Noch bevor der offizielle Part begonnen hat, wird Plan B zum Mittel der Wahl. Es sind schlicht zu viele, die da von allen Seiten Richtung Rathausplatz strömen. Und so wird die Demofläche um kurz vor 14 Uhr erweitert, bis in einige der Verästelungen, die vom Herzen der Stadt ausgehen. Die Menschen können das Geschehen dort nur per Lautsprecher mitverfolgen, kommen nicht mehr weiter, müssen teils hinter Absperrband ausharren. Aber auch das scheint an diesem Tag egal. Sie alle wollen dabei sein bei einer Kundgebung, wie sie Augsburg schon seit Jahrzehnten nicht mehr erlebt hat.
Letztlich waren es wohl rund 25.000 Menschen, die am Samstagnachmittag auf dem Rathausplatz zusammenkamen, um gegen Rechtsextremismus und für Vielfalt zu demonstrieren. Auch die größten Kundgebungen der vergangenen Jahre – Corona: offiziell 5500, Fridays for Future: bis zu 6000, Kundgebung gegen AfD-Parteitag 2018: 8000 – fanden nicht annähernd so viel Zuspruch wie "Augsburg gegen Rechts". Der gewaltige Andrang überraschte offenbar auch Polizei und Organisatoren, ein Abbruch stand jedoch nicht im Raum. Es blieb eine ruhige und friedliche Veranstaltung, mit einer Ausnahme auch ohne Störungen.
Rund 25.000 Menschen nehmen an Groß-Demo gegen rechts teil
Die Großkundgebung, organisiert vom Bündnis für Menschenwürde, dauerte rund zweieinhalb Stunden. In ihrem Verlauf zeigte sich, wie breit das gesellschaftliche Bündnis dahinter war: Unter anderem sprachen Vertreterinnen und Vertreter von Kommunalpolitik, Gewerkschaften, Kirchen, Sozialverbänden und zahlreichen zivilgesellschaftlichen Organisationen. Oberbürgermeisterin Eva Weber (CSU) erklärte etwa, mit "Sei ein Mensch" sei "alles gesagt, was wir diesen Hassern entgegenschleudern müssen". Man könne sich nicht darauf verlassen, dass andere die Demokratie verteidigten, das müsse man selbst tun – indem man sich engagiere, etwa in Parteien, sozialen Medien, Vereinen oder bei Wahlen. Sie richtete auch einen Appell an diejenigen, die zuletzt versucht hätten, sie wegen ihrer Aufrufe gegen rechts "mundtot" zu machen: "Ich werde nicht ruhig sein." Es folgte lauter Applaus.
Auch andere prominente Rednerinnen und Redner fanden viel Zuspruch – wie etwa Claudia Roth ("Seien wir Menschen – es ist nicht wenig. Es ist das beste, was wir sein und tun können.") oder Bischof Bertram Meier ("Jeder, egal, ob Kind oder Greis, Mann oder Frau, queer oder hetero, ausnahmslos jeder Mensch ist hier auf dieser Welt zuhause und hat Recht auf ein menschenwürdiges Leben."). Doch gerade auch die etwas weniger bekannten Menschen auf der Bühne fanden teils bewegende, teils nachdenkliche Worte. So erklärte etwa Helmut Wieser vom Dominikus-Ringeisen-Werk, was rechtsextremistische Ideologie für Menschen mit Behinderung bedeute. Die Demo sei auch ein Bekenntnis zu einer inklusiven Gesellschaft, "in der jeder die Möglichkeit hat, sein Potenzial zu entfalten." Natalie Hünig, Schauspielerin am Staatstheater Augsburg, betonte, dass man lernen müsse, auch unterschiedliche Haltungen auszuhalten. Demokratie sei verletzlich. Wenn man wolle, dass sie wachse, müsse man für sie einstehen. Sie schloss mit: "Our love is stronger than their hate!" Gebro Aydin vom Assyrischen Mesopotamischen Verein erklärte, er sei "froh, Teil dieser Gesellschaft zu sein." Er wolle weiter in Freiheit und Frieden leben. "Das ist eine Aufgabe, die wir alle haben."
Augsburger Rathausplatz reicht für Teilnehmerzahl nicht aus
Auch zahlreiche Teilnehmerinnen und Teilnehmer hatten Botschaften mitgebracht, festgehalten auf Schildern und Plakaten. Kreativität traf dort auf Unmissverständlichkeit, Humor auf klare Kante. Die Sprüche reichten von "Augsburg ist bunt!" über "EkelhAfD" bis hin zu "Das B in Rassismus steht für Bildung", "Die Friedensstadt macht Nazis keinen Platz", "Keine Spätzle für Nazis" oder "Menschenrechte statt rechte Menschen".
Ebensolche, rechte Menschen, sorgten am Rand der Veranstaltung nur für einen kurzen Störmoment. Noch vor dem offiziellen Beginn der Demo klappten ein paar Männer eine Holzkonstruktion auf, an der bekannte rechtsextreme Parolen zusammen mit einem Flugzeug zu sehen waren. Die Männer skandierten dazu einen derzeit häufig fremdenfeindlich genutzten Begriff. Demo-Teilnehmerinnen und -Teilnehmer schritten aber schnell ein und brachten die Konstruktion weg. Strafrechtlich relevant waren die Äußerungen offenbar nicht. Ein Mann, der auf einem Plakat das "f" in "AfD" um ein Hakenkreuz "ergänzt" hatte, wurde von der Polizei aufgefordert, das Plakat wegzupacken. Die Beamten nahmen seine Personalien auf.
Insgesamt zog die Polizei aber eine positive Bilanz zur Demo, die um etwa 16.30 Uhr, kurz nach einem gemeinsam gesungenen "All you need is love", ihr offizielles Ende fand. Es habe weder Anzeigen noch Ordnungswidrigkeiten gegeben, sagte ein Sprecher. Auch Matthias Lorentzen vom Bündnis für Menschenwürde äußerte sich zufrieden. "Es ist ein wahnsinnig wichtiges Signal, das von Augsburg ausgeht", sagte er gegenüber unserer Redaktion. Man dürfe Antisemiten und Rassisten weder Straße noch Diskurs überlassen. "Das Beeindruckendste war, dass hier nicht nur Linke, sondern alle Bereiche des demokratischen Lebens versammelt waren und mitdemonstriert haben."
Hier können Sie die Ereignisse rund um die Demo am Samstag im Ticker nachlesen: