Der beste Freund des Menschen – der Hund – geschlachtet und verzehrt? Was für unsere Ohren heute unerhört klingen mag, wurde bis Mitte der 80er Jahre in Deutschland legal praktiziert. Allein zwischen 1905 und 1940 wurden hierzulande knapp eine Viertelmillion Hunde geschlachtet. Und das sind nur die offiziellen Zahlen. Augsburg war eine Hochburg für Hundeschlachtungen. Im ehemaligen Schlachthof in der Proviantbachstraße wurden über die Jahrzehnte hunderte Vierbeiner getötet. Deutlich mehr als in der Landeshauptstadt München. Die letzte offizielle Hundeschlachtung fand in Augsburg 1985 statt. Zu dem Zeitpunkt hatte man die Praxis in anderen Städten längst eingestellt. Grund dafür ist auch die Sozialstruktur der Stadt.
„Beschaffenheit und Geschmack des Hundefleisches mag kein Grund zur Verabscheuung geben“, heißt es von einem Tierarzt mit dem Namen Höhnig im Jahr 1848. Es war die Zeit, in der der Verzehr des Fleisches zunehmend empfohlen wurde. Viele Menschen lebten unter kärglichen Bedingungen, Hundefleisch war günstig zu haben. Ein Hund kostete zu jener Zeit zwischen 80 Pfennig und einer Mark, für Schweine- oder Rinderfleisch musste man teils den doppelten Preis bezahlen. Seit 1903 galt das Fleischbeschaugesetz, um die Gesundheit der Menschen zu gewährleisten. Hunde galten wegen des häufigen Wurmbefalls als potenzielle Überträger von Krankheiten.
In Augsburg wurden 1923 609 Hunde geschlachtet – dreimal so viele wie in München
Tierärztin Pia Geppert hat vor mehr als 30 Jahren zu Hundeschlachtungen in Deutschland promoviert und dafür zahlreiche Statistiken ausgewertet. Ein Augenmerk richtete Geppert auf Augsburg. Hier liegen seit den 20er Jahren verlässliche Zahlen vor. So wurden 1923 609 Hunde in Augsburg geschlachtet, dreimal so viele wie in München. Eine eindeutige Erklärung hierfür gebe es nicht, sagt Geppert. Ihre Forschungen ergaben aber, dass eine Verbindung zwischen dem Einkommen und der Zahl der Hundeschlachtungen besteht. Heißt: In ärmeren Städten wurden tendenziell mehr Hunde geschlachtet.
In Zeiten großer Armut griffen die Menschen vermehrt auf Hundefleisch als Nahrungsmittel zurück. So wurden in Augsburg 1949 558 Hunde geschlachtet, wie aus dem Trichinenschautagebuch hervorgeht – eine deutlich höhere Zahl als vor dem Krieg. In den 50er Jahren nahm die Zahl weiter ab, sodass die Augsburger Allgemeine im Herbst 1959 titelte: „Nur noch wenige Wauwaus wandern in die Bratpfanne“. Wenige, das bedeutete 1959: 121 Hunde. Tierfreunde prangerten die Praxis der Hundeschlachtungen als „halben Kannibalismus“ an, auch aus der Politik kamen immer wieder Verbotsforderungen. Dennoch sollte es noch knapp 30 Jahre dauern, bis ein Verbot umgesetzt wurde.
Die letzte dokumentierte Hundeschlachtung ereignete sich 1985 in Augsburg
In der Volksmeinung hielt sich lange das Gerücht, Hundefett besäße eine besondere Heilkraft, vor allem gegen Warzen, bei Magengeschwüren und Lungentuberkulose. Wenn jedoch in Fällen von Tuberkulose eine Besserung nach dem Konsum von Hundeschmalz eingetreten sei, so die Augsburger Allgemeine 1959, „dürfte das eben darauf zurückzuführen sein, dass bei Tuberkulose fettreiche Nahrung überhaupt gut ist“. Einen eigenen Hundemetzger hat es laut Tierärztin Geppert übrigens nie gegeben. Wer in Augsburg seinen Hund nach dem Krieg im Schlachthof töten ließ, habe die Zerlegung des Tieres anschließend selbst vornehmen müssen. „Man brauchte also kein Metzger sein, um im Augsburger Schlachthof Hundefleisch gewinnen zu können“, so Geppert.
Während die Hundeschlachtungen in München Mitte der 70er Jahre endeten, wurden sie in Augsburg bis 1985 fortgesetzt. So habe es damals einen berüchtigten Hundeschlächter, „den Toni“, gegeben, berichtete die Augsburger Allgemeine einige Jahre später. Dieser sei auf eigene Rechnung tätig gewesen und manchmal mit zehn Hunden angekommen, die er irgendwo auf dem Land eingesammelt habe, um sie im Schlachthof zu töten. Eine Ausnahme laut Geppert: „In dieser späten Phase sind fast nur noch alte und kranke Hunde getötet worden.“ Schlachtungen wurden somit vor allem fortgeführt, um leidende Tiere zu „erlösen“.
Der letzten dokumentierte Fall einer Hundeschlachtung, auf den Geppert bei ihren Forschungen gestoßen ist, ereignete sich 1985 – ebenfalls in Augsburg. Geppert konnte den Mann bei ihren Forschungen ausfindig machen und interviewen. K., dessen Name seit 1953 mehr als 150 Mal im Trichinenschautagebuch verzeichnet ist, habe berichtet, dass er das von ihm gewonnene Hundefleisch ausschließlich im eigenen Haushalt verwendet und das Fett zum Teil verkauft habe. 1986 war aber auch für K. Schluss mit dem Töten seiner Vierbeiner: Das deutschlandweite Schlachtverbot für Hunde wurde erlassen.
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