Die meisten deutschen Städte und Gemeinden verewigen ihre höchsten Würdenträger auf Straßenschildern. In Augsburg wurden bislang 35 Straßen nach ehemaligen Oberbürgermeistern oder Bürgermeistern benannt. Nur 14 von ihnen regierten in der Gesamtstadt. Die anderen 21 Bürgermeister wirkten in den Vororten, welche nach Augsburg eingemeindet wurden. Ludwig von Fischer, „Erster Bürgermeister“ Augsburgs von 1866 bis 1900, ist mit der Bürgermeister-Fischer-Straße an einer zentralen Stelle gewürdigt worden. Das liegt daran, dass er diese wichtige Durchbruchstraße vom Königsplatz zum Moritzplatz angeordnet hatte. Für die bald nach seinem Tod fertiggestellte Verbindung mussten zahlreiche Gebäude abgerissen werden. Ludwig von Fischer machte sich auch als Landes- und Reichspolitiker einen Namen.
Nur 15 der 35 „Bürgermeister-Straßen“ erkennt man auf Anhieb, weil der Oberbürgermeister- oder Bürgermeister-Titel im Straßennamen enthalten ist. Der Zeitgeist sorgt nämlich dafür, dass die Würdenträger mit oder ohne Titel verewigt werden. So erinnert die Wolframstraße im heutigen Wolframviertel an Georg von Wolfram. Er war „Erster Bürgermeister“ als Nachfolger des Ludwig von Fischer. Ab 1907 trug Wolfram den neu eingeführten Oberbürgermeister-Titel. In seiner Amtszeit zwischen 1900 und 1919 musste er die sechs Eingemeindungen und die Folgen des Ersten Weltkriegs bewältigen.
Der Oberbürgermeister-Miller-Ring hat kein Straßenschild
Der letzte, nämlich im Jahr 1988, mit einer Straße gewürdigte Oberbürgermeister heißt Klaus Müller. Seinen Namen trägt als Oberbürgermeister-Müller-Ring der südliche Teil der Bundesstraße 17, somit die meistbefahrene Straße von Augsburg. Allerdings weist kein Straßenschild auf diesen Straßennamen hin. Müller hat sich als Oberbürgermeister von 1947 bis 1964 um den Wiederaufbau nach dem Zweiten Weltkrieg verdient gemacht. Nach ihm folgten als Oberbürgermeister Wolfgang Pepper (1964 bis 1972), Hans Breuer (1972 bis 1990), Peter Menacher (1990 bis 2002), Paul Wengert (2002 bis 2008), Kurt Gribl (2008 bis 2020) und Eva Weber (seit 2020).
Auch einige Zweite Bürgermeister wurden mit einem Straßennamen geehrt. So widmete man Friedrich Ackermann, Zweiter Bürgermeister von 1919 bis 1933, mit der Bürgermeister-Ackermann-Straße die erste Augsburger Stadtautobahn. Ackermann wirkte auch in der Landespolitik und wehrte sich gegen die Nationalsozialisten. Mit Ludwig Wegele kam sogar ein Dritter Bürgermeister zu Ehren. Seine Bürgermeister-Wegele-Straße ist nun der nördliche Teil der Kleinen Ostumgehung. Wegele prägte während seiner Bürgermeistertätigkeit von 1952 bis 1966 die Stadt in kultureller und touristischer Hinsicht.
Zehn Vororte kamen zwischen den Jahren 1910 und 1972 zur Stadt Augsburg. In den beiden 1972 eingemeindeten Städten Haunstetten und Göggingen erinnert jeweils die ursprüngliche Hauptstraße an ein prominentes Stadtoberhaupt. Die Rede ist von der Haunstetter Bürgermeister-Widmeier-Straße und der Gögginger Bürgermeister-Aurnhammer-Straße. Das ebenfalls im Jahr 1972 zwangsweise eingemeindete Inningen verweist mit dem Bürgermeister-Lutzenberger-Weg auf sein letztes amtierendes Gemeindeoberhaupt.
In Lechhausen wird der dienstälteste Bürgermeister geehert
Auch bei vier der sechs zwischen 1910 und 1916 eingemeindeten Vororten hat der Augsburger Stadtrat jeweils den letzten Bürgermeister gewürdigt, welcher die Eingemeindungsverhandlungen führte. Gemeint sind die Lautenbacherstraße von Oberhausen, die Lutzstraße von Pfersee, die Seidererstraße von Lechhausen und die Schärtlstraße von Kriegshaber. Die Kreitmayrstraße in Lechhausen ehrt den wohl dienstältesten Bürgermeister. Benedikt Kreitmayr regierte von 1845 bis 1881 als Lechhauser Rathauschef, also 36 Jahre lang. An keinen ihrer Bürgermeister wird in den eingemeindeten Vororten Siebenbrunn, Hochzoll und Bergheim erinnert. In Augsburg und anderswo gilt auch für Gemeindeoberhäupter die Regel, dass Straßenbenennungen nach Personen erst einige Jahre nach deren Ableben erfolgen sollen. Eine Ausnahme machte nur die Augsburger Nachbarstadt Königsbrunn. Sie widmete ihrem legendären Bürgermeister Fritz Wohlfarth schon zu Lebzeiten die Bürgermeister-Wohlfarth-Straße.
Eigentlich sind mehr als 35 Augsburger Straßen nach Stadtoberhäuptern benannt. Der Bürgermeister-Titel wurde nämlich erst im Jahr 1806 eingeführt. Zuvor, in der Freien Reichsstadt, waren zwei Stadtpfleger die obersten Ratsherrn. Man hatte diese Doppelspitze mit Patriziern und zeitweise auch mit Mitgliedern der Handwerkszünfte besetzt. Später wurde die konfessionelle Parität praktiziert. Die Augsburger Patrizierfamilien, welche zahlreiche Stadtpfleger stellten, sind auf den Straßenschildern zu finden. So erinnern die Imhofstraße auch an den katholischen Joseph Adrian von Imhof und die Stettenstraße auch an den evangelischen Paul von Stetten. Beide waren die letzten reichsstädtischen Stadtpfleger. Übrigens: Der Stadtrat hat 1957 einem Nicht-Augsburger Stadtoberhaupt einen zentralen Platz gewidmet. Die Rede ist von Ernst Reuter, dem Berliner Oberbürgermeister während der Spaltung seiner Stadt.
Um kommentieren zu können, müssen Sie angemeldet sein.
Registrieren sie sichSie haben ein Konto? Hier anmelden