Die Vorwürfe gegen mehrere Bedienstete und die stellvertretende Leiterin der JVA Gablingen wiegen schwer. In dem Gefängnis sollen Häftlinge nackt in Spezialzellen untergebracht gewesen sein, sie sollen offenbar ohne eine Matratze auf dem Betonboden geschlafen haben. Von „Folter“ ist die Rede. Die Staatsanwaltschaft Augsburg ermittelt im Zusammenhang mit Gewaltvorwürfen an der JVA Augsburg-Gablingen auch gegen die stellvertretende Gefängnisleiterin. Die Anwälte der 37-jährigen Juristin weisen die Anschuldigungen gegen ihre Mandantin entschieden zurück. Grüne und SPD im bayerischen Landtag fordern Konsequenzen.
Man nehme die Vorwürfe, die gegen ihre Mandantin bezüglich der Unterbringung von Häftlingen in „besonders gesicherten Hafträumen“ (bgH) erhoben wurden, sehr ernst, teilen die Strafverteidiger Holm Putzke, Alexander Stevens und Thomas Krimmel in einer schriftlichen Erklärung gegenüber unserer Redaktion mit. Man weise diese entschieden zurück. „Unsere Mandantin sieht es als ihre oberste Pflicht an, für die Sicherheit sowohl der Inhaftierten als auch der Bediensteten zu sorgen und dabei selbstverständlich stets rechtskonform zu handeln.“ Alle Maßnahmen, die in der Justizvollzugsanstalt von ihr getroffen worden seien, seien ausschließlich im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften und unter Abwägung der Umstände des Einzelfalls erfolgt.
Anwälte der stellvertretenden JVA-Leiterin: Anschuldigungen entbehren jeglicher Grundlage
Die Anwälte betonen, dass ihre Mandantin als stellvertretende Anstaltsleiterin auch Entscheidungen treffen müsse, die in Grundrechte eingriffen. „Jeder Einsatz solcher Maßnahmen erfolgt nach klaren gesetzlichen Vorgaben und unterliegt strengen Kontrollen. Die Anschuldigungen, wonach Inhaftierte durch die Umstände der Unterbringung unter menschenunwürdigen Bedingungen behandelt worden seien, entbehren auf Basis der vorliegenden Informationen jeglicher Grundlage.“
Häftlinge können in diesen besonders gesicherten Hafträumen untergebracht werden, wenn aufgrund ihres Verhaltens oder ihres seelischen Zustands erhöhte Fluchtgefahr besteht oder die Gefahr von Gewalttätigkeit von ihnen ausgeht. Dazu zählt auch die Gefahr der Selbstverletzung oder des Suizids. Besteht eine solche Gefahr, können Insassen für 72 Stunden in solch einer Zelle, die sich in der JVA Gablingen im Keller befinden, untergebracht werden. Wird diese Form der Inhaftierung für länger als drei Tage angeordnet, muss dies dem Justizministerium gemeldet werden. Zudem müssen ein Arzt oder eine Ärztin und ein Psychologe diese spezielle Form der Unterbringung befürworten. „Alle Entscheidungen wurden und werden entsprechend der vorgeschriebenen Regularien stets zusammen mit ärztlichen oder psychologischen Fachkräften abgestimmt und bei längerer Dauer der Unterbringung das Justizministerium über jeden einzelnen Fall ausführlich informiert“, betonen die Anwälte in Bezug auf ihre Mandantin. Einer von ihnen, Strafverteidiger Alexander Stevens, zeigt sich gegenüber unserer Redaktion erstaunt.
JVA Augsburg-Gablingen: Bislang keine Stellungnahme der Leiterin
„Als Anwalt bin ich verwundert, warum der Fokus nun auf der stellvertretenden Leiterin der JVA Gablingen liegt, wo es doch eine Leiterin des Gefängnisses und ein zuständiges Ministerium gibt“, sagt er. Chefin des Gefängnisses mit rund 600 Insassen und etwa 300 Bediensteten ist Zoraida Maldonado de Landauer. Von ihrer Seite gibt es zu den Vorwürfen und den laufenden Ermittlungen der Staatsanwaltschaft bislang keine Stellungnahme. Anfragen unserer Redaktion blieben unbeantwortet. Alexander Stevens, Thomas Krimmel und ihr Kollege Holm Putzke teilen in ihrem Schreiben mit, sie erwarteten neben einer objektiven Aufklärung von den übergeordneten Behörden zugleich, dass alle im Justizvollzug tätigen Mitarbeiter gegen unberechtigte Vorwürfe in Schutz genommen würden und der Freistaat Bayern damit seiner Fürsorgepflicht gerecht werde. „Unsere Mandantin wird die vollständige Aufklärung der Sachverhalte unterstützen.“ Ob die Juristin derzeit freigestellt sei oder vorläufig suspendiert, dazu werden keine Angaben gemacht. Anwalt Stevens sagt dazu nur so viel: „Dazu gibt es nichts Offizielles.“
Drohender Gefängnisskandal in der JVA Gablingen ruft Politiker auf den Plan
Der drohende Skandal um eines der modernsten Gefängnisse in Bayern bleibt nicht ohne politische Reaktionen. Grüne und SPD fordern im bayerischen Landtag Konsequenzen. Toni Schuberl, Sprecher für Recht der Grünen-Fraktion, sprach sich dafür aus, die Kontrollmechanismen besser zu prüfen. Die SPD verlangte „schonungslose Aufklärung“. „Jedes Blatt muss umgedreht werden, um diese völlig inakzeptablen und eines Rechtsstaats unwürdigen Vorfälle schonungslos aufzuklären – und vor allem auch abzustellen“, sagte der rechtspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Horst Arnold. „Wir erwarten, dass der Justizminister dem Landtag unverzüglich über die Vorfälle in der Justizvollzugsanstalt Augsburg-Gablingen und über die Lage in anderen bayerischen JVAs berichtet“, sagte Schuberl.
Die Landtags-Grünen wollten einen entsprechenden Antrag demnächst in den Justizausschuss einbringen. Ähnliche Vorwürfe habe es bereits an der JVA Kaisheim gegeben, teilten die Grünen mit. „Das nährt den Verdacht, dass es sich nicht um einen Einzelfall handelt.“ Sie kritisierten, dass es „kein staatliches Register gibt, das Problemsituationen in den Gefängnissen dokumentiert.“ Auch die SPD kündigte einen Antrag an. Die Staatsregierung müsse möglichst schnell schriftlich wie mündlich Rede und Antwort stehen. „Das Innere eines Gefängnisses darf kein rechtsfreier Raum sein“, betonte Arnold. „Rechtsstaat bedeutet auch: Schutz vor Übergriffen des Staates. Davon sind inhaftierte Straftäter nicht ausgenommen.“ (mit dpa)
Anmerkung: Die Staatsanwaltschaft ermittelt aktuell gegen die Justizvollzugsanstalt Augsburg-Gablingen. Der Vorwurf: Mitarbeitende sollen Gefangene misshandelt haben. Alle Texte zum Fall finden Sie hier.
Viel wird derzeit publiziert und angesprochen; wenig bis nichts ist für die Öffentlichkeit bisher bestätigt bekannt. Das großartige politische Gepolter ist mehr als schädlich, da lediglich wieder zweckmäßig politisch agiert werden soll. Lassen wir doch die Ermittlungen erst einmal anlaufen.
Da läuft was ganz schief in der JVA Gablingen. Da herrschen Zustände wie in nordkoreanischen Gefängnisse. Gefangene dürfen kein Freiwild sein. Die beiden Verantwortlichen von der JVA Gablingen sollten entlassen werden, ohne Wenn und Aber. Aufklärung heißt das Gebot der Stunde. Wenn sie auch Wärter sich schuldig gemacht haben, sollte man sie entlassen. Danke der Augsburger Zeitung, die von solchen Missständen berichten.
Ross und Reiter nennen und nicht Vermutungen und Beschuldigungen streuen und Unschuldige vorverurteilen. So etwas nennt man "Demokratische Hexenjagd".
Die besonders gesicherten Hafträume wird es gewiss nicht ohne Grund geben. Vieles was sich in Gefängnissen durch Gefangene abspielt, können sich Außenstehende vermutlich nicht vorstellen. Allerdings sehe ich schon Unterschiede zwischen einer erhöhten Fluchtgefahr, erhöhter Gewaltbereitschaft und der Gefahr der Selbsttötung. Was soll erhöhte Fluchtgefahr sein? Und warum kann man jemandem, von dem man glaubt, er wolle türmen nicht eine Matratze, ein Bett und ein anständiges Klo zugestehen? Keine Fenster, doppelt gesicherte Türen - das könnte man sich da doch eher vorstellen. Jemand der tobt und das Mobiliar zu zertrümmern geneigt ist? Ein Edelstahlklo, das fest im Boden verankert ist, sollte doch möglich sein. Mit Klopapier kann man auch eher weniger Gewalt ausüben. Ein fest installiertes Bett, eine Decke? Und die möglichen Suizidenten? Die behandelt man dann so, dass sie sich, sobald sie rauskommen schnellstmöglich umbringen werden, damit sie nie wieder in diese Situation geraten?
Eigenartig ist, was über die Anstaltsleiterin zu lesen ist: Eine solche Einrichtung kann man doch nicht von zu Hause aus führen. Was ist eigentlich im Justizministerium los, das solche Zustände duldet?
Könnte es sein, dass das Justizministerium längst damit beschäftigt ist genug Tische bereit zu stellen um Platz für unangenehme Dinge unter den Tisch zu kehren. Sicher etwas überspitzt dargestellt, aber Erinnerungen zu Gustl Mollath als Bayerns größter Justizskandal und an den gewaltsamen Tod von Berufsfachschüler Tennessee Eisenberg 2009 in Regensburg werden wach.
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