Welche Gründe führten zum Beschluss, das Theater zu sanieren? Das Große Haus ist die Hauptbühne des Theaters. Es ist im Krieg ausgebrannt und wurde in den 1950er Jahren wieder aufgebaut. Seitdem ist es nie mehr generalsaniert worden. Lediglich die Unterbühne wurde in den 1990er Jahren saniert. Das denkmalgeschützte Gebäude ist marode, teils musste die Fassade mit Netzen umspannt werden, um lose Teile zu sichern. Die Räume für die Mitarbeiter waren in die Jahre gekommen: Schimmel an den Wänden, zugige Fenster, mangelnder Brandschutz waren nur einige Mängel. Hinzu kam, dass der Arbeitsschutz in vielen Fällen nicht mehr gewährleistet war: Die Fluchtwege im Fall eines Feuers waren zu lang, die Bedingungen in Schreinerei und anderen Werkstätten entsprachen nicht mehr den Vorgaben. Seit 2016 ist das Große Haus geschlossen.
Warum wird nicht nur das Große Haus saniert, sondern auch ein Neubau hochgezogen?
Das Große Haus ist ein reines Theaterhaus: Es gibt eine Bühne, einen Zuschauerraum, Umkleiden und andere Räume, die direkt für den Spielbetrieb notwendig sind. Im Neubau hinter dem Theater sollen später Verwaltung, Probensäle und Werkstätten untergebracht sein. Ein zweiter Komplex soll direkt neben dem Theater an der Volkhartstraße entstehen: die zweite Spielstätte. Sie ist als sechseckiges Gebäude mit einer zur Fuggerstraße hin relativ offenen Glasfassade geplant. Das Gebäude soll für kleinere Produktionen sowie als öffentlicher Treff sowie für die freie Szene dienen. „Ohne diese Gebäude macht die ganze Sanierung keinen Sinn“, sagt Intendant André Bücker.
Theatersanierung: Wie hat sich die Kostenprognose im Lauf der Planung verändert?
Die Sanierung wird konkreter seit gut zehn Jahren geplant. Zunächst gingen Schätzungen von rund 100 Millionen Euro aus. Vor fünf Jahren, als die Planungen vertieft wurden, standen Kosten von 235 Millionen im Raum – für die Stadt ein Schock. Architekt Walter Achatz schlug diverse Einsparungen am Neubau vor, sodass zum Zeitpunkt des Grundsatzbeschlusses 2016 dann 186 Millionen Euro auf dem Papier standen. Parallel kündigte der Freistaat an, den Fördersatz zu erhöhen, sodass das Projekt schulterbar schien. Vor einem Jahr kündigte Achatz dann an, dass die Neubauten teurer werden.
In der Gesamtsumme landete man erst wieder bei den 235 Millionen Euro vom Anfang. Achatz präsentierte dann auf Drängen der Stadt eine abgespeckte Version, die auf etwa 205 Millionen Euro gekommen wäre. Konkret durchgeplant war das aber noch nicht. Einige Einsparungen ließen sich nicht umsetzen. Aktuell stehen wieder 228 Millionen Euro im Raum, die das Projekt kosten würde – wenn es heute fertig würde. Hinzu kommen in der Realität aber Baupreissteigerungen für die kommenden Jahre. Abhängig von deren Höhe landet die aktuelle Prognose bei Gesamtkosten zwischen 283 Millionen Euro (bei 2,5 Prozent Steigerung jährlich) und 321 Millionen (bei fünf Prozent) zum Fertigstellungstermin 2026.
Lässt sich beim Augsburger Theater noch etwas einsparen?
Stadt und Intendant sagen Nein, wobei sie dies auch schon in der Vergangenheit sagten – und Einsparungen dann doch möglich waren. Allerdings dürften weitere Einsparungen auf Kosten der Funktionsfähigkeit gehen. Etwa beim Klang oder der Belüftung. Deshalb hält die Stadt an der jetzt vorliegenden Planung fest, trotz massiver Verteuerung. Als Begründung setzt die Stadtregierung stark darauf, dass man den Bürgerwünschen nachkomme. Wolle man die Ergebnisse der Bürgerwerkstatt umsetzen, die etwa eine stärkere Öffnung des Theaters gefordert hatte, könne man kaum sparen. Auch ein Moratorium lehnt die Stadt ab. Dies koste bei zuletzt jährlich fünf Prozent Baupreissteigerung bares Geld, bringe aber wenig Erkenntnisgewinn. Die Sozialfraktion und weitere Einzelstadträte wollen hingegen, dass sich die Stadt noch mal in Ruhe Zeit nimmt.
Wie absehbar war es, dass eine Verteuerung kommt?
Dass die 186 Millionen Euro nicht das Ende vom Lied sind, hatten Kritiker schon frühzeitig gemutmaßt. Ex-FW-Stadtrat Volker Schafitel kritisierte etwa bei dem Neubau-Trakt einen fehlenden Kostenpuffer, den die Stadt mit Hinweis auf die geringen Risiken für unnötig erklärte – eine im Nachhinein unzutreffende Einschätzung. Heute heißt es von Baureferent Gerd Merkle (CSU), dass die damalige Kostenschätzung nur eine Standardschätzung anhand der umbauten Kubikmeter gewesen sei – und mit Unsicherheiten behaftet. Eine Rolle spielte schon früh die Baupreissteigerung. Sie war in Stadtratsdiskussionen mehrmals Thema. In absoluten Zahlen wurde aber nie dargestellt, was etwa die 2016 geltenden zwei Prozent Preissteigerungen bedeutet hätten. Die Stadt verwies damals darauf, keiner könne vorhersehen, wie sich Baupreise entwickeln.
Was kommt noch an Kosten dazu?
Es gibt weitere Kosten dazu, die in der eigentlichen Investitionssumme nicht enthalten sind. Dies betrifft Kreditzinsen, Kosten für Archäologie und Investitionskosten für die Interimsspielstätten, die sich auf 25 Millionen Euro summieren. Eine Sichtbarmachung des Stadtmauerfragments neben dem Theater ist inzwischen vom Tisch. Sie hätte weitere 4,3 Millionen Euro gekostet. Die Stadt geht davon aus, mit den neuen Szenarien auf der sicheren Seite zu sein. Bisher ist aber nur ein Teil der Arbeiten am Großen Haus vergeben worden (rund 30 Prozent). Ob man die Kosten bei den anderen 70 Prozent einhält, ist ungewiss, zumal ein neues Problem auftauchte: Das Fundament muss mit Zement unterspritzt werden. Der Kostenpuffer fürs Große Haus ist aufgebraucht, einen Puffer für den zweiten Abschnitt gibt es nicht.
Steht der Freistaat zu seinen Zusagen, was die Förderung angeht?
Grundsätzlich gilt, dass der Freistaat 75 Prozent der „förderfähigen Kosten“ trägt – wohl auch bei einer Kostensteigerung. Erfahrungsgemäß, so die Stadt, wären das rund 50 Prozent der Gesamtkosten. Der Hintergrund: Nicht für alles, etwa für die Planung, gibt es Förderung. Gemessen am bisher veranschlagten Bauvolumen von 186 Millionen Euro liegt der Eigenanteil der Stadt bei etwa 80 Millionen Euro, die durch Kredite bis 2039 (pro Jahr 3,85 Millionen Rückzahlung) finanziert werden. Der Freistaat übernimmt seinen Anteil nur, wenn das Mehr an Ausgaben wirtschaftlich notwendig ist und will dies „sorgfältig prüfen“, wie aus einer Antwort des Finanzministeriums auf eine FDP-Anfrage im Landtag hervorgeht.
OB Eva Weber will bis zur Ratssitzung Ende Juli Gespräche mit dem Freistaat und mit der Regierung von Schwaben führen, was die „Entwicklung des Finanzierungsvolumens“ betrifft. Somit ist noch unklar, welcher Betrag am Ende aus München fließt, zumal auch der Haushalt des Freistaats durch Corona schwer belastet ist.
Kann die Stadt überhaupt allein entscheiden, wie es weitergeht?
Das Theater ist inzwischen Staatstheater. Für den Betrieb sind Stadt und Freistaat verantwortlich, für die Gebäude ist die Stadt zuständig – die aber Förderung wie für die Sanierung beantragen kann. Kunstminister Bernd Sibler (CSU) betont, dass der Freistaat „an der Seite des Theaters und der Stadt“ steht, sagt aber auch, dass er davon ausgehe, „dass umgesetzt wird, was vereinbart wurde“. Das heißt, dass die Stadt das Theater saniert und einen Erweiterungs-Neubau hinstellt. Siblers Äußerung ist so zu verstehen, dass der Freistaat eine dauerhafte Nutzung der Interimsspielstätte Gaswerk, mit der man sich den Neubau einer zweiten Spielstätte sparen könnte, nicht befürwortet.
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