Man merkt Andrea Dollinger an, dass ihnen die Entscheidung nicht leichtgefallen ist. Am dritten Advent haben sie sie in der Nacht getroffen - und läuteten damit das Ende einer Ära ein. Seit 46 Jahren war ihr Familienunternehmen Dürr Krippen aus Hohenfurch mit einem Stand auf dem Augsburger Christkindlesmarkt vertreten. An Heiligabend wird der letzte Verkaufstag sein. „Das geht mir schon nah und macht mich auch emotional“, sagt Dollinger. Auch wenn sie wisse, dass es die richtige Entscheidung ist.
Dass sich die Familie aus Augsburg zurückziehe, habe allerdings nichts mit schwindender Nachfrage zu tun. „Hintergrund ist einfach, dass wir es nicht mehr schaffen“, sagt die 58-Jährige klar. Man habe in Hohenfurch einen sehr gut gehenden Laden, daneben einen florierenden Onlineshop. Der Stand auf dem Augsburger Christkindlesmarkt sei personell einfach nicht mehr zu stemmen. „Wir arbeiten von der Früh bis in die Nacht, es ist zu viel.“ Die Fahrt von Hohenfurch nach Augsburg dauere einfach eine Stunde, die Tage im Advent sind für Andrea Dollinger, ihre Tochter und ihren Bruder, von denen immer einer am Stand vor Ort ist, oft lang. Am Wochenende, wenn der Markt länger geöffnet hat, seien sie oft erst nach Mitternacht im Bett. „Wir haben überlegt, ob wir die 50 Jahre noch vollmachen sollen, haben aber nun entschieden, dass das unser letztes Jahr war.“
1978 waren ihre Eltern zum ersten Mal auf dem Augsburger Christkindlesmarkt
1978 waren die Eltern von Andrea Dollinger zum ersten Mal mit erzgebirgischer Kunst und Krippenzubehör auf dem Christkindlesmarkt vertreten. Mit einem drei Meter langen Stand. Die Bewerbung dafür hatte Andrea Dollinger erst dieser Tage wieder in den Händen. Das Angebot kam an, bereits im nächsten Jahr sei der Stand doppelt so groß gewesen. Schon als Jugendliche half Dollinger beim Verkauf. Und dann verunglückte im November 1986, wenige Tage vor dem Start des Augsburger Christkindlesmarktes, ihr Vater tödlich. Zusammen mit ihrem Bruder sprang sie ein, gemeinsam mit der Mutter standen sie in dieser Zeit der Trauer auf dem Augsburger Rathausplatz. Im folgenden Jahr stieg Andrea Dollinger dann ins Familienunternehmen ein, leitete die Geschicke der Firma lange mit ihrer Mutter und später auch ihrem Bruder. Vor zwei Jahren stieg dann ihre Tochter mit ein.
„Es steckt viel Herzblut drinnen“, sagt Andrea Dollinger, die über die Jahrzehnte eine ganz besondere Beziehung zum Christkindlesmarkt in Augsburg aufgebaut hat. Viele Stammkunden kämen alle Jahre wieder, um ihre Dürr-Krippe um ein paar Stücke zu erweitern. „Die kommen dann und sagen: Eigentlich ist meine Krippe ja voll, aber ein kleines Tierchen passt schon noch rein.“ Im Gegensatz zum Angebot vor fast 50 Jahren habe sich die Auswahl bei den tierischen Gefährten für das Jesuskind sehr geweitet. Wer ihm nicht nur Ochs, Esel und ein paar versprengte Schäfchen zur Seite stellen will, kann mittlerweile auch Erdmännchen, Pfauen oder Schildkröten erstehen. Bei den Figuren selbst seien immer noch eher traditionelle Gestaltungen gefragt. „Aber sie sind heute nicht mehr so gebeugt und etwas freundlicher von den Farben.“
Augsburger Christkindlesmarkt: Kunden bedauern das Aus für den traditionsreichen Krippenstand
An diesem Vormittag ist Peter Bunk am Stand in der Nikolausgasse auf der Suche nach neuen Krippenbewohnern, während aus den Lautsprechern „Stille Nacht“ erklingt. Immer wieder, sagt er, habe er in den vergangenen Jahren seine Krippe am Stand von Dürr Krippen erweitert. Heute fällt die Wahl auf Gänse. Dass es das Angebot im kommenden Jahr nicht mehr geben wird, findet er schade. „Stände mit so wertvollem Kunsthandwerk gibt es einfach nicht mehr viele“, sagt er. Andrea Dollinger und ihre Familie, sie werden auf dem Augsburger Christkindlesmarkt fehlen. Eine Adventszeit ohne den Markt, ohne den Blick auf das Rathaus, das gab es für sie 40 Jahre lang nicht. Doch immerhin, sagt sie, gebe es dann vielleicht einmal die Chance auf eine ruhigere Adventszeit. Mit einem Teller Plätzchen und einer Tasse Tee am Adventskranz, den man nicht erst nach Weihnachten anzünde.
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