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Handels-Experte: "Menschen wissen wieder, was sie an der Innenstadt haben"

Handels-Experte

"Menschen wissen wieder, was sie an der Innenstadt haben"

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    Nach dem Ende des Lockdowns bilden sich teils lange Warteschlangen vor den Modegeschäften.
    Nach dem Ende des Lockdowns bilden sich teils lange Warteschlangen vor den Modegeschäften. Foto: Ulrich Wagner

    Herr Mayer, seit gut zwei Wochen haben in der Innenstadt Geschäfte und Gastro-Betriebe wieder nahezu ohne Einschränkungen geöffnet. Wie fühlt sich das an?

    Ulrich Mayer: Wir sind mehr als glücklich. Wir sind Händler oder Verkäufer geworden, weil wir mit Menschen arbeiten wollen und die kommen nun endlich auch wieder. Die Stimmung ist prima, auch bei den Kunden. So viel gut gelaunte Menschen auf einmal gab es wohl noch nie. Das macht unglaublich viel Spaß.

    Die Öffnungen kamen in Augsburg dank rasch sinkender Zahlen dann plötzlich sehr schnell. Hat Sie und die Kollegen das vor besondere Herausforderungen gestellt?

    Mayer: Für die meisten war es tatsächlich eine Herausforderung, das Personal zurück zu holen. Die Beschäftigten waren in Kurzarbeit, manche haben aufgehört und es gab auch während Corona eine natürliche Fluktuation. Diese Mitarbeiter sind aber nicht ersetzt worden. Jetzt sucht ganz Deutschland nach Personal und der Arbeitsmarkt ist vollkommen leer gefegt. Das höre ich wirklich von allen Kollegen. Es ist im Moment also sehr schwierig, Mitarbeiter zu bekommen.

    Wohin sind denn die bisherigen Mitarbeiter abgewandert?

    Mayer: Es haben sich viele neu orientiert. Wegen der finanziellen Einbußen aufgrund des Kurzarbeitergelds sind sie zum Beispiel in die Impfzentren oder in soziale Berufe abgewandert. Dazu die natürliche Fluktuation und zusätzlich haben sich in den eineinhalb Jahren kaum Menschen neu in diese Branchen begeben. Wenn man das nun auf ganz Deutschland hochrechnet, kann man sich vorstellen, welche Lücke hier in Sachen Personal entstanden ist.

    Test- oder Impfzentren sind aber nun ja nicht auf Dauer angelegt. Kommt das Personal dann nicht wieder zurück oder liegt es möglicherweise auch daran, dass Bezahlung und Arbeitszeiten in den neuen Jobs besser sind?

    Mayer: Das kann man, denke ich, so pauschal nicht sagen. Es werden wieder Mitarbeiter zurück kommen und andere nicht.

    Die Augsburger Innenstadt war in den letzten Tagen stark besucht, Corona scheint wie weggewischt. Allerdings ist es noch gar nicht so lange her, da hat eine Umfrage des Handelsverbands ergeben, dass gut 50 Prozent der Einzelhändler um ihre Existenz bangen. Wie ist hier der aktuelle Stand?

    Mayer: Es haben tatsächlich vereinzelt Geschäfte aufgegeben. Beispielsweise wurden die Filialen von Reno und Bonita unter anderem pandemiebedingt geschlossen. Es werden auch in nächster Zeit noch Geschäftsaufgaben folgen. Man rechnet circa mit einem Jahr, bis klar ist, wer Corona nun überstanden hat und wer nicht. Insgesamt aber sind es in Augsburg bislang wenig Geschäftsaufgaben und die bisherige Zahl an Schließungen wäre eigentlich auch unter normalen Bedingungen vollkommen im Rahmen.

    Waren die Sorgen der Händler dann unbegründet?

    Mayer: Nein. Man muss zu den Zahlen folgendes sagen: Die Ergebnisse der Umfrage des Handelsverbands kamen, als es noch keine Überbrückungshilfe III gab und die Unterstützungen für den Handel waren zu diesem Zeitpunkt sehr dürftig. Das wurde immer weiter aufgestockt. Deshalb konnten wir vor vier bis sechs Wochen schon sagen, jetzt sind wir an einem Punkt, dass diejenigen, die es bis jetzt geschafft haben, auch weiterhin schaffen werden. Aber nochmal, man wird wohl erst Mitte nächsten Jahres wissen, welche Opfer die Pandemie im Handel gefordert hat. Denn Themen wie Mietstundungen stehen ja noch aus und alles vorausgesetzt, dass im Herbst nicht noch einmal eine Welle samt Lockdown kommt.

    Ulrich Mayer führt den Tabak- und Spirituosenladen No 7 in der Steingasse in Augsburg. Mittlerweile bewertet er Corona als Chance für den Handel.
    Ulrich Mayer führt den Tabak- und Spirituosenladen No 7 in der Steingasse in Augsburg. Mittlerweile bewertet er Corona als Chance für den Handel. Foto: Anna Katharina Schmid

    In vielen Branchen hört man, aufgrund des schnellen Neustarts wird häufig mehr Ware nachgefragt, als geliefert werden kann. Es kommt damit zu Verzögerungen. Holz war hier zuletzt in den Schlagzeilen. Ist das im Handel auch ein Thema?

    Mayer: Ja, das spüren wir auch. Ich warte aktuell rund zwei Wochen auf Ware, die sonst binnen weniger Tage gekommen ist.

    Wirkt sich das für den Kunden negativ auf den Preis aus?

    Mayer: Eigentlich müsste das, auch in der Gastronomie, die logische Konsequenz sein. Ich glaube aber nicht, dass hier viel passiert. Natürlich gleichen wir an manchen Stellen moderat an. Aber prinzipiell wollen wir den Kunden jetzt nicht gleich mit gestiegenen Preisen erschrecken. Wir müssen hier also schon psychologisch mitdenken und uns bewusst sein, dass der Kunde noch die Preise von vor dem Lockdown im Kopf hat.

    Schon vor Corona war zu hören, dass sich Handelsflächen in der Innenstadt nicht mehr so leicht besetzen lassen, wie das noch vor einigen Jahren der Fall war. Zuletzt kamen vor allem gastronomische Konzepte wie Royal Donuts oder sogar ein Autohändler als Nachmieter. Wie bewerten Sie diese Entwicklung?

    Mayer: Man sagt im Handel immer, die Menschen stimmen mit den Füßen ab. Wenn etwas interessant ist, dann ist viel los. Bei Royal Donuts standen die Menschen auch während der Pandemie Schlange. Es kommt also offenbar gut an. Auch die Zwischennutzung einer Fläche durch einen Autohändler ist prima. Besser als ein Leerstand. Ich finde das gut. Warum die Leute nicht da abholen, wo sie sind? Außerdem sprechen Immobilienexperten davon, dass das Interesse an Ladenflächen in Augsburgs Innenstadt wieder steigt. Vielleicht auch, weil die Mietpreise sinken. Das sind positive Aussichten.

    Sind die sinkenden Mietpreise auch eine Chance, dass sich wieder mehr inhabergeführte Geschäfte ansiedeln?

    Mayer: Ich denke, dass in den 1a-Lagen wohl weiterhin die Ketten dominieren werden. Auch als Vermieter kann ich mir vorstellen, nimmt man lieber eine Kette als eine Privatperson. Dazu sind viele Flächen in der Innenstadt zu groß für einen inhaber-geführten Handel, der neu startet. Sie brauchen ja auch das Personal, ausreichend Ware. Das muss man alles auch finanziell einkalkulieren.

    Wie haben sich denn die Umsätze für die Händler seit dem Neustart entwickelt?

    Mayer: Wir für uns vergleichen die Umsätze mit den Zahlen aus 2019, weil die ein besserer Gradmesser sind als 2020. Da bemerken wir, da gleichen sich die Umsätze an, sind teils sogar besser. Vorvergangenen Samstag waren die Passantenzahlen auch 200 Prozent über dem Schnitt. Das ist eine gute Entwicklung, trotz des bis dato schlechten Wetters. Man sieht also, die Prognosen, mit Corona müssten sich die Innenstädte auf einen großen Umbau vorbereiten – Wohnraum statt Geschäfte, keiner will mehr eng zusammenstehen und so weiter – das bewahrheitet sich nicht. Die Städte werden derzeit überrannt. Die Menschen wissen wieder, was sie an ihrer Innenstadt haben. Das ist ähnlich wie mit dem Homeoffice. Zuvor immer hoch gelobt, aber jetzt merken viele, dass es doch nicht so gut ist, wie es sich immer angehört hat oder zumindest nicht in diesem Ausmaß. Corona war also eher eine Chance für den Handel, weil die Menschen gesehen haben wie es wäre, wenn es das so nicht mehr geben würde.

    Menschen kommen auch gerne da hin, wo es schön ist. Zuletzt hat man einiges unternommen, um die Innenstadt aufzuwerten. Was muss weiter geschehen?

    Mayer: Es ist, wie Sie sagen, zuletzt schon einiges geschehen, da gab es auch eine gute Zusammenarbeit mit der Stadt. Was wir uns noch wünschen würden ist, dass wir die Gebäude am Abend mal anstrahlen dürften. Das kommt in vielen Städten gut an. Ansonsten freuen wir uns auf den Start des Parkleitsystems und würden auch den Bau eines Fahrradparkhauses begrüßen.

    Die Augsburger Annastraße war zuletzt so belebt wie lange nicht mehr.
    Die Augsburger Annastraße war zuletzt so belebt wie lange nicht mehr. Foto: Ulrich Wagner

    Sind Aktionen wie der Stadtsommer für den Handel weiter wichtig, auch unabhängig von Corona?

    Mayer: Absolut. Das ist ein Zeichen, dass wir zusammenarbeiten und eine Stadt sind, dass wir gemeinsam etwas für ihre Attraktivität und die Bürger tun. Da schauen uns schon einige Städte neidisch an, was hier alles passiert und möglich ist. Es müssen ja in Zukunft keine Fahrgeschäfte sein, die in der Stadt stehen. Stadtsommer ist nicht nur Riesenrad oder Wellenflug, es gibt Kultur, die Erweiterung der Gastroflächen und so weiter und im Winter kann man die Flächen wieder frei geben, beispielsweise für Parkplätze. Das ist doch eine vernünftige Geschichte. Stadtsommer kann ja vielfältig interpretiert und ausgestaltet werden.

    Zuletzt wurde auch wieder über die Sperrung der Maxstraße diskutiert. Welche Bedeutung hat das für den innerstädtischen Handel?

    Mayer: Das hat keine gute Wirkung nach Außen. Die Menschen im Umland, die für uns enorm wichtig sind, lesen nur: „Keine Autos in der Stadt“. Obwohl die meisten von ihnen gar nicht in der Maxstraße parken, nehmen sie die Schlagzeile so auf, als wäre Augsburg mit dem Auto schlecht erreichbar. Das Bild einer autofeindlichen Stadt ist das schlechteste Bild, das wir im Umland abgeben können. Denn die Menschen aus dem Umland wollen bequem in die Stadt kommen, kaufen in der Regel mehr ein und wollen das mit dem Auto auch nach Hause bringen.

    Einige argumentieren aber auch, man könnte so die Maxstraße auch für die dort ansässigen Geschäfte aufwerten.

    Mayer: Wir haben gemessen an der Einwohnerzahl bereits jetzt eine große Fußgängerzone. Je weiter sich diese noch ausdehnt und alles auseinander zieht, um so schlechter. Man braucht schon ein echtes Zentrum.

    Wie ist eigentlich der Stand der Dinge bei der Karolinenstraße? Seit langem heißt es, sie soll aufgewertet und besser integriert werden.

    Mayer: Die Pläne für die Karolinenstraße und deren Anschluss an die Fußgängerzone gibt es. Aber das Problem ist aus unserer Sicht dann der Wegfall der Busparkplätze. Die Touristen wollen in die Stadt, wir sind jetzt Weltkulturerbe, da wollen wir doch auch Gäste haben. Diese dann am Dom raus lassen, damit sie ins Zentrum kommen. Das weiß ich nicht, ob das gut ankommen würde. Eine optische und qualitative Aufwertung der Straße ist aber natürlich sehr zu begrüßen.

    Zur Person: Ulrich Mayer ist Inhaber des Tabak- und Spirituosen-Geschäfts No 7 in der Steingasse. Zudem vertritt er die Interessen der Augsburger Händler im Handelsverband Schwaben. Dort ist er jüngst auch als Mitglied im Bezirksvorstand bestätigt worden.

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