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Häusliche Gewalt: Gedemütigt und geschlagen: So litt Michaela unter ihrem Partner

Häusliche Gewalt

Gedemütigt und geschlagen: So litt Michaela unter ihrem Partner

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    Eine junge Augsburgerin wurde Opfer ihres aggressiven Partners - dem Mann, den sie liebte.
    Eine junge Augsburgerin wurde Opfer ihres aggressiven Partners - dem Mann, den sie liebte. Foto: Bernhard Weizenegger (Symbolbild)

    Eine letzte schreckliche Nacht hat Michaela Henf gebraucht, um zu entkommen. Henf ist ein Pseudonym, unter ihrem richtigen Namen möchte die junge Frau nicht an die Öffentlichkeit gehen. Zwei Jahre wurde sie von ihrem Ex-Partner beleidigt, gedemütigt, bespuckt und geschlagen. Sie habe es sich gefallen lassen, sagt sie. Wegen der Kinder, um die Beziehung zu retten, oder weil ihr Ex sich nach einer seiner Attacken reumütig zeigte, sie mit Aufmerksamkeiten überhäufte. Bis zu einer Nacht im Frühjahr.

    Das Augsburger Frauenhaus war bayernweit eines der ersten

    Henf erzählt, in dieser Nacht sei ihr Mann voll auf Drogen nach Hause gekommen. "Er kam zu mir und hat direkt auf mich eingeschlagen, mich gewürgt und gedroht, mich umzubringen - ich habe gefleht, er solle aufhören." Ihr Kind bekommt alles mit und beginnt zu schreien, schließlich lässt ihr Ex-Partner von Henf ab und verlässt das Haus. Die junge Frau schließt das Haus ab und ruft die Polizei. "Ich dachte mir, jetzt oder nie, das nächste Mal überlebst du vielleicht nicht." Henfs Fall ist keine Seltenheit - nach Angaben des Bundesfamilienministeriums wurden 2019 115.000 Frauen in Deutschland Opfer von Partnerschaftsgewalt. In Augsburg waren es nach Auskunft der Polizei 1159.

    In der Stadt gibt es für Frauen wie Henf eine Zuflucht - und das bereits seit 1980. Damals war das Frauenhaus eines der ersten in Bayern. Seit 15 Jahren leitet es die Sozialpädagogin Birgit Gaile. In der Einrichtung gibt es Platz für 21 Frauen und 21 Kinder, laut Gaile ist sie durchschnittlich zu 90 Prozent belegt. Aktuell sei kein Platz frei. "Bis Frauen sich aus Gewaltbeziehungen lösen, dauert es." Viele Frauen würden jahrelang bei ihrem gewalttätigen Partner ausharren. Gewalt heißt dabei nicht nur Schläge und Würgen, oftmals wird sie subtiler ausgeübt.

    Frauen leiden unter psychischer Gewalt jahrelang

    Gaile erklärt, unter psychischer Gewalt würden misshandelte Frauen jahrelang leiden. "In gewalttätigen Beziehungen geht es immer auch um Machtdemonstrationen, um Kontrolle." Schaffen die Opfer den Weg ins Frauenhaus, werden sie dort von ausgebildeten Fachkräften bei der Traumabewältigung betreut.

    Auch Michaela Henf fand dort Hilfe. Nachdem in der Nacht im Frühjahr die Polizeibeamten eintrafen, protokollierten, Fotos aufnahmen und erste Hilfsangebote erklärten, zog sie direkt zu ihren Eltern. Zu diesem Zeitpunkt hatte sie sich bereits informiert, welche Möglichkeiten der Hilfe es in ihrer Lage gibt - und so wandte sie sich an das Frauenhaus. Auch die Polizei kann in solchen Fällen den Kontakt zu sogenannten pro-aktiven Opferberatungen herstellen.

    Häusliche Gewalt steigert sich oft über Jahre

    Die junge Frau erzählt: "Meine Eltern wussten bis dahin nichts, ich habe es immer gut versteckt. Sie waren schockiert, wütend und machten sich Vorwürfe." Auch Freunde, von denen ihr Mann sie isoliert habe, hätten zu ihr gehalten. Nach wenigen Tagen Wartezeit zog Henf mit einem Koffer und Kindern in die Einrichtung.

    In der ersten Zeit habe sie nur geweint. Ihre Welt sei zusammengebrochen. Statt glücklicher Familie mit erfolgreichem Mann, Haus und Kindern sei sie mit einem Narzissten zusammen gewesen, dessen "wahres Wesen" sich erst nach und nach offenbart habe. Ein Muster in gewalttätigen Beziehungen, sagt Birgit Gaile. "Oft nimmt die Gewalt über Jahre hinweg langsam zu, auf eine Eskalation folgt die großzügige Versöhnung, es ist ein Kreislauf der Gewalt." Einen Anstieg der Fälle während der Corona-Zeit kann Gaile bisher nicht feststellen, auch die Polizei kann nach eigener Aussage bisher keinen Anstieg der Fälle feststellen. Allerdings, so erklärt man dort, müsse man immer die mögliche Dunkelziffer bedenken.

    Im Frauenhaus können die Opfer in Sitzungen über ihre Qualen reden, die Kinder werden von Erzieherinnen in einer Gruppe betreut, auch für schulpflichtige Kinder gibt es ein Angebot. Ganz am Anfang, sagt Gaile, stehe oft auch die Frage: Wie geht es jetzt weiter? Wie finde ich eine Wohnung, wie kann ich die Trennung finanzieren?

    Internationaler Tag gegen Gewalt an Frauen am Mittwoch

    Michaela Henf wohnt heute alleine mit ihren Kindern in einer Wohnung. Die junge Frau hat studiert - ihr Ex-Partner wollte, dass sie bei den Kindern bleibt - und will arbeiten, sobald es ihr möglich ist. Am Telefon spricht sie mit fester Stimme über ihre Vergangenheit, über die Hilfe, die sie im Frauenhaus erfahren hat. Noch kann sie nicht damit abschließen, Gerichtsprozesse gegen ihren Ex stehen ihr bevor. Sehe sie ihn dort, denke sie nur an Flucht, sagt sie. "Bei mir war es gerade noch rechtzeitig - ich kann jeder Frau in so einer Situation nur raten: hau ab. Er wird sich nicht ändern."

    An diesem Mittwoch wird der Internationale Tag "Nein zu Gewalt an Frauen" begangen - in Augsburg gibt es dann unter anderem eine Mahnwache am Kö und dieser wird in oranges Licht getaucht. Letzteres ist eine weltweite Solidaritätsaktion der "United Nation Women". Corona-bedingt entfallen andere Veranstaltungen. Frauen in gewalttätigen Beziehungen können beim Frauenhaus unter Telefon 0821/ 650 87 401 oder bei der Beratungsstelle "via - Wege aus der Gewalt" unter 0821/ 450 339 10 Hilfe finden.

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