Immer wieder gerieten die Kinderkliniken in Bayern in den vergangenen Wintern an ihre Belastungsgrenze und oft weit darüber hinaus. Dafür verantwortlich war in vielen Fällen ein Virus. Jedoch nicht Corona, sondern RSV, das Respiratorische Synzytial-Virus. Gerade bei Kindern im ersten Lebensjahr kann es zum Teil lebensbedrohliche Atemnot auslösen.
Dass es seit diesem Jahr einen von der ständigen Impfkommision empfohlenen Impfstoff gibt, der viele Babys vor schweren Verläufen bewahren soll, war für die Kinderärzte im Land deshalb eine große Erleichterung. Auch für den Obmann der Augsburger Kinderärzte, Dr. Christian Voigt. „Wir hoffen, dass wir damit einen Gamechanger in der Hand haben und so möglichst viel Leid verhindern können.“ Doch ob der Impfstoff in diesem Winter noch seine volle Wirkung entfalten kann, ist nicht sicher. Denn bis er in Deutschland überhaupt lieferbar war, habe es bis in den Herbst gedauert.
Augsburger Kinderarzt: „Es läuft uns jetzt die Zeit davon“
Mittlerweile, sagt Voigt, der eine Praxis in Stadtbergen betreibt, sei der Impfstoff aber in ausreichender Menge in den Apotheken der Region vorhanden. Doch neben den anfänglichen Lieferschwierigkeiten seien die Kinderärzte durch ausgeprägte bürokratische Hemmnisse und offene Fragen zu den Abrechnungsmodalitäten ausgebremst worden. „Es wäre sehr hilfreich gewesen, wenn das schon im September geklärt gewesen wäre, denn so läuft uns jetzt die Zeit davon“, sagt Voigt klar. Nun, da eine Lösung gefunden sei, wolle man aber durchstarten, um die kleinen Patienten gut schützen zu können. Auch wenn die nun ausgehandelte Entlohnung für diese Leistung bei Weitem nicht so ausfällt, wie sich das die Pädiater gewünscht hätten.
Die von verschiedensten Institutionen wie etwa dem RKI, dem gemeinsamen Bundesausschuss und den Krankenkassen erarbeitete Regelung sieht laut Voigt vor, dass alle Kinder, die nach dem 11. März 2024 geboren wurden, den Impfstoff erhalten können. In Ausnahmefällen daneben auch Babys, die Anfang März oder im Februar geboren wurden. „Chronisch kranke Kinder, Frühchen oder Kinder mit Herz- und Lungenfehlern können die Impfung auch im 2. Lebensjahr bekommen“, sagt Voigt. Der Pädiater freut sich, dass die Nachfrage bei den Eltern groß ist und die Impfung gut angenommen wird. „Viele Eltern haben sich im Vorfeld schon gut informiert.“ Was den Kinderärzten daneben aktuell in die Karten spiele, ist die noch vergleichsweise geringe Zirkulation des RS-Virus für diese Jahreszeit. „Wir machen in unserer Praxis wirklich viele Abstriche, konnten es aber erst einmal nachweisen“, sagt er.
In der Augsburger Kinderklinik ist die Bettenauslastung aktuell hoch
Professor Michael Frühwald, Direktor der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin an der Uniklinik Augsburg, sagt, dass in den vergangenen Tagen die Zahl der RSV-Infektionen gestiegen sei. Von einer Welle könne allerdings noch nicht gesprochen werden, da sich die Temperaturen aktuell auch etwas moderater zeigten. Trotzdem sei die Bettenauslastung in der Kinderklinik nach wie vor hoch, die allgemeine Kinderstation und die Infektionsstationen seien durchgehend voll. Das liege aber nicht an RSV, sondern an vielen anderen Infekten. „Sollten diese Kinder, die RSV haben, aber noch hinzukommen, kämen wir sicherlich wieder an unsere Grenzen“, sagt Frühwald. Er freut sich, dass die RSV-Impfung, die im Grunde keine echte Impfung, sondern eine Immuntherapie mit einem Antikörper sei, so gut angenommen werde. An der Augsburger Uniklinik habe man nun damit begonnen, alle Neugeborenen über die Geburtshilfe und Neonatologie mit dem Immuntherapeutikum zu versehen. „Dies wird am Ende des Tages sicherlich helfen, eine sich eventuell aufbauende Welle abzumildern. Wir sind fest von dieser Strategie überzeugt“, sagt Frühwald.
Dr. Thomas Völkl, Ärztlicher Direktor der Augsburger KJF-Klinik Josefinum, sagt, man sei von der Impfung überzeugt. Auch, weil sich die Klinik im Jahr 2022/23 an einer Forschungsstudie zur Bekämpfung des RS-Virus beteiligt habe. Mit Zustimmung der Eltern würden im Josefinum alle Neugeborenen geimpft, seit es den zugelassenen Impfstoff gibt. „Die Bereitschaft ist hierbei sehr groß. Aktuell impfen wir rund 70 Prozent aller Neugeborenen, die bei uns zur Welt kommen“, so der Chefarzt der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin.
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