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Augsburger Geschichte: Energiekrise vor 100 Jahren: Als die Augsburger frieren mussten

Augsburger Geschichte

Energiekrise vor 100 Jahren: Als die Augsburger frieren mussten

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    Das alte Gaswerk im Augsburger Stadtteil Oberhausen, hier eine Aufnahme von 1916, stellte früher Stadtgas aus Kohle her.
    Das alte Gaswerk im Augsburger Stadtteil Oberhausen, hier eine Aufnahme von 1916, stellte früher Stadtgas aus Kohle her. Foto: Sammlung Häußler

    In der Ukraine müssen jetzt viele Menschen mitten im Winter frieren. Putins Truppen haben in weiten Teilen des Landes zivile Infrastruktur zerstört. Es ist eine schwierige, manchmal verzweifelte Lage für die Bevölkerung. Georg Feuerer, ein Experte des Stadtarchivs, sieht Parallelen zu einer Zeit, wie es sie auch schon einmal in Deutschland gegeben hat. In Folge des Ersten Weltkriegs mussten die Augsburger hungern und frieren. Die Energiekrise in der Stadt entwickelte sich damals dramatisch.

    Im Ersten Weltkrieg wurden nicht nur Lebensmittel und Verbrauchsgüter rationiert, sondern auch Kohle als Energieträger. Zur Verwaltung des Mangels organisierten Städte und Landkreise sogenannte Kommunalverbände. 1917 richtete die Stadt Augsburg ein Kohlenamt zur Kontrolle der Brennstoffversorgung ein. Es wurden "Kohlenbezugscheine" ausgegeben. Schwer betroffen vom Mangel an

    Augsburger gingen zum Holzsammeln

    Ein Beispiel, wie die Menschen vor rund 100 Jahren litten, ist die Familie von Marie Veit, einer der ersten Augsburger Stadträtinnen. Damit die Öfen in den Wohnungen warm wurden, gingen etliche Augsburger zum Holzsammeln. Das Ehepaar Veit bekam dazu einen sogenannten „Holzleseschein“, der sie dazu berechtigte. Der Mann war zwar Arbeiter in der MAN, doch sein Gehalt reichte nicht aus, um die vier Kinder zu ernähren. Deshalb musste eine Tochter als sogenanntes Kostkind zu einem Kollegen gegeben werden, so Diplomarchivar Feuerer. "Auch darin erkennt man die Not der Zeit."

    In Augsburg wurde sogar das Stadtgas im Gaswerk Oberhausen durch den chemischen Prozess der Verkokung von Kohle hergestellt. Gas aus Pipelines war noch nicht üblich. "Es folgte eine extreme Verteuerung des Energieträgers und damit eine Energiekrise", so der Diplomarchivar. Dies war auch in Augsburg deutlich zu spüren. Man bemühte sich um Ersatzbrennstoffe wie Torf und Holz. Bereits während des Krieges entschied die Stadt Augsburg, selbst tätig zu werden. Ein Bericht an die Ziegeleiberufsgenossenschaft enthält genaue Angaben über den ersten durch die Stadt betriebenen Torfabbau im Weltkrieg. Doch die Torflieferungen aus dem Bereich Röfingen (Landkreis Günzburg) reichten bei Weitem nicht aus. Nicht nur bei den Bürgern wurde Heizmaterial knapp, sondern auch das Brennmaterial bei der Augsburger Industrie. 

    Teurer Torfabbau im Augsburger Umland

    So kam es zu weiteren Initiativen. Ein Firmenkonsortium - bestehend aus der der Zwirnerei und Nähfadenfabrik Göggingen (ZNFG) und der Firma Nähfadenfabrik Julius Schürer in Augsburg - bemühte sich um die Beschaffung von Torf. ZNFG und 25 Personen, meist Landwirte aus Derching, gründeten am 20. November 1919 eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung unter der Bezeichnung „Torfindustrie Lechmoos“. Gegenstand des Unternehmens war „die Gewinnung von Torf“ auf Grundstücken zwischen der Stadtgrenze Augsburg und dem sogenannten Streugraben. In einem Memorandum seien die Hintergründe nachzulesen, so Feuerer: „Die große Kohlennot und die schlechten Bahn- sowie auch die ungünstigen politischen Verhältnisse im Herbst 1919“ veranlassten die beiden Textilfirme, „ein eigenes Torfwerk zu errichten, um dadurch von den bestehenden Verhältnissen frei zu werden und durch den selbst gewonnenen Torf ihre Betriebe aufrechtzuerhalten“. Parallel zu den Plänen der Industrie wollte die Stadt ebenfalls das Lechmoos ausbeuten. Dazu verhandelte die Stadtverwaltung mit Grundstücksbesitzern aus Stätzling und pachtete von 41 Grundbesitzern Flächen zum Torfabbau. In einem Vertrag vom 17. Februar 1920 wurden Details der Pacht geregelt. Für den ersten groß angelegten industriellen Abbau im Frühjahr 1920 wurden Torfmaschinen gekauft, Gleise verlegt und zwei Lokomotiven angeschafft.

    Letztendlich war der Torf als Brennstoff jedoch sehr teuer, der Abbau aufwendig. Die ZNFG errechnete einen Aufwand von 13,26 Mark für die Produktion für einen Zentner Torf, während für die Stadt nur 10,43 Mark anfielen. Die Textilindustrie stieg aus dem Projekt aus. Sie versuchte wieder, Kohle zu erwerben. Am 1. April 1921 fasste auch der Stadtrat den Beschluss, die Torfproduktion bei Stätzling einzustellen. Der Torfabbau im Lechtal wurde also schon im zweiten Jahr wieder aufgegeben. "Er ist aber ein Beleg für die Bemühungen zur Sicherung der Brennstoffversorgung in Augsburg als Folge einer Energiekrise", meint Feuerer und zieht einen Vergleich zu heute.

    Ein Vergleich der Lage

    In Folge des Ukraine-Kriegs sind in Deutschland die Energiepreise explodiert. Momentan ächzen Haushalte und Unternehmen unter den hohen Kosten für Strom und Wärme. "Im Vergleich zwischen der aktuellen Situation am Gasmarkt mit der Lage nach dem Ersten Weltkrieg kann man zwar gewisse Parallelen feststellen", so Feuerer. Allerdings sei die Not nach 1918 katastrophal und die Lage der Bevölkerung wesentlich schwieriger gewesen. Heute gebe es zudem verschiedene Energieträger und einen Energiemix aus verschiedenen Herkunftsländern.

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