Sollen Abtreibungen in Deutschland legalisiert werden? Mehr als 200 Bundestagsabgeordnete haben sich vorvergangene Woche parteiübergreifend hinter einen Antrag zur Neuregelung von Schwangerschaftsabbrüchen gestellt. Darunter auch die Augsburger Abgeordneten Claudia Roth (Grüne) und Ulrike Bahr (SPD). Der Gesetzesentwurf, über den nach dem Willen der Initiatoren noch vor den Neuwahlen im Februar abgestimmt werden soll, sieht vor, dass Abtreibungen bis zur zwölften Woche rechtmäßig werden. Bisher sind sie nach Paragraf 218 des Strafgesetzbuches rechtswidrig, bleiben aber straffrei, wenn sich die Frauen vor einem Abbruch beraten lassen.
Abschaffung des Paragraphen 218 wäre auch für Ärzte wichtig
Hanna Weißbeck ist seit mehr als 30 Jahren bei Pro Familia in Augsburg in der Schwangerenberatung aktiv. Tausende von Frauen saßen ihr in all den Jahren gegenüber, die sich nach reiflicher Überlegung entschieden hatten, das Kind nicht zu bekommen. Dass die Diskussion um die Abschaffung des Paragraphen 218 nun wieder aufgeflammt ist, ist aus Weißbecks Sicht ein wichtiges Zeichen. „Wir begrüßen alles, was der Entstigmatisierung dient.“ Dass ein Abbruch in Deutschland zwar straffrei ist, aber nicht legal, sei für viele Frauen sehr belastend. Doch nicht nur für sie. Sondern auch für die wenigen Mediziner, die in Schwaben Abbrüche vornehmen. „Sie wurden über Jahre diffamiert und drangsaliert“, so Weißbeck. Wenn ein Schwangerschaftsabbruch kein Straftatbestand, sondern ein Angebot der Gesundheitsversorgung wäre, dann, so die Hoffnung von Weißbeck, wären vielleicht auch mehr Ärztinnen und Ärzte bereit, ihn anzubieten.
Seit Jahrzehnten werden in Augsburg keine Abbrüche mehr durchgeführt
Denn in Augsburg, der drittgrößten Stadt Bayerns, führe seit Jahrzehnten kein Arzt mehr Abbrüche durch. „Die Situation ist schlecht, um nicht zu sagen katastrophal. Aber trotz verschiedenster Bemühungen und Gespräche haben wir im gesamten Stadtgebiet keine gynäkologische Praxis, die bereit ist, Abbrüche vorzunehmen, nicht einmal medikamentös.“ Die Uniklinik fühle sich nicht zuständig, die anderen Häuser seien konfessionell gebunden. So sitzen Weißbeck in der Beratung immer wieder fassungslose Frauen gegenüber, die gezwungen sind, in einer ohnehin belastenden emotionalen Situation nach Günzburg oder nach München zu fahren. Erst kürzlich war eine Frau bei ihr in der Beratung, die nur zu Besuch in Augsburg war. Hanna Weißbeck setzte sich für sie mit Pro Familia in Erfurt in Verbindung. „Obwohl die Stadt viel kleiner ist als Augsburg, hieß es, das sei kein Problem. Man habe hier drei Praxen, die medikamentöse Abbrüche anbieten, weitere drei eine Absaugung.“
Dass die Versorgungslage in Augsburg und in ganz Schwaben derart schlecht sei, ist für Weißbeck ein Armutszeugnis. Zumal es sich nicht nur um ein paar Fälle handelt. Zwar gibt es keine Zahlen für das gesamte Stadtgebiet, doch an die drei Beratungsstellen von Pro Familia, der Stadt und Donum Vitae wenden sich im Jahr mehrere hundert Frauen. „Wenn jede Frau in Augsburg, die schon einmal einen Abbruch erlebt hat, mit einem Licht durch die Annastraße gehen würde, dann wäre sie hell erleuchtet“, sagt Hanna Weißbeck deutlich. Schließlich standen im vergangenen Jahr den 700.000 Neugeborenen in Deutschland knapp 100.000 Abtreibungen gegenüber.
Auch bei einer Legalisierung wollen die Kliniken ihre Linie nicht ändern
Sebastian Stief, Geschäftsführer der Augsburger KJF-Klinik Josefinum erklärt auf Anfrage, dem christlichen Profil des Hauses entsprechend sehe man seine Aufgabe vor allem darin, schwangeren Frauen, die vor der schweren Entscheidung eines Abbruchs stehen, Lösungen und Alternativen aufzuzeigen, sich für das Leben zu entscheiden. Abbrüche führe man deshalb keine durch, außer aus medizinischen Gründen. Diese Haltung werde auch nach einer möglichen Gesetzesänderung Bestand haben. Seitens der Uniklinik in Augsburg heißt es, man führe Abbrüche nur nach medizinischer Indikation oder nach einer Vergewaltigung durch. Ein Mangel an Möglichkeiten für den Eingriff liegt in Schwaben aus Sicht des UKA nicht vor. Sollte die Gesetzesinitiative Erfolg haben und Schwangerschaftsabbrüche legalisiert werden, wolle man an der Uniklinik auch in Zukunft keine Abbrüche durchführen.
Abtreibungsgegner demonstrieren regelmäßig auf dem Rathausplatz
Gleichwohl sei das Thema in den Lehrplänen der Medizinischen Fakultät fest verankert. Dass sich einige Studentinnen und Studenten der Augsburger Medizinfakultät der Initiative „Medical Students for Choice“ angeschlossen und in Augsburg eine eigene Gruppierung gegründet haben, gibt Hanna Weißbeck von Pro Familia Hoffnung, dass sich mittelfristig etwas verbessern könnte. „Sie bringen frischen Wind rein und sehen die Möglichkeit für einen sicheren Abbruch als wichtigen Teil der Gesundheitsversorgung.“ Dafür stehen sie auch auf Demonstrationen ein.
Daneben gibt es in Augsburg mit „Sundays for Life“ aber auch eine Gruppe von Abtreibungsgegnern, die regelmäßig am Sonntag auf dem Rathausplatz demonstriert. Gründer Andreas Düren sagt, seine Frau Alicia und er hätten im Sommer 2019 nicht länger tatenlos zusehen können, wie in Deutschland jeden Werktag über 300 Kinder im Mutterleib getötet würden. Inspiriert von der Fridays-for-Future-Bewegung hätten sie deshalb regelmäßige Straßenaktionen organisiert und es sei eine stetig wachsende Gruppe entstanden. Der aktuelle Gesetzentwurf ist für Düren ein direkter Angriff auf das Recht auf Leben eines jeden ungeborenen Menschen. Er sei verfassungsrechtlich unhaltbar, weil er die vom Bundesverfassungsgericht wiederholt bestätigte staatliche Schutzpflicht für das ungeborene Kind ignoriere, kritisiert Düren. „Während die Regierung bereits zerbrochen ist, wird hier still und leise einer der weitreichendsten ethischen Dammbrüche der Nachkriegsgeschichte vorangetrieben.“
An der Entstehung eines Kindes sind immer zwei beteiligt. Strafbar macht sich bei der Entscheidung, es nicht zu bekommen aber immer nur einer der beiden, egal unter welchen Umständen. Rutscht dem Mann das Kondom ab und beide wollen das Kind nicht, begeht die Frau laut geltendem Gesetz eine Straftat, der Mann bleibt unbescholten. Das widerspricht meinem Rechtsempfinden und zeigt für mich , dass Paragraph 218 schräg ist. Es gibt keine einfachen Lösungen bei diesem so schwierigen Thema, aber für mich gehört der Schwangerschaftsabbruch aufgrund dieser Schieflage in der Zuschreibung der Verantwortung raus aus dem Strafrecht.
"Für eine Abtreibung müssen Frauen aus Augsburg weit fahren" >> Im Text: "nach Günzburg oder nach München zu fahren". Eigentlich ist die Sache mit verbindlicher vorgeschalteter Beratung vor Ort und damit einhergehender Erlaubnis ziemlich clever gelöst worden. Das Thema war über viele Jahre befriedet; das Gejammer über "weite Fahrten" entspricht dem typischen Gejammer der politischen Protagonisten. Jede Biene ist den Grünen mehr wert, als für ungeborenes menschliches Leben einfach ein Beratungsgespräch verbindlich vorzusehen. Dann haben wir halt einen gesellschaftlichen Konfliktpunkt mehr in Deutschland...
Sollten (diese) Frauen nicht VORHER (!) vorsorgen ?! Soviele Möglichkeiten (und die Allermeisten eben nicht mit großen Nebenwirkungen wie fälschlicherweise immer behauptet) wie heute gab es noch nie. Das sind auch keine Vergewaltigungsopfer (für diese wurde ja extra "die Pille danach" entwickelt). Es ist der Zeitgeist !
Solch ein Unsinn, was Sie von sich geben. Erstens wurde die Pille danach nicht für Vergewaltigungsopfer entwickelt, und zweitens hilft die Pille danach nicht mehr, sobald der Eisprung erfolgt ist.
Um kommentieren zu können, müssen Sie angemeldet sein.
Registrieren sie sichSie haben ein Konto? Hier anmelden