Vor zwei Jahren war der Rathausplatz kurz mal ein sehr wichtiges Thema. Erinnern Sie sich? Damals, im Frühjahr 2017, rief die Stadt eine Aktion namens „Sommerwohnzimmer“ ins Leben, weil sich viele Bürger „zunehmend durch Alkoholgenuss und überlaute Beschallung belästigt“ fühlten, wie es als Begründung hieß. Die Stadt trommelte mit einigem Aufwand für mehrere teils eher banale Maßnahmen – so wurden etwa an zwei Stufen im Außenbereich des Rathauses Messing-Schilder montiert, außerdem gab es neue Mülleimer auf dem Platz.
Rathausplatz, Königsplatz und Co.: So ist die Lage in Augsburg
Die Stadt versuchte, all das in einer Mischung aus erhobenem Zeigefinger und hipper Ansprache zu verkaufen, was missglücken musste und ein wenig peinlich war, aber auch nicht weiter schlimm. Irgendwann legte sich die Aufregung, heute ist die Situation auf dem Platz nicht viel anders, als sie es die letzten Jahre immer war. Sobald es warm wird, bevölkern ganz unterschiedliche Gruppen den Platz, einige laut, andere nicht, ein paar auch alkoholisiert, die meisten entspannt und gut drauf. So ist es nun mal mit dem öffentlichen Raum, den jeder Mensch nutzen darf. Laut den offiziellen Zahlen der Polizei haben die Straftaten seit 2017 auf dem Platz sogar deutlich zugenommen. Es ist niemandem aufgefallen, was dafür spricht, dass die Situation damals eigentlich so schlimm nicht gewesen sein kann.
Erneut in den öffentlichen Fokus rückte der Rathausplatz seither nicht, und das ist gut so. Ohnehin ist es wohltuend, dass 2019 ein Jahr war, in dem die ansonsten recht hartnäckige Debatte um Sicherheit und Stimmung auf den öffentlichen Plätzen der Stadt mal ein wenig erlahmte. Wohltuend deshalb, weil Augsburg eine enorm sichere Stadt ist und eine Fokussierung auf die Schwierigkeiten, die das Zusammentreffen vieler Menschen auf vergleichsweise engem Raum nun mal mit sich bringen kann, den Eindruck erwecken könnte, sie sei es nicht. Augsburg ist eine der sichersten Großstädte überhaupt – das gerät manchmal ein wenig in den Hintergrund.
Ohnehin gibt es in der Stadt eigentlich nur zwei öffentliche Plätze, die so etwas wie Brennpunkte sind, wenn auch nur im Augsburger Maßstab, nicht unbedingt in Relation zu problematischen Orten in anderen Großstädten. Es sind der Königsplatz, dort vor allem der Bereich des Springbrunnes, und der Helmut-Haller-Platz. Beides Treffpunkte von suchtkranken Menschen, beides Orte, die man sicher nicht meiden muss, an denen es aber mal unangenehm werden kann. Auch dort ist die Wahrscheinlichkeit, Opfer einer Straftat zu werden, gering – die Stimmung allerdings lädt zumeist auch nicht gerade dazu ein, dort zu verweilen.
Die meisten Leute überqueren diese Orte, weil sie es müssen, weil sie etwa am Oberhauser Bahnhof einen Zug oder am Kö eine Tram erwischen wollen. Sie halten sich dort nicht auf, weil es so nett wäre, denn das ist es nicht.
Süchtigentreff am Helmut-Haller-Platz ist eine gute Idee
Es ist daher richtig, dass die Stadt sich speziell und nachhaltig um diese beiden Orte bemüht und versucht, die Situation dort durch Maßnahmen zu verbessern, die glücklicherweise über das Niveau von neuen Mülleimern und auf dem Pflaster angebrachten Sprechblasen hinausgehen. Eine gute Idee ist das Projekt des Süchtigentreffs am Helmut-Haller-Platz, das seit einem Jahr existiert und mittlerweile bis zum Jahr 2022 verlängert wurde. Der Treff führt tendenziell dazu, dass der Platz nicht mehr ganz so sehr von der Süchtigenszene dominiert wird, da sich einige Suchtkranke in der Einrichtung aufhalten, wenngleich der Unterschied zu vorher bislang noch nicht signifikant ist. In jedem Fall führt der Treff dazu, dass Suchtkranke leichter mit Hilfsangeboten erreicht werden können, auch das ist ein Erfolg.
Eine weniger gute Idee zur Verbesserung der Lage am Königsplatz ist hingegen die Möglichkeit eines nächtlichen Betretungsverbotes der Innenstadt für Menschen, die im Nachtleben wiederholt durch Gewaltdelikte auffallen – oder auch für Drogendealer. Es ist deswegen problematisch, weil es zu weit reicht. Bürgern über einen derartigen Zeitraum den Aufenthalt in Teilen des öffentlichen Raums zu verbieten, weil man vermutet, dass sie künftig Straftaten begehen könnten, ist ein starkes Stück. Grundlage dieses massiven Einschnitts in die persönliche Freiheit der mutmaßlichen Straftäter ist ein simpler städtischer Verwaltungsakt, bei dem man sich erst mal ein Gerichtsverfahren samt Beweisaufnahme und der Möglichkeit spart, dass sich zum Beispiel die Gewaltvorwürfe gegen die Betroffenen gar nicht beweisen lassen.
Es stimmt natürlich: Es gibt notorische Schläger im Nachtleben und gerade in dem Bereich auch ein bedrückendes Ausmaß von Gewalt gegen Einsatzkräfte. Aber Augsburg ist insgesamt zu sicher und die Situation auf den öffentlichen Plätzen nicht derartig, als dass sie solche Schritte rechtfertigen würde.
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