die Versorgung damit schlechter geworden, so Lindermeir.
Zu wenig Geld, zu wenig Personal für die Apotheken
Es gebe verschiedene Gründe für das Apothekensterben, berichtet er. Politisch geht es um Geld. Seit 2004 sei das Honorar von 6,35 Euro pro Medikament nicht mehr angehoben worden. „Davon müssen wir alles bezahlen - das reicht einfach nicht“, so der Apotheker. Um auf diese Probleme aufmerksam zu machen, organisierten Apotheken bundesweit Protestaktionen. Im Juni 2023 blieben viele Apotheken geschlossen, um auf Lieferengpässe, Personalmangel und Unterfinanzierung hinzuweisen.
Das Thema scheint bei den Apothekern schwierig zu sein. Mehrere Augsburger Apothekenbetreiber wollten sich auf Anfrage nicht äußern oder zogen ihre im Interview getätigten Aussagen wieder zurück. Dabei pflichten sie offenbar grundsätzlich den Aussagen von Marc Lindermair und der Bundesvereinigung Deutscher Apotheker zu. „In 20 Jahren entwickeln sich Löhne und Gehälter einfach weiter und es kommen immer weitere Aufgaben dazu“, sagt ein Apotheker, der nicht genannt werden möchte. Es gehe nicht an, dass das Honorar für die Apotheken in derselben Zeit um keinen Cent angehoben werde. „Die Situation ist einfach schwierig und niemand möchte Geld zum Arbeiten mitbringen“, so der Apotheker.
Für Marc Lindermeir ist auch der Personalmangel ein Problem - insbesondere weil er mit einer zweiten großen Herausforderung zusammenfällt, der sich die Apotheken gerade gegenübersehen: „Die Nichtlieferbarkeit vieler Medikamente frisst uns auf“, so Lindermeir. Das Heraussuchen von Alternativpräparaten und der gewaltige Dokumentationsaufwand, den dieses Problem verursache, sei nur mit viel Personal zu bewerkstelligen - welches es nicht gibt. „Und das für 6,35 Euro pro Medikament“, wiederholt er. „Unter diesen Bedingungen ist die Situation für die Angestellten wie für die Kunden wirklich schwierig.“
Sorge bereitet ihn auch der Rückgang der Arztpraxen im Stadtteil. „Von zehn Ärzten, die es hier gab, sind gerade noch drei übrig“, berichtet er. Die Praxen würden vor allem aus Altersgründen aufgegeben – Nachfolger seien nicht in Sicht. Und ohne Ärzte gebe es natürlich auch keine Verschreibungen von Medikamenten.
So gab es im Woolworth-Gebäude, in dem auch die geschlossene Hofacker-Apotheke zu finden ist, früher fünf Ärzte. Jetzt ist es noch eine Arztpraxis, die aber Anfang kommenden Jahres ebenfalls ausziehen möchte.
Die Versorgung mit Apotheken in Haunstetten ist noch ausreichend
„Bei der momentanen Ärztedichte in Haunstetten ist die Versorgung mit Apotheken in Haunstetten noch ausreichend“, sagt der Sprecher der Augsburger Apotheker, Ulrich Koczian. Wie überall befände sich auch der Stadtteil in einem Strukturwandel - weg von kleinen Einzelpraxen hin zu Ärztezentren. Er sieht auch den geplanten Stadtteil Haunstetten Südwest mit Sorge. „Egal, wie viele Menschen dort leben werden. Wenn es keine Ärzte mehr gibt, braucht es dort auch keine Apotheke“, so der Sprecher.
Die Apotheken, die in Haunstetten zuletzt zugemacht haben, hätten das nicht wegen Erfolgslosigkeit getan. „Das sind einfache betriebswirtschaftliche Überlegungen“, Koczian. „Wenn es 20 Jahre lang keine Honoraranpassung gibt, aber die Kosten alle um 60 bis 80 Prozent gestiegen sind, dann funktioniert das irgendwann nicht mehr“, so der Apothekensprecher.
Marc Lindermeir ärgert sich auch über den Zustand, in dem sich Alt Haunstetten gerade befindet. „Als ich die Apotheke 2014 übernommen habe, habe ich sehr auf Haunstetten-Südwest gesetzt, weil uns eine moderne Infrastruktur versprochen wurde – aber da tut sich ja gar nichts.“ Die Hofackerstraße werde nicht saniert und an der Kreuzung Inninger Straße/Landsberger Straße sähen der ehemalige Wienerwald und das ehemalige Hotel Gregor verwahrlost aus. Alt-Haunstetten lade immer weniger zum Einkaufen ein – die Menschen gingen lieber in die Gewerbegebiete an der Peripherie. „Ich verstehe ja, dass die Stadt wenig Geld hat – aber dass in Haunstetten gar nichts mehr gemacht wird, finde ich schwierig“, so der Apotheker.
Versandhandel ist für die Apotheken eine große Konkurrenz
„Die Zeiten, zu denen es in der Stadt alle 50 Meter eine Apotheke gab, sind definitiv vorbei - dafür sorgt schon der Versandhandel“, weiß Lindermeir. Auch hier sei die Konkurrenz spürbar. „Wir konkurrieren mit Versandhandel in Holland, der keinen Nachtdienst und keinen Notdienst anbieten muss und obendrein Rabattaktionen anbieten kann, die uns als deutsche Apotheken nicht erlaubt sind“, erklärt er. Man versuche den Versandapotheken mit besonders gutem Service, wie beispielsweise einer Medikamentenlieferung, paroli zu bieten.
Die vier verbleibenden Apotheken im Zentrum von Haunstetten werden wohl überleben, glaubt Lindermeir auch nach Gesprächen mit seinen Kollegen. „Vier Apotheken sind ok – da haben die Menschen auf dem Land ganz andere Sorgen“, sagt er. Und die Haunstetter brauchten ja nicht weniger Medikamente – das Geschäft verteile sich jetzt auf die verbleibenden Apotheken.
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